Hamburg. Innensenator Andy Grote weist Kritik des Hamburger Datenschutzbeauftragten zurück. Er hatte den Stopp der Software gefordert.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) hat die datenschutzrechtliche Beanstandung des Einsatzes einer Gesichtserkennungssoftware bei der Polizei zurückgewiesen. Die Beanstandung des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar beruhe "maßgeblich auf der Betrachtung rein hypothetischer Einsatzmöglichkeiten einer Gesichtsanalysesoftware, welche allerdings tatsächlich bei der Polizei Hamburg weder erfolgt noch durch sie geplant ist oder angekündigt wurde", heißt es in einem Brief Grotes an Caspar, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Es gebe deshalb keinen Anlass, bezüglich der Nutzung der Software Maßnahmen zu ergreifen. Zunächst hatte die "Bild"-Zeitung über das Schreiben berichtet.

Capar war dagegen Ende August zu dem Schluss gekommen, dass für die Erstellung und Speicherung biometrischer Gesichtsabdrücke Tausender verdachtslos erfasster Bürger die Rechtsgrundlage fehle. Wird das Verfahren trotz Beanstandung weiterbenutzt, kann er dies per Anordnung unterbinden. Grote forderte den Datenschutzbeauftragten auf, seine Position noch einmal kritisch zu prüfen, bevor er zu diesem Mittel greift. Der Datenschutzbeauftragte wollte sich zunächst nicht zum weiteren Vorgehen äußern. Zunächst werde das Schreiben Grotes geprüft, hieß es am Montag aus der Behörde.

Die Polizei hatte die Software "Videmo 360" im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel im vergangenen Jahr angeschafft. Seit März dieses Jahres wurde damit durch die Sonderkommission "Schwarzer Block" umfangreiches Video- und Bildmaterial – beispielsweise aus Überwachungskameras auf S-Bahnhöfen, Medienberichten und von Zeugen auf dem G20-Hinweisportal hochgeladene Dateien – automatisch ausgewertet.

Polizei hat Einsatz der Software erneut analysiert

"Die Ermittlung von Tätern darf im Rechtsstaat nicht über allem stehen", hatte Casper in seiner Beanstandung argumentiert. Mit dem Einsatz der Gesichtserkennung werde die gesetzlich austarierte Balance zwischen informationeller Selbstbestimmung und staatlichen Eingriffsbefugnissen zur Strafverfolgung "massiv zu Lasten der Privatsphäre" verschoben. Im Rechtsstaat sei es Sache des Gesetzgebers, für derartige Eingriffe Vorgaben zu formulieren. Dies dürfe nicht der Einschätzung von Strafverfolgungsbehörden überlassen werden. Caspar hatte deshalb den Stopp des Softwareeinsatzes und die Löschung der erhobenen biometrischen Daten gefordert.

Nach der Beanstandung habe er die Polizei aufgefordert, den Einsatz erneut kritisch zu hinterfragen, schrieb Grote. "Die seitens der Polizei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorgenommene, eingehende Analyse führt jedoch wiederum zu dem Ergebnis, dass auch aus Ihrem der Beanstandung beigelegten Rechtsgutachten keine Gesichtspunkte ergeben, die auf eine rechtswidrige Datenverarbeitung durch den Einsatz der Gesichtsanalysesoftware schließen lassen würden."

Größere Mengen von Bild- und Videodateien könnten auch nur durch technische Unterstützung systematisch ausgewertet werden, sagte ein Sprecher der Innenbehörde. "Ohne die Nutzung entsprechender Software würde eine erfolgreiche Ermittlungsarbeit beziehungsweise Strafverfolgung erheblich erschwert, in einigen Fällen wahrscheinlich unmöglich gemacht."Außerdem erfolge der Einsatz nur bei Vorliegen einer einzelfallbezogenen staatsanwaltschaftlichen Verfügung in laufenden Ermittlungsverfahren gegen bereits bekannte Beschuldigte und gegen bislang nicht identifizierte Tatverdächtige. Verdachtsunabhängige Suchläufe gebe es nicht.