Hamburg. Knapp 2000 Fahrzeuge stehen in der Stadt zur Verfügung. Kunden müssen vieles beachten – das Abendblatt gibt die wichtigsten Tipps.

Der Carsharing-Markt wächst rasant – vor allem in Hamburg. Aktuell sind zehn Dienste auf den Straßen der Stadt unterwegs. Die Zahl der Carsharing-Fahrzeuge liegt nach Recherchen des Abendblatts bei knapp 2000. Zum 1. November tritt das Start-up Miles als elfter Anbieter mit weiteren 150 Fahrzeugen an. Dazu kommen Mobilitätsdienste wie Clever-Shuttle und ab Mitte 2019 die VW-Tochter Moia, deren Geschäftsmodell auf geteilten Fahrten basiert. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen:

Welche Möglichkeiten gibt es,
um Carsharing zu nutzen?

Anders als bei einer Autovermietung müssen sich die Nutzer von Carsharing-Angeboten vorher – teilweise gegen Gebühr – bei einem Anbieter registrieren. Dabei wird auch die Gültigkeit des Führerscheins überprüft. Danach laufen Buchung und Abrechnung über eine Website oder eine Smartphone-App, auf denen die Standorte und die Verfügbarkeit von Fahrzeugen angezeigt werden.

Das klassische Carsharing ist stationsgebunden und in der Regel geplant. Die Autos stehen an festen Orten wie Parkhäusern oder Parkplätzen und müssen dort wieder abgestellt werden. In Hamburg gibt es zudem eine wachsende Zahl von Anbietern, die mit dem Free-Floating-Prinzip arbeiten. Die Wagen werden per App geortet und spontan gebucht. Nach Fahrtende können sie überall in dem definierten Geschäftsgebiet abgestellt werden. Einige Dienste – wie Oply – setzen auf ein kombiniertes System, das spontane und geplante Fahrten in sogenannten Nachbarschaften ermöglicht.

Welche Anbieter in Hamburg
haben eine Free-Floating-Flotte?

Marktführer Car2go, eine Tochter des Autobauers Daimler, hat in Hamburg 220.000 Kunden und die meisten Wagen auf der Straße: Aktuell sind es 900, vor allem Smart, aber auch Mercedes-Modelle der A- und B-Klasse. Bis Ende 2019 sollen 400 Smart elektrifiziert werden. Nummer 2 ist die BMW-Tochter DriveNow mit 125.000 Kunden und 600 Autos, darunter 200 BMW i3 mit Elek­troantrieb. Demnächst sollen Car2go und DriveNow in einem Gemeinschaftsunternehmen gebündelt werden. Das Start-up Oply ist Mitte Oktober mit 100 Wagen in vier Kategorien (Sportwagen, Kompaktklasse, Familienwagen, Transporter) in Hamburg gestartet.

Auf welche Anbieter verteilen sich
die Stationen und Autos?

Cambio ist mit insgesamt 150 Fahrzeugen an 62 Stationen vertreten. 8400 Kunden nutzen den Service mit Modellen vom Kleinstwagen bis zum Transporter. An vier Stationen gibt es auch E-Autos. Ebenfalls in Hamburg vertreten sind: Ubeeqo (74 Wagen, 68 Stationen oder Parkzonen), Greenwheels (66), Flinkster (30, neun Stationen, darunter ein E-Auto), Share a Starcar (vier Standorte in Kooperation mit Firmen und Immobilienanbietern, teil- oder vollelek­trifiziert).

Hertz 24/7 bietet ebenfalls als Kooperationsmodell mit den Möbelhäusern Ikea und Roller an fünf Standorten zehn Transporter an. Eine Sonderrolle nimmt die Carsharing-Plattform Drivy ein, über die Wagen von privat, aber auch von kleineren Anbietern vermietet werden. Aktuell sind 350 Fahrzeuge in Hamburg registriert, davon sind 35 direkt über die App buchbar.

Wie finde ich den günstigsten Tarif?

Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Preisvergleiche sind sehr kompliziert, da Rabatte und unterschiedliche Paket - und Tagespreise angeboten werden. Tanken ist immer inklusive. Free-Floating-Dienste rechnen in der Regel nach Minuten ab. Die Preise unterscheiden sich zusätzlich nach den Fahrzeugmodellen. Am günstigsten bei Kleinwagen ist die Flotte der Car2go-Smarts mit 26 Cent pro Minute, bei Drive­Now kosten in der einfachsten Kategorie Minis oder BMW1-er 33 Cent pro Minute. Das lohnt sich vor allem bei kürzeren Fahrten ohne Zwischenstopps.

Die stationsgebundenen Anbieter haben eine Mischkalkulation, bei der sich die Mietpreise aus der Nutzungszeit und den gefahrenen Kilometern zusammensetzen. In der Regel sind diese Dienste günstiger. Bei Cambio etwa gibt es exakt fünf verschiedene Tarife, besonders beliebt ist die Kategorie Aktiv mit einem Grundpreis von zehn Euro. Bei einer Nutzung eines Ford Fiesta für 30 Stunden und 240 Kilometer liegen die monatlichen Kosten bei 116,20 Euro. Bei Oply, der auf eine Mischung aus beiden Systemen setzt, ließe sich ein Ford Fiesta pro Stunde für sechs Euro buchen, ein ganzer Tag kostet dabei 45 Euro (inklusive 150 Kilometern). Letztlich muss sich jeder das für ihn passende Angebot suchen.

Warum gibt es Carsharing
nicht überall in der Stadt?

Im inneren Stadtbereich gibt es viele Carsharing-Wagen, in den äußeren Stadtteilen dagegen kaum Angebote. „Gerade außerhalb der Kernzonen wäre Carsharing ökologisch sinnvoll, weil es dort weniger ÖPNV-Angebote gibt und die Wege länger sind“, kritisiert Tristan Jorde, zuständig für den Bereich Umwelt bei der Verbraucherzentrale Hamburg. „Aber dort gehen nur weniger Anbieter hin.“

Das Kern-Geschäftsgebiet von Marktführer Car2go etwa erstreckt sich von Groß Flottbek im Westen über Winterhude im Norden, Tonndorf im Osten und Rothenburgsort im Süden. Dazu kommen Spots wie Blankenese, Harburg und Bergedorf. Am Flughafen fällt wie bei DriveNow eine zusätzliche Gebühr von 5,90 Euro an. Auch beim größten stationären Anbieter Cambio liegen die Stationen im innerstädtischen Bereich – vor allem in Altona, Eimsbüttel und Mitte. Die Anbieter erklären das mit der höheren Nachfrage in den dicht besiedelten innerstädtischen Regionen.

Kommen demnächst
weitere Anbieter nach Hamburg?

Am 1. November startet Miles (ehemals Drive by) mit 125 Pkw und 25 Transportern auf den Straßen der Hansestadt – es handelt sich um Hybrid-Fahrzeuge. Im Gegensatz zu anderen Free-Floating-Anbietern errechnet sich der Mietpreis nicht nach Minuten, sondern nach gefahrenen Kilometern. Ein Kilometer kostet ab 70 Cent, ein Tag ab 49 Euro. Auch Ubeeqo, eine Tochter von Europcar, drängt stärker auf den Hamburger Markt. Nach Angaben eines Sprechers soll die Flotte bis Jahresende auf 160 Fahrzeuge aufgestockt werden.

Brauchen die Carsharing-Anbieter
eine Genehmigung von der Stadt?

Nein. Laut Hamburger Verkehrsbehörde können die Unternehmen ihre Dienste ohne Genehmigung und Auflagen starten, solange sie keine reservierten öffentlichen Straßenflächen nutzen. Hintergrund ist, dass das Abstellen von Carsharing-Autos als ein Gemeingebrauch gilt, vergleichbar mit dem Parken von Privatwagen. In Anwohnerparkzonen müssen für Wagen von Free-Floating-Flotten Parkgebühren gezahlt werden.

Nur bei Car2go und DriveNow werden diese direkt vom Unternehmen abgerechnet. Stationsbasierte Dienste mieten in der Regel Stellplätze von privaten Eigentümern an. Seit gut einem Jahr ist ein Carsharing-Gesetz in Kraft. Es schafft unter anderem die Grundlage dafür, dass die Länder für Carsharing-Fahrzeuge auf Parkgebühren verzichten können.

Woher kommt Carsharing?

