Hamburg. Aber den Grünen gehen die Verschärfungen des Mietrechts, denen Hamburg im Bundesrat zugestimmt hat, nicht weit genug.
Das war auf den ersten Blick eine Festwoche für die Grünen im Rathaus. Am Dienstag hat der Senat den kompletten Rückkauf des Fernwärmenetzes samt Kraftwerken und weiterer Anlagen für 950 Millionen Euro auch formal beschlossen. Die SPD setzt damit nach einem zähen Ringen in der Koalition letztlich die jahrelangen Forderungen des grünen Regierungspartners praktisch zu 100 Prozent um. Am Mittwoch machte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in seiner Regierungserklärung vor der Bürgerschaft aus seinem grünen Herzen keine Mördergrube und legte sich für weltweiten Klimaschutz und den zumindest partiellen Kohleausstieg in Hamburg ins Zeug.
Manch Beobachter sieht die Grünen schon – ausgestattet mit strotzendem Selbstbewusstsein nach dem Erfolg bei der Bayern-Wahl und dem bundesweiten Umfragehoch – in Hamburg zunehmend den Kurs der Senatspolitik bestimmen. Dass der Eindruck täuschen kann, zeigt ein Vorgang, der sich bislang weitgehend hinter den Kulissen der Rathauspolitik abgespielt hat.
Es geht um die Reform des Mietrechts, über die zwar letztlich der Bundestag entscheidet, bei der die Länder über den Bundesrat allerdings durchaus mitreden und Einfluss ausüben können. Wenn sie denn wollen. Noch Mitte der Woche sah es so aus, dass ausgerechnet das rot-grüne Hamburg als einziges Bundesland mit einem rotem oder grünem Ministerpräsidenten keinen einzigen Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf zur Mietrechtsänderung aus dem Haus von Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) für die Beratung des Bundesrates am Freitag einreichen würde. Die Grünen drängten zum Beispiel darauf, die Befristung der Mietpreisbremse auf fünf Jahre aufzuheben, die Sozialdemokraten mauerten.
Zurückhaltung der SPD ist überraschend
Diese Zurückhaltung der SPD, die ja traditionell als Mieterpartei gilt, ist aus zwei Gründen überraschend: Zum einen sind die vielfach unerschwinglichen Mieten und das knappe Angebot an Mietwohnungen gerade in Hamburg zu spüren und für viele Hamburger, junge Familien zumal, derzeit das Topthema. Es gäbe also gute Gründe, Hamburger Erfahrungen einzubringen und Lösungen vorzuschlagen. Zum anderen gibt der Entwurf aus dem Hause Barley das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene wider, bei denen die Union in Sachen Ausbau des Mieterschutzes kräftig auf die Bremse getreten hatte. Auch vielen Sozialdemokraten in den Ländern gehen die Änderungen des Barley-Entwurfs nicht weit genug.
Erklärlich wird die Zurückhaltung der hiesigen Sozialdemokraten allerdings durch den Hinweis auf einen Eckpfeiler der SPD-Politik: Mithilfe des „Bündnisses für das Wohnen“, das mit der Wohnungswirtschaft geschlossen wurde, will der Senat die Zielzahl von jährlich 10.000 neuen Wohnungen auch in Zukunft erreichen. Eine Verschärfung der Mietpreisbremse und Stärkungen des Mieterschutzes könnten Investoren und Vermieter vergraulen, so die Befürchtung. Schon der frühere Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte mit Blick auf das so wichtige Bündnis die Devise ausgegeben, beim Mieterschutz stillzuhalten.
Erst buchstäblich im letzten Augenblick, am Donnerstag, kam doch noch etwas Bewegung in die Sache, und am Freitag stimmte Hamburg, vertreten durch Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD), im Bundesrat immerhin für die Ausweitung des Beobachtungszeitraums des Mietenspiegels von vier auf acht Jahre. Angeblich stellte sich Stapelfeldt damit gegen das Votum ihrer Behörde.
