Hamburg. Jeder fünfte Anwärter hat ausländische Wurzeln, und es sollen noch mehr werden – Polizei hofft auf größere Akzeptanz bei den Bürgern.

Vielleicht würden sie sich wundern, wenn sie Dima Weimer jetzt sehen könnten. Weißes Diensthemd, kurze Haare, gütiges Lächeln, dunkle Krawatte und Namensschild. Keiner mehr von ihnen aus der damaligen Jugendclique in Neuwiedenthal. Sondern ein Polizist. „Als junger Kerl aus so einem Viertel muss man es erst verstehen“, sagt Weimer. „Dass der Staat nicht das Problem ist. Dass man es selbst schaffen kann.“

Er sitzt in einem Konferenzraum der Polizeiakademie über dem Überseering, hinter ihm leuchtet ein Werbeplakat mit der Aufschrift „Träume leben“. Dima Weimer kam als Spätaussiedler mit seiner Familie nach Hamburg, lebte in einer Containerunterkunft und schaffte es hinaus, über den Sport und eine Karriere als Kickboxer. Manchmal bricht der harte Akzent noch durch seine Stimme. Weimer soll als Integrationsbeauftragter dabei helfen, das Gesicht der Hamburger Polizei zu verändern, es vielfältiger zu machen. Ein Vorhaben, das rasch vorangeht.

30 Prozent der Hamburger haben einen Migrationshintergrund

Seit 2008 hat sich der Anteil der Migranten unter den Polizeianwärtern in Hamburg verdoppelt. Das bestätigte eine Polizeisprecherin auf Anfrage. Jeder fünfte Polizeischüler hat im aktuellen Jahrgang ausländische Eltern oder sogar einen fremden Pass, ein neuer Rekord. Im Gegensatz zu fast allen anderen Bundesländern können sogar Nicht-EU-Bürger in Hamburg grundsätzlich Polizeibeamte werden.

„Wir wollen ein Spiegel der Gesellschaft sein. In Hamburg haben etwa 30 Prozent aller Menschen einen Migrationshintergrund. Entsprechend ist das auch unser langfristiger Zielwert an der Polizeiakademie“, sagt Weimer. Sie sprechen unter anderem gezielt junge Migranten an, lancieren Werbung, bereiten sie auf die Tests vor. Je mehr die Quote steigt, desto mehr Chancen sieht die Polizei darin, etwa in ausländisch geprägten Vierteln einen besseren Zugang zu den Bewohnern zu finden.

Deutschtest stellt für viele Bewerber ein Problem dar

Einer der Hoffnungsträger ist Batuhan Katirci (20), Sohn türkischer Eltern, aus Finkenwerder. „Bei uns im Süden ist das Leben anders“, sagt Katirci, schon eins mit seiner Uniform, obwohl er erst seit August an der Polizeiakademie studiert. „Es gab da ein weit verbreitetes negatives Bild von der Polizei, obwohl man kaum in Kontakt mit den Beamten kam. Es war vor allem Unwissenheit.“

Eine Bekannte schlug den Weg zur Polizei ein, es war der erste Impuls für ihn, sich nach dem Auswahlverfahren zu erkundigen. „Der Empfang und die ganze Perspektive haben mich dann gleich fasziniert“, sagt Katirci. Also brach er sein angefangenes Studium ab und bewarb sich, wenn auch mit gehörigem Respekt vor dem Einstellungstest. In seinem Elternhaus wurde fast ausschließlich türkisch gesprochen. „Mir war jedenfalls klar, dass ich etwa den Deutschtest nicht ohne genaue Vorbereitung schaffen werde“.

Akademie hat Deutschlehrer eingestellt

Eine der Aufgaben ist ein langes Lückendiktat; als Vorbereitung darauf, dass nur etwa 50 Prozent der Polizeiarbeit die echte Verbrecherjagd ist – und die andere Hälfte Papierkram. „Wir beurteilen die Deutschkenntnisse nicht ausschließlich nach der Schulnote im Zeugnis. Als Polizisten müssen wir die Fähigkeit besitzen, uns in Wort und Schrift auszudrücken“, sagt Dima Weimer. Bewerber zu finden, die aber die nötige Grammatik und Rechtschreibung beherrschen, ist nicht immer einfach. Und Kinder von ausländischen Eltern hängen im Deutschunterricht in der Schule den Schülern ohne Migrationshintergrund oft deutlich hinterher.

Die Akademie hat einen Deutschlehrer eingestellt, der bei der Vorbereitung helfen kann, und Übungsaufgaben ins Internet gestellt. Dima Weimer sagt, das Schwierigste sei, „jungen Menschen mit Migrationshintergrund zu vermitteln, dass ein Job bei der Polizei für sie überhaupt in Reichweite ist“.

Dima Weimer findet oft anderen Zugang zu Jugendlichen

Auf eines der Werbeplakate haben sie absichtlich einen südländisch aussehenden Beamten gedruckt, der mit grimmiger Entschlossenheit die Dienstwaffe in der Hand hält. Dima Weimer tingelt selbst durch die Stadtteile, durch Schulen und Jugendcafés. „Es ist schon etwas anderes, wenn man selbst aus einem nicht einfachen Viertel kommt, man findet möglicherweise einen anderen Zugang“, sagt er. Batuhan Katirci sagt, es mache bei seinen Freunden Eindruck, wenn er nun als werdender Polizist vor ihnen steht. Er ist selbst stolz darauf, es so weit gebracht zu haben.

Wenn alles ideal läuft, glauben sie bei der Polizei, können Menschen wie Batuhan Katirci auch im täglichen Dienst auf eine moderne, bessere Art mit problematischen Gruppen umgehen. Der junge Polizeianwärter sagt, auch er sehe etwa die kleinkriminellen Gruppen von jungen Migranten in der Innenstadt mit Sorge. „Denen fehlt jemand in ihrem Umfeld, der zu seinen Freunden sagt: Das ist nicht richtig, lass das sein. Es ist für diese Menschen teilweise schwer, das aufzubrechen.“

Schwarzafrikaner und Asiaten gibt es noch kaum bei der Polizei

In der Führung hat man sich als Ziel gesetzt, dass weitere Herkunftsländer bei der Polizei repräsentiert sind. Anwärter mit türkischen oder arabischen Wurzeln gibt es bereits viele; Schwarzafrikaner und Asiaten noch kaum. Erstmals seit der großen Krise bewerben sich nun auch Flüchtlinge bei der Polizei, sie sind meist bereits etwa fünf Jahre in Deutschland. „Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es oft viele Jahre dauert, bis man sprachlich so weit ist“, sagt Dima Weimer.

Die Arbeit bei der Polizei gibt ihm ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl. Als er damals mit dem Kickboxen anfing, das ihn zur Polizei führen sollte, waren da noch ein Dutzend andere aus seiner Clique im Training. Nach einigen Monaten war er der einzig Verbliebene, der es später zum Weltmeister brachte. „Es ist im Beruf wie im Sport“, sagt Dima Weimer. „Es braucht Disziplin und Offenheit, dann gibt es eigentlich keine Schranken mehr.“

Informationen zum Bewerbungsverfahren unter www.akademie-der-polizei.hamburg.de