Hamburg/Schwerin. Yamen A. dementiert Bombenbau, doch viele Indizien belasten ihn. Vermutlich wird Erwachsenenstrafrecht angewendet.

Der mutmaßliche Bombenbauer Yamen A. hat drei Monate nach Prozessauftakt nun doch sein Schweigen gebrochen – und den Vorwurf bestritten. Die Bundesanwaltschaft wirft dem 20-jährigen Syrer vor, dass er mit einem islamistisch motivierten Sprengstoffanschlag aus „Hass auf alle Ungläubigen“ 200 Menschen in den Tod reißen wollte. Am Donnerstag sagte der 20-Jährige vor Gericht: „Ich hatte nie vor, einen Anschlag zu begehen.“. Er habe auch „nie davon geträumt, ein Märtyrer zu sein“.

Vielmehr habe er die Rebellen in Syrien im Kampf gegen das Assad-Regime unterstützen und ihnen sein Wissen über den Bombenbau zur Verfügung stellen wollen. Der 20-Jährige war am 31. Oktober 2017 von Spezialkräften in seiner Schweriner Wohnung festgenommen worden. Der Prozess wird in Hamburg geführt, weil das Hanseatische Oberlandesgericht für große Terror-Prozesse in Norddeutschland zuständig ist.

Komponenten im Internet beschafft

Praktisch alle Chemikalien und Komponenten zur Herstellung des von Terroristen häufig genutzten Sprengstoffs Triacetontriperoxid (TATP) hatte sich Yamen A. laut Anklage im Internet beschafft – nach Angaben eines Gutachters hatte er genug Chemikalien und Bauteile gekauft, um damit einen tödlichen Sprengsatz zu bauen.

Mindestens fünf Versuche, den Sprengstoff herzustellen, sollen aus Sicht des Angeklagten gescheitert sein. Yamen A. sprach gestern jedoch nur von einem einmaligen, fehlgeschlagenen „Experiment“ am 22. August. Nur durch Zufall sei er zuvor auf eine Internetseite des IS gestoßen, in der Schritt für Schritt erklärt worden sei, wie sich ein TATP-Sprengsatz bauen lässt. „Das Video sah so einfach aus, ich wollte es einfach nachmachen“, so Yamen A.

„Ich will dem Feind zuerst Schaden zufügen“

Eine ganze Reihe von Indizien sprechen indes gegen die Version des Angeklagten, der seit Juli wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor Gericht steht. Warum etwa, will die Vorsitzende Richterin Ulrike Taeubner wissen, hat Yamen A. nach dem ersten gescheiterten Versuch bei Amazon zehn Kilogramm Wasserstoffperoxid bestellt, die Lieferung aber am gleichen Tag storniert? „Spontan bestellt, spontan wieder abbestellt“, antwortete der Angeklagte nach einer mehrstündigen Unterbrechung.

Und was ist mit den Nachrichten über den verschlüsselten Messenger-Dienst Telegram, in denen Yamen A. unter dem Pseudonym Murad IS mehrfach seine Absicht bekundete, eine Bombe mit großer Sprengkraft zu bauen? In einer Nachricht etwa heißt es, er werde zum IS (Islamischer Saat) nach Syrien gehen – aber erst, wenn er „dem Feind Schaden zugefügt“ habe. Oder auch: „Wir wollen sie hart treffen und sie mit einer großen Anzahl von Toten erzürnen.“

Wird Erwachsenenstrafrecht angewendet?

Dann: „Mein Ziel: eine Autobombe, um die Feinde Gottes hart zu treffen.“ Schließlich: „Mein Ziel sind nicht ein oder zwei Menschen, sondern eine vollständige Operation.“ Die Anschlagsdrohungen in dem Chat habe er nur ausgestoßen, so Yamen A. gestern, um von seinen Gesprächspartnern – mutmaßlich IS-Schergen – „ernst genommen“ zu werden; und auch, um sich „wichtig“ zu machen. Ihn habe dabei vor allem interessiert, „wie der IS denkt“. Zudem gehörte er einer Whats­App-Gruppe mit dem Namen „Partei des Staates“ an. Damit sei „vielleicht“ der Islamische Staat gemeint gewesen.

Warum er ein Walkie-Talkie zu einem Bombenzünder umgebaut habe, will Richterin Taeubner wissen. „Ich wollte sehen, wie leicht es ist.“ Richterin: „Was wollten Sie mit dem Zünder machen?“ Yamen A.: „Nichts.“ Ähnliches gelte für eine bestellte Mini-Lichterkette, deren Glühbirnen laut Anklage bei der Zündung eingesetzt werden sollten. „Die war nur Dekoration.“

Ungewöhnlich: Bei Yamen A. wird vermutlich Erwachsenenstrafrecht angewendet, obgleich er mit 20 Jahren noch als Heranwachsender gilt. Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe sagte, er sehe weder Anzeichen für eine Traumatisierung noch für eine Reifeverzögerung. Die Bundesanwaltschaft will am 13. November plädieren.