Hamburg. Der Senat will den Volksentscheid von 2013 jetzt umsetzen. CDU und FDP üben massive Kritik und sprechen von einem Desaster.

Der Hamburger Senat will den Volksentscheid von 2013 umsetzen und beabsichtigt nun, die in den Verträgen mit Vattenfall vereinbarte Option zum Rückkauf des Fernwärme-Netzes fristgerecht bis Ende November 2018 auszuüben. Eine entsprechende Senatsdrucksache soll am 16. Oktober 2018 beschlossen werden. Gleichzeitig erhält die Bürgerschaft die Möglichkeit, sich über die wesentlichen Grundlagen der Entscheidung, insbesondere die maßgeblichen Gutachten, zu informieren.

„Wir haben in den vergangenen Monaten unterschiedliche Szenarien zur Umsetzung des Volksentscheids in rechtlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht geprüft und dazu konstruktive Gespräche mit Vattenfall geführt“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher am Dienstag. „Die Ausübung der 2014 mit Vattenfall vereinbarten Option zur vollständigen Übernahme der Fernwärmegesellschaft zum 1. Januar 2019 hat sich als die beste Lösung erwiesen, um im Zusammenwirken mit den anderen städtischen Unternehmen eine klimaschonende Fernwärmeversorgung aufzubauen, stabile Preise für die Kunden sicherzustellen und das Fernwärmenetz zeitnah und sicher in die öffentliche Hand zu übernehmen.“

Dressel: Wir sind nach den zahlreichen Gutachten und Prüfungen gut vorbereitet

Die Hamburger hatten 2013 mehrheitlich für einen Rückkauf von Strom-, Gas- und Fernwärmenetz gestimmt. Der Senat geht davon aus, dass die Ausübung der Option zulässig ist, obgleich ein Gutachten den Wert des Fernwärmenetzes auf rund 645 Millionen Euro festgelegt hatte. Der 2014 vereinbarten Mindestkaufpreis für die Stadt liegt bei 950 Millionen Euro.

„Wir fühlen uns der Umsetzung des Volksentscheids von 2013 verpflichtet", sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Genau wie beim Strom- und Gasnetz gehe es bei der Fernwärme darum, einen rechtlich sicheren, wirtschaftlich tragfähigen und technisch machbaren Weg hierfür zu finden. "Nun haben wir eine sachgerechte Entscheidungsgrundlage, die wir selbstverständlich nach dem Senatsbeschluss auch der Bürgerschaft transparent machen werden", sagte Dressel.

Anders als bei Strom und Gas gehe es aber nicht nur um einen reinen Anteilserwerb, sondern auch um die Erneuerung der Erzeugungsanlagen, die Teil des Fernwärmenetzes sind. "Hier müssen wir, um dem zweiten Teil des Volksentscheides Rechnung zu tragen, einen schnellstmöglichen Kohleausstieg und einen Ersatz des abgängigen Heizkraftwerks Wedel erreichen - gleichermaßen sozial- und klimaverträglich", so der Finanzsenator, der ankündigte, dass der Umsetzungsweg der Kaufoption "nicht einfach" werde. "Wir sind nach den zahlreichen Gutachten und Prüfungen gut vorbereitet und setzen auf eine fairen Carve-Out-Prozess mit Vattenfall.“

Massive Kritik von der FDP-Bürgerschaftsfraktion

Bei der FDP stößt die Nachricht nicht auf Begeisterung. Im Gegenteil. „Der rot-grüne Fernwärmekompromiss ist ein ökonomisches und ökologisches Desaster", sagte Michael Kruse, Vorsitzende der FDP-Bürgerschaftsfraktion. Für die Fernwärmekunden sei es ein schwarzer Tag. "Denn sie müssen für den Bau eines überflüssigen Kraftwerks hunderte Millionen Euro zusätzlich bezahlen, obwohl mit Moorburg eine preisgünstige Wärmequelle vorhanden ist", sagte Kruse. "Für die Umwelt ist diese Lösung nicht vorteilhaft, weil sie dafür sorgt, dass die Dreckschleuder Wedel noch lange am Netz bleibt."

Die FDP wirft Rot-Grün vor, mit dieser Entscheidung die "drastische Verteuerung der Wohnkosten" für 250.000 Haushalte mit Fernwärme zu verantworten. Kruse: "Ob der überteuerte Rückkauf des Fernwärmenetzes angesichts der massiven Beihilfe-Probleme zulässig ist, darf getrost bezweifelt werden. Mit dieser Entscheidung ist Bürgermeister Tschentscher komplett vor seinem grünen Koalitionspartner eingeknickt."

CDU spricht von rot-grünem Missmanagement

Auch die CDU hat äußerst kritisch auf den Fernwärmerückkauf reagiert. "Tschentscher hat es offensichtlich nach monatelangem Streit im rot-grünen Senat nicht geschafft, eine tragfähige Lösung zum Wohle der Stadt auszuhandeln", sagte der CDU-Bürgerschaftsfraktionschef André Trepoll. Jetzt bliebe doch nur noch die Umsetzung des schlechten Scholz-Deals von 2014.

"Der Steuerzahler wird für die Umsetzung des Volksentscheids mindestens 300 Millionen Euro über Wert des Fernwärmenetzes zahlen müssen, nur weil die SPD das Thema aus taktischen Gründen aus dem letzten Wahlkampf heraushalten wollte", mahnte Trepoll. "Sich jetzt auf noch nicht final ausgewertete Gutachten und mögliche Förderungszusagen des Bundes zu berufen, hat mit hanseatischer Politik und seriöser Haushaltsführung nichts mehr zu tun." Der CDU-Politiker kündigte an, dass das rot-grüne Missmanagement ein politisches Nachspiel haben werde.

BUND: Kohlekraftwerk Wedel soll spätestens 2022 vom Netz gehen

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßt die Entscheidung des rot-grünen Senats und fordert nun, dass der Umbau der Fernwärme schnell voran gebracht wird. „Das Taktieren des Energiekonzerns Vattenfall hat endlich ein Ende, jetzt kann die Stadt den Einstieg in die Wärmewende selber organisieren", sagte Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg. "Das ist ein wirklich guter Tag für die direkte Demokratie, den Klimaschutz und den notwendigen Kohleausstieg.“ Der BUND Hamburg fordert jetzt vom Senat, den Umbau der Fernwärme schnell voranzubringen, damit spätestens im Jahr 2022 das alte Kohlekraftwerk Wedel vom Netz gehen kann.