Hamburg. Nach vier Jahrzehnten denken Susi und Heinz Ritsch noch nicht an den Ruhestand. Beide erinnern sich an die Anfänge auf dem Kiez.
„Das Bein noch ein bisschen weiter nach vorne, den Hintern schön raus. Und Lächeln nicht vergessen“, ruft Susi Ritsch ihren Tänzerinnen zu, die sich gerade mit einem Champagnerglas auf einem Fahrrad in Position bringen. Susi Ritsch weiß wie sich eine Tänzerin lasziv in Szene setzen kann. Seit 40 Jahren betreibt sie gemeinsam mit ihrem Mann Heinz ihre „Show Bar“ auf der Großen Freiheit am Beatles-Platz auf St. Pauli. Die 58-jährige Susi und der 68-jährige Heinz sind ebenso lange verheiratet. 1978 starteten die beiden auf dem Kiez durch.
Susi stammt gebürtig aus Köln, aufgewachsen ist sie im Bergischen Land. Nach dem Tod ihrer Mutter zog die gelernte Friseurin und Schneiderin mit 18 Jahren zu ihrer Oma nach Hamburg. Heinz ist im österreichischen Bad Gastein geboren. Der gelernte Kaufmann verdiente sich zunächst als Berufsmusiker sein Geld. Immer mal wieder kam er nach Hamburg, der Elbmetropole mit ihrem weltberühmten Rotlichtviertel. Irgendwann blieb er hängen und lernte seine spätere Frau, ebenfalls schon in jungen Jahren großer Fan des Nachtlebens, zufällig auf einer Party kennen.
Zunächst eröffneten sie ein Eiscafé auf dem Kiez
Zu ihrer Show Bar sind sie ebenfalls eher zufällig gekommen: „Ich war begeistert von der Masse an Menschen, die sich jeden Tag von früh bis spät über die Reeperbahn schob“, sagt Heinz Ritsch über die damalige Zeit. „Und überall dieses bunte Licht!“ Tagelang habe er sich das Treiben auf der Vergnügungsmeile angesehen. Dabei lernte er den damaligen Besitzer der Räumlichkeiten kennen, in denen sich heute die Bar befindet. Damals waren dort ein Imbiss und eine Spielhalle zu finden. Gemeinsam mit seiner Frau eröffnete er zunächst aber keinen Nachtclub, sondern ein Eiscafé. Ein Brand in der Großen Freiheit setzte dem Café nach wenigen Jahren aber ein jähes Ende. „Wir mussten das hier alles wieder aufbauen. Dann haben wir gedacht: Jetzt wagen wir es und machen eine Bar“, sagt Susi. Auf roten Lederbänken können die ausschließlich männlichen Gäste in dem arenaförmig aufgebauten Nachtclub, mit einer drehbaren Bühne in der Mitte, Platz nehmen und den Tänzerinnen bei ihrer Arbeit zusehen. Eintritt muss man bei „Susis“ nicht zahlen. Allerdings ist ein Herrengedeck für 35 Euro Pflicht.
Die Idee zur Tabledance-Bar entstand aus der verwinkelten Architektur heraus: „Wir bauen eine runde Bühne in der Mitte und die Männer sitzen drumherum, sagte mein Mann. Oh Gott, wie soll das denn gehen, habe ich gedacht“, sagt Susi lachend. Aber der Erfolg sollte ihnen Recht geben. Im Bereich Tabledance seien sie Vorreiter auf St. Pauli gewesen. „Wir haben damals keinen um Rat gefragt, sondern einfach unser Ding durchgezogen. Es hat geklappt“, sagt Heinz. Die Rollenverteilung hat das Ehepaar klar festgelegt: Susi ist für den persönlichen Kontakt zu den Gästen verantwortlich und schneidert die Kostüme ihrer Tänzerinnen. Heinz kümmert sich währenddessen im Hintergrund um den bürokratischen Teil des Betriebs.
Alle zehn Jahre verändere sich der Kiez
Bis heute sind die Ritschs auf dem Kiez eine bekannte Marke, während andere längst zugemacht haben. Die Veränderungen, die die „sündige Meile“ zurzeit durchläuft, bleiben auch ihnen nicht verborgen. Es habe sich schon viel verändert. „Das war früher wirklich der Wahnsinn. Hier lebte einfach das Leben. Dagegen ist das heute Kindergarten“, sagt Susi. Alle zehn Jahre verändere sich der Kiez. Jetzt sei wieder so eine Phase. Die 'Kiezianer' seien nicht mehr die eingeschworene Gemeinschaft, die sie vor 40 Jahren waren. „Wir haben uns aber nie unterkriegen lassen. Es hat sich gelohnt immer weiterzumachen.“
Früher hätten weniger Gäste für mehr Umsatz gesorgt als die vielen Junggesellenabschiede heute zusammen ausgeben würden. „Das war schon eine tolle und besondere Zeit früher. Aber heute ist es auch schön, eben anders schön. St. Pauli ist und bleibt ein toller Stadtteil“, findet Susi. Generell würden sich die beiden wieder mehr Tabledance-Bars auf der Großen Freiheit wünschen, die Zahl ist deutlich zurückgegangen. „Wir sind in unserem Bereich mittlerweile relativ alleine hier. Konkurrenz ist aber auch gut, denn sie belebt das Geschäft“, sagt Susi, die mit ihrem Mann nur 800 Meter entfernt an der Elbe wohnt.
Gäste schütten am Tresen ihr Herz aus
Im Laufe der vier Jahrzehnte haben Susi und Heinz in ihrer Bar viel erlebt. Einige besonders treue Stammkunden würden sich auch nach so langer Zeit immer noch an die Theke der geselligen Rheinländerin verirren, die mittwochs bis sonnabends ihre Bar öffnet. Viele spannende Menschen und interessante Schicksale hätten sie kennengelernt, immer wieder schütte jemand am Tresen sein Herz aus. „Über die Jahre bin ich schon so etwas wie eine Psychologin geworden“, sagt Susi schmunzelnd.
Auch nach 40 Jahren ist Susi und Heinz die Lust am Nachtleben noch nicht vergangen. Ein paar Jahre wollen sie noch weitermachen. Danach müsse unbedingt ein Nachfolger her.