Hamburg. André Poggenburg, Ex-AfD-Chef in Sachsen-Anhalt, wurde von der Parteispitze abgemahnt und musste von Ämtern zurücktreten.

Nach dem Rücktritt von Ex-Fraktionschef Jörn Kruse wegen des wachsenden Extremismus in der AfD scheint der Richtungsstreit in der Hamburger Partei nicht ausgefochten. Für Diskussionen sorgt jetzt ein für Donnerstag geplanter Auftritt des früheren AfD-Chefs von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, auf Einladung des AfD-Bezirks Hamburg-Mitte. Poggenburg gilt als Gefolgsmann des thüringischen Landeschefs Björn Höcke und wurde mehrfach aufgrund extremistischer Äußerungen vom AfD-Bundesvorstand abgemahnt. Parteichef Alexander Gauland warf ihm vor, die Partei in die Nähe des Rechtsextremismus zu rücken.

Poggenburg hatte in Landtagsreden laut Medienberichten an den Nationalsozialismus angelehntes Vokabular benutzt (z.B. „Wucherung am Volkskörper“). In einer internen WhatsApp-Gruppe, der Poggenburg angehörte und deren Kommunikation später öffentlich wurde, tauschte man sich laut Medienberichten über Bewaffnung und „Machtergreifung“ aus. In einer Rede zum politischen Aschermittwoch im Februar 2018 sprach Poggenburg mit Blick auf Türken in Deutschland von „ Kümmelhändlern“ und „Kameltreibern“. Diese sollten „sich dahin scheren, wo sie hingehören, weit, weit, weit, hinter den Bosporus zu ihren Lehmhütten und Vielweibern. Hier haben sie nichts zu suchen und zu melden“, zitiert ihn der „Tagesspiegel“. Diese Rede führte zu einer zweiten Abmahnung durch die Bundespartei und dazu, dass Poggenburg von seinen Ämtern als Landes- und Fraktionsvorsitzender zurücktrat.

Hamburger Landesvorstand nicht glücklich über die Einladung

Die AfD in Hamburg-Mitte hat mit solchen Äußerungen Poggenburgs offenbar keine Probleme. Laut einer an Mitglieder, „Sympathisanten“ sowie, „Familie, Freunde, Bekannte“ gerichteten Einladung, die dem Abendblatt vorliegt, soll Poggenburg am kommenden Donnerstag um 19 Uhr in Wilhelmsburg auftreten und über „Soziale Fragen“ sprechen.

„Jeder soll das Recht haben, seine Meinung darzustellen, damit sich die Zuhörer ein eigenes Bild machen können“, sagte die einladende Vorsitzende der AfD Mitte, Nicole Jordan, dem Abendblatt. „Das gilt auch für Herrn Poggenburg.“ Dieser werde „sein Konzept für eine Rentenreform darstellen“, so Jordan. Sie sei sicher, dass SEINE Aussagen dazu „fest auf dem Boden der Verfassung verankert“ sein würden. Zwar habe der Gastwirt, bei dem das Treffen zunächst geplant war, am Freitag kurzfristig abgesagt. Es hätten sich aber bereits 50 Interessierte angemeldet und sie rechne mit weiterem Zulauf, so Jordan. Deswegen werde man die Veranstaltung nicht absagen, sondern einen neuen Ort dafür suchen.

Der Hamburger Landesvorstand ist offenbar nicht glücklich mit der Einladung an den extrem rechten Ostdeutschen – sieht sich aber nicht in der Lage, dessen Auftritt beim Bezirk zu verhindern. Dazu habe der Landesverband keine rechtliche Möglichkeit, sagte Hamburgs AfD-Chef Dirk Nockemann dem Abendblatt. „Der Landesvorstand hat nach der Kenntnisnahme gegenüber dem Bezirk Mitte deutlich gemacht, dass er diese Veranstaltung als inopportun ansieht und die dringende Empfehlung ausgesprochen, von der Veranstaltung abzusehen“, so Nockemann. Dabei habe er angeboten „ einen hochrangigen Ersatzkandidaten zu beschaffen“ — offenbar ohne Erfolg.

Bisher keine Erkenntnisse zu geplanten Protesten

Dass die Hamburger AfD Kontakte zum Extremismus pflegt, hat auch der Verfassungsschutz festgestellt. Bisher werde die Partei zwar nicht beobachtet, sagte dessen Sprecher Marco Haase. „Dennoch verfolgt der Verfassungsschutz die zunehmende Vernetzung wie auch ideologische Schnittmengen aufmerksam. Hierzu gehören auch die wiederholten Internet-Postings von Hamburger AfD-Gliederungen, in denen in derselben Diktion wie bei Rechtsextremisten von einem bewusst herbeigeführten ‚Bevölkerungsaustausch' gesprochen wird.“

Zudem gebe es Beziehungen zu den als rechtsextremistisch eingestuften Organisatoren der „Merkel muss weg“-Demonstrationen. Dabei ist dem Verfassungsschutz auch nicht entgangen, dass sogar die Bürgerschaftsfraktion, in der auch Parteichef Nockemann vertreten ist, „die ursprüngliche Initiatorin der Proteste … zu ihrer Reihe Fraktion im Dialog“ eingeladen hat.

Die Polizei teilte mit, bisher gebe es keine Erkenntnisse zu geplanten Protesten gegen den Auftritt Poggenburgs. Das könne sich allerdings ändern, daher behalte man die Situation im Auge.