Hamburg. Verspätungen haben für Firmen keine Folgen. Senat verzichtet auf Mehrschichtbetrieb. CDU: “Chaos hausgemacht.“

Zuletzt hatte auch SPD-Bürgermeister Peter Tschen­tscher eingeräumt, dass die Baustellen in Hamburg nicht optimal koordiniert seien und „nervten“. Nun wird klar, welche Gründe es für die vielen Behinderungen und die Dauergroßbaustellen gibt, die manche Autofahrer zuletzt an den Rand des Nervenzusammenbruchs brachten. Auf fast keiner der Straßenbaustellen wird im Mehrschichtbetrieb gearbeitet – das heißt, dass die Arbeiten in der Regel am Nachmittag eingestellt werden. Die Stadt kassiert von Baufirmen kaum Verspätungszuschläge, und es gibt keine Bonuszahlungen bei vorzeitiger Beendigung von Arbeiten. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Große Anfrage des CDU-Verkehrspolitikers Dennis Thering hervor, die dem Abendblatt vorliegt.

Anzahl der Baustellen konstant

Auch die häufig wiederholte Aussage aus dem Senat, der Sanierungsstau aus früheren Jahrzehnten habe zu einem deutlichen Anstieg der Baustellenzahlen geführt, lässt sich angesichts der Daten nicht ohne Weiteres aufrechterhalten. Die Zahl der Baustellen auf Autobahnen oder Hauptverkehrsstraßen ist in Hamburg jedenfalls seit 2011 weitgehend konstant geblieben. 2011 gab es über das gesamte Jahr 1216 solcher Baustellen, 2012 waren es 1333 und 2013 dann 1337. Im vergangenen Jahr lag die Gesamtzahl mit 1243 sogar wieder niedriger. Im laufenden Jahr gab es bis Anfang Oktober erst 1116.

Aktuell zählt der Senat auf Hauptstraßen 104 Baustellen. Davon werde auf lediglich einer einzigen „zeitweise im Mehrschichtbetrieb“ gearbeitet, so der Senat – also an weniger als einem Prozent. In den vergangenen Jahren war das nicht anders. An nur acht der 1243 Arbeitsstellen wurde 2017 „zeitweise im Mehrschichtbetrieb“ gearbeitet – was einem Anteil von 0,6 Prozent entspricht. Der Senat begründet dies mit Lärmschutzvorgaben. Anreizsystem zum schnelleren Bauen seien aus rechtlichen und aus Gründen der Mittelstandsförderung nicht anwendbar.

Baustellenchaos hausgemacht

„Das Baustellenchaos ist hausgemacht“, sagt dagegen CDU-Verkehrspolitiker Thering. Seine Partei fordert, den Mehrschichtbetrieb bei Straßenarbeiten in Hamburg zum Standard zu machen, ein Bonus-Malus-System einzuführen und die Baustellen besser zu koordinieren – auch mit dem Umland.

Der Senat begründet den Verzicht auf Mehrschichtbetrieb an den allermeisten Baustellen mit dem Lärmschutz für die Bürger. „Bei Baumaßnahmen im innerstädtischen Bereich ist ein Mehrschichtbetrieb in der Regel nicht möglich, da die Belange der Anwohnerinnen und Anwohner, die Zugänglichkeit der im Baufeld befindlichen Grundstücke und die Berücksichtigung des Lärmschutzes für die Bevölkerung zu beachten sind und rechtliche Grenzen aufzeigen“, schreibt er in seiner Antwort auf eine Große Anfrage des CDU-Verkehrspolitikers Dennis Thering.

Anders als kürzlich von der Wirtschaft- und Verkehrsbehörde behauptet, wird das von der CDU geforderte „ Bonus-Malus-System“ nicht eingesetzt. Solche Regelungen, bei denen Bauzeitverkürzungen belohnt und Zeitüberschreitungen bestraft werden, würden in Hamburg nicht vereinbart, korrigiert sich der Senat jetzt. Denn zu Mittelstandsförderungen würden Baumaßnahmen in „Fachlose“ unterteilt und an Einzelfirmen vergeben. Bonus-Malus-Regelungen setzten aber voraus, dass alle Arbeiten an einen Hauptunternehmer vergeben würden. „Dies wäre mittelstandsfeindlich.“

Baustellen-Chaos: Die Fehler des Senats

Auch Schadenersatzzahlungen wegen Verspätungen werden offenbar nicht eingefordert. Die in der Vergabeordnung festgelegten Vertragsstrafen könne man nur in „ begründeten Ausnahmefällen“ festlegen, schreibt der Senat in seiner Antwort. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Schadenersatzforderungen wegen Überschreitung der Vertragstermine in der Regel zeitaufwendige Gerichtsverfahren erfordern und keinen Einfluss auf eine positive und fristgerechte Vertragserfüllung haben.“

Gefragt wurde von der CDU auch, ob und wie oft Ampelschaltungen auf Ausweichstrecken an das höhere Verkehrsaufkommen angepasst wurden und wie oft Zweite-Reihe-Parker auf solchen Umleitungen abgeschleppt wurden. Darauf gab der Senat keine Auskunft, da Auswertungen dazu nicht vorlägen.

CDU legt Verbesserungsvorschläge vor

„Das Baustellenchaos in unserer Stadt wird immer schlimmer“, kommentiert Thering die Zahlen. „Der Senat kann niemandem mehr erklären, dass an Baustellen bereits ab 15 Uhr die Arbeit eingestellt und dadurch die Fertigstellung unnötig verzögert wird.“ An zentralen Baustellen wie am Dammtor oder auf der A 7 könne „ohne Weiteres 16 Stunden am Tag gearbeitet werden“, sagte der CDU-Verkehrspolitiker. „Auch alle anderen Baustellen müssen künftig bis 18 Uhr betrieben werden.“

Das in anderen Städten und im Bund „gängige und sehr erfolgreiche Bonus-Malus-System“ müsse auch in Hamburg angewandt werden. „Wir wollen als CDU den Mehrschichtbetrieb zum Standard machen“, so Thering. „Wir wollen ein effektives Bonus-Malus-System bei der Auftragsvergabe einführen, konsequent gegen Zweite-Reihe-Parker vorgehen, Ampelschaltungen optimieren und einen länderübergreifende und funktionierende Baustellenkoordinierung installieren.“ Es dürfe keine Ausreden mehr geben. „Der Senat muss jetzt liefern.“