Die erste Carsharing-Firma in Deutschland wurde 1988 in Berlin gegründet. Den Pionieren ging es darum, eine Alternative zu privaten Autos und eine Lösung für die wachsenden Verkehrspro­bleme zu finden. Heute ist Deutschland mit 165 Anbietern, 18.000 Autos und mehr als zwei Millionen Kunden weltweit führend in dem Bereich. Hamburg gehörte 1990 zu den ersten Städten, in denen Carsharing-Angebote gegründet wurden. In einem Städte-Ranking, das der Bundesverband Carsharing regelmäßig erarbeitet, belegte Hamburg 2017 mit 0,94 Fahrzeugen pro 1000 Einwohnern den zehnten Platz.

Führt Carsharing zu weniger
Individualverkehr in Städten?

„Die verkehrsentlastende Wirkung des Carsharing ist wissenschaftlich gut belegt“, sagt Gunnar Nehrke, Geschäftsführer des Bundesverbands Carsharing. Einzelpersonen oder Familien, die ins Carsharing einsteigen, schaffen vielfach ihren eigenen Pkw ab oder verzichten auf eine Anschaffung. „Das führt zu einer geringeren Bindung ans Auto: Carsharing-Kunden nutzen viel öfter als Autobesitzer Bus, Bahn und Fahrrad.“

Allerdings wirkten nicht alle Car­sharing-Systeme gleich. Freefloating-Carsharing, wie es etwa Car2go und Drive­Now anbieten, hat laut Nehrke nur eine geringe verkehrsentlastende Wirkung. Besonders wirkungsvoll seien hingegen stationsbasierte Systeme wie ­etwa Cambio oder Flinkster. „Kunden dieser Anbieter sehen Carsharing besonders häufig als vollwertigen Ersatz für ein eigenes Auto an.“

Wie wird sich Carsharing
in Zukunft weiterentwickeln?

„Es ist ein boomender Markt“, sagt der Umweltexperte der Verbraucherzentrale, Tristan Jorde. Entscheidend für die Unternehmen sei dabei, über die Nutzung von Carsharing-Angeboten an die Bewegungsdaten der Nutzer zu kommen. „Das gilt als wichtige Zukunftsressource und als Schlüssel zu Technologien wie autonomes Fahren, intelligente Verkehrsstromlenkung und Smart City.“

Aber auch banale Optimierungen für den Werbe- und Verkaufseinsatz seien wertvoll. Dazu passt, dass die beiden Marktführer Car2go und DriveNow, hinter denen die Automobilkonzerne Daimler und BMW stehen, sich vor einer Fusion befinden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass in dem Geschäftsbereich bislang kein Geld verdient wird. Konkrete Zahlen geben die Konzerne nicht preis.

Dazu kommen neue Angebote, mit denen digitale Fahrdienste wie Moia oder Clever Shuttle auf den Markt drängen. Sie basieren auf geteilten Fahrten, bei denen ein Wagen ähnlich wie bei einem Sammeltaxi mehrere Personen auf der Strecke zu einem gemeinsamen Zielort einsammelt. Das Start-up CleverShuttle wurde inzwischen von der Deutschen Bahn übernommen, Moia gehört zum Volkswagen-Konzern. Im nächsten Jahr will die mit reichlich Kapital ausgestattete Tochter mit mehreren Hundert Fahrzeugen einen digitalen Shuttle-Dienst in Hamburg starten. Clevershuttle ist derzeit mit 50 Fahrzeugen in der Hansestadt unterwegs.

Wie findet man das
passende Mobilitätsangebot?

Bislang gibt es keine zentrale Übersicht. Der HVV baut aktuell die Plattform Switchh auf. Die soll Hamburgern über eine kostenlose App den Zugriff auf alle Mobilitätsdienstleistungen ermöglichen: von der Auswahl des passenden Verkehrsmittels über die Buchung bis zur Abrechnung.

Carsharing, aktuell mit den Anbietern Car2go, DriveNow und Cambio, ist ein Baustein, auch Bahn und Busse des Öffentlichen Nahverkehrs sowie die Stadtrad-Stationen sind enthalten. Der Start ist 2019 geplant. Schon jetzt können sich Kunden bei Switchh registrieren und für einen Monatsbeitrag von 8,90 Euro Rabatte und Freiminuten bei Carsharing-Anbietern nutzen.