Schnelleren Anstieg der Mieten begrenzen
Aber der Reihe nach: Bereits Ende Mai war Justizsenator Till Steffen (Grüne) mit einer Reihe weitreichender Forderungen zur Stärkung des Mieterschutzes vorgeprescht und hatte so für merkliche Verstimmung bei den Sozialdemokraten gesorgt. Pikanterweise berief sich Steffen auf eine Bundesratsinitiative des rot-rot-grünen Berliner Senats des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD). Die Berliner Parteifreunde von Tschentscher und Stapelfeldt, die ähnliche Probleme auf dem Mietenmarkt haben, wollen unter anderem die Befristung der Mietpreisbremse aufheben. Zudem soll laut Entwurf die Frist für maximale Mieterhöhungen von drei auf fünf Jahre ansteigen.
Schließlich soll auch die Modernisierungsumlage von elf und acht Prozent gesenkt und Mieter dadurch entlastet werden. „Um einen immer schnelleren Anstieg der Mieten zu begrenzen, ist es richtig und wichtig, dass wir so viel bauen. Wir müssen aber auch der bei der Regulierung mehr tun“, sagte Steffen damals im Abendblatt.
Steffen, der im Senat fachlich für Änderungen des Mietrechts zuständig ist, biss bei den Sozialdemokraten gewissermaßen auf Granit. Noch bis Mitte dieser Woche war keine Annäherung in zentralen Punkten erkennbar. Im Senat machten die Grünen noch einmal die Bedeutung des Mietenthemas gerade für Hamburg deutlich – nicht zuletzt auch mit Blick auf die nächste Bürgerschaftswahl. Erst am Donnerstag kam schließlich das Signal aus der Stadtentwicklungsbehörde, dass Stapelfeldt nun doch für die Ausweitung des Beobachtungszeitraums des Mietenspiegels sogar auf acht Jahre sei.
„Auf dem Wohngipfel im September ist zwischen den Ländern und der Bundesregierung verabredet worden, den Betrachtungszeitraum auf sechs Jahre zu erweitern. Dies hat Hamburg genau wie die Wohnungswirtschaft mitgetragen“, sagte Stapelfeldt am Freitag. „Grundsätzlich finden wir die Anpassung im Interesse der Mieterinnen und Mieter richtig. Schließlich kommt es darauf an, bundesweit den möglichen Anstieg der Mieten in einem verträglichen Rahmen zu halten. Deshalb unterstützt Hamburg auch den Vorstoß von Niedersachsen, im Bundesrat den Betrachtungszeitraum auf acht Jahre auszuweiten“, so die Senatorin.
„Mietenwahn“ als Wahlkampfthema
Den Grünen gehen die Festlegungen – Hamburg hat insgesamt vier weitere Änderungen des Barley-Entwurfs eingebracht oder ihnen zugestimmt – nicht weit genug. „Es ist gut, dass es jetzt immerhin im letzten Moment Bewegung bei der SPD gegeben hat, aber es bleiben Wünsche offen“, sagte Steffen. „Hamburg müsste eine Vorreiterrolle beim Mieterschutz einnehmen, weil die Mieten rasant steigen in der Stadt und Rot-Grün regiert.“ Es bliebe darüber hinaus das Risiko, dass die Punkte, für die sich Hamburg nun im Bundesrat eingesetzt hat, von der Großen Koalition nicht übernommen würden. „Dann wäre das Gesetz ein zahnloser Tiger. Ich finde, dass die große Koalition mehr liefern muss“, sagte der Justizsenator.
Offensichtlich erwarten die Grünen von ihrem Regierungspartner in Sachen Mieterschutz nicht mehr viel. Jedenfalls hat der Landesvorstand unter Federführung der Parteichefin Anna Gallina einen umfangreichen Leitantrag zum Thema für die Mitgliederversammlung Ende Oktober vorgelegt. Titel: „Zehn plus zehn für 2020 – Mietenwahn und Wohnungsnot beenden“. Ein Punkt ist die Forderung nach „einer effektiven Mietpreisbremse“. Klingt nach Wiedervorlage spätestens nach der Bürgerschaftswahl im Frühjahr 2020.