Hamburg. Engpässe gibt es vor allem im Bereich der Geschäftsstellen. Senat hält Lage für „nicht zufriedenstellend“.

Die hohe Arbeitsbelastung der Justiz dauert an. Vor allem an den sieben Amtsgerichten ist es trotz personeller Verstärkungen bislang noch nicht gelungen, die Situation nachhaltig zu entspannen. Engpässe gibt es vor allem im Bereich der Geschäftsstellen.

Im ersten Halbjahr 2018 lag die Quote krankheitsbedingter Fehlzeiten der Bürofach- und Bürohilfskräfte im Amtsgericht Altona bei 15,5 Prozent. Auch an den Standorten St. Georg (13,3 Prozent), Wandsbek (12,1 Prozent) sowie Barmbek (11,7 Prozent) waren die Quoten zweistellig. Bei den Rechtspflegern sind die Fehlzeiten am Amtsgericht St. Georg mit 13,6 Prozent, in Harburg mit 10,6 Prozent und in Barmbek mit neun Prozent sehr hoch. Das ist das Ergebnis der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bürgerschafts-Fraktionsvorsitzenden Anna von Treuenfels-Frowein.

7789 nicht erledigte Strafverfahren

Die Summe nicht erledigter Strafverfahren an den Amtsgerichten belief sich Ende August auf 7789 Fälle. Der Bestand wächst derzeit noch, da an allen sieben Standorten die Zahl der Neuzugänge die Zahl der Erledigungen übersteigt. Im Amtsgericht Hamburg-Mitte wurden von Januar bis Ende August 2018 Aktenzeichen für 3263 neue Fälle vergeben, während im gleichen Zeitraum 3024 Strafverfahren abgeschlossen wurden. Die durchschnittliche Verfahrensdauer schwankt zwischen 3,7 Monaten (Amtsgerichte Mitte und St. Georg) und 5,6 Monaten (Blankenese).

Ein ähnliches Bild ergibt sich im Zivilprozessbereich: Hier lag die Zahl unerledigter Verfahren Ende Juli sogar bei 14.751 Fällen. Die Tendenz ist steigend, denn auch bei den Zivilprozessen nimmt die Zahl der Neueingänge stärker zu als die der Erledigungen. Nach Angaben des Senats ist die durchschnittliche Verfahrensdauer im Amtsgericht Harburg mit 4,3 Monaten am niedrigsten, in Altona mit 6,4 Monaten am höchsten.

Hohe Belastung

Auch bei den Familiensachen liegt die durchschnittliche Verfahrensdauer zum Teil recht hoch: Im Amtsgericht Hamburg-Mitte beträgt sie sechs Monate, in Altona und St. Georg 6,4 Monate und in Barmbek sogar 6,8 Monate. An allen Standorten zusammen waren Ende August 9756 Verfahren nicht erledigt. Allerdings gelang es den Amtsgerichten Barmbek und Bergedorf, den Bestand im Laufe des Jahres zu verringern, um immerhin 117 auf 1452 Fälle (Barmbek) und um 32 auf 653 Fälle (Bergedorf).

„Die Kennzahlen belegen weiterhin die hohe Belastung der einzelnen Amtsgerichte“, räumt der Senat in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage ein. Die Erledigungszahlen und Verfahrensdauern bewegten sich „im Wesentlichen innerhalb einer normalen Schwankungsbreite“. Allerdings sei die Personalsituation im Servicebereich auch „weiterhin nicht zufriedenstellend“. Die Justizbehörde weist darauf hin, dass die Zahl der Auszubildenden im Bürobereich in den Jahren 2017 und 2018 um jeweils 20 Stellen erhöht worden ist.

Bewerbungen von Quereinsteigern

„Im Herbst dieses Jahres haben 20 Rechtspfleger, 40 Justizsekretäre und 20 Justizfachangestellte ihre Ausbildung begonnen. Dieses hohe Niveau werden wir auch in den Jahren 2019 und 2020 beibehalten, um die Gerichte nachhaltig zu entlasten“, sagt Behördensprecher Marco Lange.

Um bereits während der zwei bis zweieinhalbjährigen Ausbildung des Nachwuchses für Entlastung zu sorgen, nimmt die Behörde jederzeit die Bewerbungen von Rechtsanwaltsfachangestellten und anderen Quereinsteigern entgegen. Um auf die individuelle Arbeitsbelastung zu reagieren, bieten die Justizbehörde und die Amtsgerichte in eigener Verantwortung Kurse zur Gesundheitsförderung für Mitarbeiter an.

Kritik von der FDP

FDP-Justizpolitikerin von Treuenfels-Frowein hält die Maßnahmen der Behörde für nicht ausreichend. „Die Belastungssituation an den Amtsgerichten ist nach wie vor erschreckend hoch. Justizsenator Till Steffen gelingt es nicht, sie in den Griff zu bekommen“, so die Liberale. „Der Dauerstress schlägt auf die Gesundheit der Richter und Servicekräfte, er schränkt die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Justiz ein.“ Das sei ein Alarmsignal für den Rechtsstaat.

„Statt Sofortmaßnahmen zu erlassen, weist der Senat auf seine Ausbildungsoffensive hin, die frühestens in zwei bis drei Jahren zu Entlastungen führen wird“, sagt von Treuenfels-Frowein. So bleibe der „Teufelskreis“ bestehen. „Richter und Servicekräfte fallen aufgrund anhaltend hoher Belastungen aus, was wiederum zu einer noch stärkeren Belastung der übrigen Mitarbeiter führt“, sagt die FDP-Politikerin. Verzögerten sich dadurch Verfahren, untergrabe das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat.

FDP-Fraktionsvorsitzende Anna von Treuenfels-Frowein
FDP-Fraktionsvorsitzende Anna von Treuenfels-Frowein © HA | Marcelo Hernandez

Justizsenator Till Steffen (Grüne) hält dagegen. „Wir haben die Situation an den Amtsgerichten erkannt und bereits 2017 mit der Ausweitung der Ausbildung begonnen. Das kostet zusätzlich noch mal etwas Kraft, wird sich aber auszahlen, wenn die jungen Kolleginnen und Kollegen ausgebildet sind“, sagt der Grünen-Politiker.

Am Sozialgericht ist es dagegen aufgrund von Personalverstärkungen erstmals seit 2012 gelungen, den Bestand nicht erledigter Verfahren abzubauen. Ende Juli waren laut einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des SPD-Justizpolitikers Urs Tabbert 15.809 Klagen in Sozialrechtssachen nicht erledigt, Ende 2017 waren es noch 15.932 Verfahren gewesen. Zum Vergleich: Vor sechs Jahren waren es „nur“ 11.763 Klagen, seitdem stieg die Zahl kontinuierlich an. Während die durchschnittliche Verfahrensdauer 2012 noch 15,6 Monate betrug, waren es 2017 19 Monate und im Juli 2018 sogar 19,5 Monate. Der Senat hält die langen Verfahrensdauern für „weiterhin unbefriedigend“, allerdings würden sie durch die vermehrte Abarbeitung alter Verfahren beeinflusst.