Nur wenige Gerichtsentscheidungen sind dazu angetan, das Vertrauen in die Justiz so stark zu erschüttern wie vorzeitige Entlassungen von Gefangenen aus der Untersuchungshaft aufgrund zu langer Prozessdauern. In Hamburg ist das nun zum wiederholten Mal geschehen. Nicht auszudenken, was passiert, wenn der wegen Vergewaltigung verurteilte Musa K. während seiner Zeit in Freiheit erneut straffällig wird.
Alle Beteiligten müssen sich Fragen nach ihrer Verantwortung stellen, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Rechte Gefangener gestärkt und festgelegt hat, dass die Untersuchungshaft nicht länger dauern darf als unbedingt nötig. Sicher: Die Strafkammern des Landgerichts sind stark belastet, besonders mit sogenannten Haftsachen. Gerade deswegen muss die interne Organisation optimiert werden. Zweifel daran sind jedoch angebracht, wenn die Abfassung der Verhandlungsprotokolle rund drei Monate dauert. Andererseits: Die Verfahren werden auch durch geschickte, aber nicht immer prozessentscheidende Verteidiger-Manöver in die Länge gezogen. Hier scheint eine Straffung der Strafprozessordnung unausweichlich.
Justizsenator Till Steffen (Grüne) hat das Problem erkannt und vor allem das Landgericht massiv personell verstärkt. Das ist die richtige Konsequenz. Für den Fall Musa K. kommt der Stellenzuwachs dennoch zu spät. Jeder neue Fall einer vorzeitigen Haftentlassung zieht die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats an dieser wichtigen Nahtstelle aufs Neue in Zweifel. Das muss auf jeden Fall vermieden werden.