Hamburg. Mado Bido M. hat gestanden, Mutter und Kind getötet zu haben. Polizisten schildern im Prozess die Lage am Morgen des 12. April.
„Ich bin seit zwölf Jahren Polizist. Und das war mit Abstand mein schlimmster Einsatz.“ Der Polizeibeamte hat um das Leben zweier Menschen gekämpft, das einer Frau und eines kleinen Kindes. Er hat sie beatmet und Herzdruckmassage ausgeübt. Und am Ende musste er erfahren, dass beide nicht zu retten waren. Die 34 Jahre alte Frau und ihre 21 Monate alte Tochter erlagen den schweren Verletzungen, die ihnen mit einem Messer zugefügt worden waren, mitten im Herzen der Stadt am Bahnhof Jungfernstieg. Im Prozess um die Verbrechen vom 12. April dieses Jahres, in denen sich ein 34 Jahre alter Mann wegen zweifachen Mordes verantworten muss, hat der Angeklagte Mado Bido M. die Taten bereits gestanden. Was er getan habe, sei „bei Gott eine Sünde“, hatte er zum Auftakt der Verfahrens gesagt.
Als der Polizeibeamte Rainer S. (Name geändert) in seinem Dienstwagen über Funk die Meldung bekam, es sei am Bahnhof Jungfernstieg „zu einem Messerstich gekommen“, konnte er noch nicht ahnen, welches Drama sich an den Gleisen ereignet hatte. Er sei mit einem Kollegen zusammen „runtergerannt“, erzählt der 33-Jährige als Zeuge im Prozess vor dem Schwurgericht. „Unmittelbar hinter der Treppe lag eine Frau auf dem Rücken in einer großen Blutlache.“ Ein Mann habe bei dem Opfer Erste Hilfe geleistet. „Es war insgesamt auf dem Bahnsteig chaotisch, es wurde geschrien, manche Menschen waren auch einfach nur still.“
Es floss viel Blut
Dann sei eine Frau auf ihn zugekommen und habe ihm gesagt, „es gebe noch ein weiteres Opfer, ein Kind im Kinderwagen. Das sei tot“, schildert der Polizist weiter. Hinter einer Säule habe er dann in einem Buggy ein kleines Kind gesehen. „Es war noch angeschnallt.“ Der Oberkörper des Opfers sei blutdurchtränkt gewesen. „Die Augen waren geschlossen.“ Der Beamte hob das Mädchen vorsichtig aus dem Buggy und sah dann, dass es am Hals verletzt war. „Ich habe es behutsam auf den Boden gelegt und beatmet.“ Ein Kollege unterstützte ihn mit Herzdruckmassage an dem Kind. Es floss viel Blut. Als ein Rettungssanitäter kam, habe dieser festgestellt, dass die Halsverletzung des Mädchens derartig schwer war, „dass weitere Maßnahmen keinen Sinn hatten“, sagt Rainer S. Gleichwohl habe der Sanitäter weitergemacht. Auf dem Bahnsteig seien viele Passanten gewesen. „Die Leute waren hysterisch, weinten, schrien.“ Er selber, erzählt der Beamte weiter, wandte sich wieder der Frau zu und löste den Ersthelfer ab; er beamtete die Frau, nahm Herzdurckmassage vor. „Danach war ich fix und fertig, auch körperlich.“ Später habe er mitbekommen, wie der Notarzt offiziell den Tod des Kindes feststellte.
Der Streit endete mit Messerstichen
Die Verbrechen an Mutter und Kind seien aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch erfolgt, wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten in dem Prozess vor. Sie geht davon aus, dass das leitende Motiv für den Doppelmord ein Sorgenrechtsstreit um das gemeinsame Kind war. Einen Tag vor der Bluttat hatte ein Familiengericht dem seit 2013 in Hamburg lebenden Mann aus Niger signalisiert, dass sein Antrag auf ein gemeinsames Sorgerecht für die Tochter keine Aussicht auf Erfolg habe. Als Mado Bido M. am 12. April in der S-Bahn seiner früheren Lebensgefährtin mit der Tochter sowie ihrem neuen Partner und einem weiteren Kind begegnete, kam es zum Streit, der eskalierte — und mit den Messerstichen endete.
Ein zweiter Polizist schildert als Zeuge die Festnahme des Verdächtigen. Über Funk habe er erfahren, dass der mutmaßliche Messerstecher selber einen Notruf getätigt hatte und nun an einer Bankfiliale an der Mönckebergstraße warte. Dort habe bereits ein Mann auf sie gewartet und mit Handzeichen auf sich aufmerksam gemacht. „Ein Kollege zog seine Waffe, der Verdächtige drehte sich um und kniete sich hin.“ Die Beamten legten Mado Bido M. Handfesseln an und fuhren mit ihm zur Wache. Während der Fahrt kam der Funkspruch, dass das Kind verstorben sei. „Wir fragten ihn, wo er das Messer hat. Er sagte sinngemäß: Das Messer ist da, wo ich den Fehler gemacht habe. Treppe hoch, Mülleimer.“ Der 34-Jährige habe „sehr ruhig gewirkt, es war fast entspannt. Er hatte eine Ruhe, die wir nicht erwartet hätten in so einer Situation.“ Der Prozess wird fortgesetzt.