Hamburg. Die Maßnahmen der Bundesregierung könnten die Luft sauberer machen. Doch der ADAC warnt vor einem vorschnellen Umtausch.

Die Bundesregierung will die Luftqualität in den Städten verbessern. Ziel ist es, Fahrverbote zu verhindern. Deshalb sollen gerade die besonders schmutzigen Diesel-Pkw der Schadstoffklassen 4 und 5 in mehreren Städten von den Straßen verschwinden – vermutlich auch in Hamburg. Im Gespräch sind Umtauschaktionen und Nachrüstungen in Form von Gutscheinen. Das ist das Ergebnis eines Diesel-Gipfels am Freitag im Bundeskanzleramt in Berlin. Bis zum Montag sollen die noch strittigen Fragen geklärt werden.

Rund 120.000 Hamburger und viele Schleswig-Holsteiner dürften sich in den kommenden Wochen mit der Frage beschäftigen, was sie mit ihrem Auto machen sollen. In der Hansestadt sind 80.803 Diesel-Pkw zugelassen, die den Euro-5-Standard erfüllen – und 43.545 Pkw, die nur den noch schlechteren Euro-4-Standard einhalten.

Umweltbehörde verweist auf Luftwerte

Der Stickoxid-Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm. Hamburg kam 2017 im Schnitt auf 58 Mikrogramm. Die Bundesregierung will, dass die Autos, die für einen großen Teil der zu hohen Stickstoffdioxid-Belastung in Städten verantwortlich sind, von den Straßen verschwinden. Wenn sie das tun – verschwindet dann auch das erst im Mai mit großem finanziellem und organisatorischem Aufwand ins Werk gesetzte Dieselfahrverbot in der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße?

Die Hamburger Umweltbehörde wollte sich am Freitag in dieser Frage nicht festlegen, stellte aber eine ­Aufhebung der Verbote zumindest in Aussicht. „Wenn es bei Hamburger Dieselautos zu einer Hardware-Nachrüstung im großen Stil kommt, dürfte das die Einhaltung der Grenzwerte spürbar beschleunigen“, sagte Jan Dube, Sprecher der Behörde. „Die zwei Durchfahrtsbeschränkungen an der Max-Brauer-Allee und an der Stresemannstraße sind nicht unbedingt auf Dauer angelegt. Sie werden aufgehoben, sobald die Grenzwerte auch ohne die Maßnahme dauerhaft eingehalten werden. Wir haben an beiden betroffenen Straßen Messstellen, deshalb können wir die Entwicklung der Werte unmittelbar nachverfolgen.“

Hessen setzt auf Umrüstung

Etwas anders geht das hessische Umweltministerium mit dem Thema um. Die von Priska Hinz (Grüne) geleitete Behörde hat kurzerhand hochgerechnet, was das Umrüsten und Umtauschen von alten Dieselautos bringen würde. Eine Menge, haben die Fachleute festgestellt. Weshalb die Landesregierung vor wenigen Tagen erklärte, sie sei „überzeugt davon, dass mit der Hardware-Nachrüstung von Euro-5-Dieselmotoren ein Fahrverbot in Frankfurt noch abgewendet werden könnte“.

Die Rechnung, die die Hessen aufmachen, ist relativ einfach. Weil die Euro-4- und Euro-5-Autos zu einem erheblichen Teil für die Stickstoffdioxidbelastung und damit für die Überschreitung des Grenzwerts (40 Mikrogramm) verantwortlich sind, hilft es der Luft sehr, wenn möglichst viele dieser Autos verschwinden oder nachgerüstet werden. Derzeit wird in Frankfurt noch in 83 Straßen der Grenzwert überschritten. Diese Zahl, so das Umweltministerium, könnte sich auf 23 im Jahr 2020 verringern, wenn möglichst viele Dieselfahrer von den Angeboten der Automobilhersteller Gebrauch machen.

Hamburg und Kiel besonders betroffen

Unklar ist derzeit allerdings noch, welchen Umfang die Umtausch- und Umrüstaktion hat. Möglicherweise ist sie nur auf die Modelle der deutschen Hersteller begrenzt. Auch ist noch unbekannt, in welchen Städten sie gelten soll. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte vorgeschlagen, die Diesel-Maßnahmen auf zehn oder elf „Intensivstädte“ und einen Umkreis von jeweils 70 Kilometern zu begrenzen.

Sollte dies umgesetzt werden, dürfte der Norden in besonderer Weise profitieren. Denn laut Umweltbundesamt gehörten Hamburg und Kiel 2017 zu den zehn Städten mit den höchsten Grenzwertüberschreitungen für Stickstoffdioxid. Hamburg landete auf dem sechsten Platz, Kiel auf dem neunten. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass beide zu Scheuers „Intensivstädten“ gehören.

Zieht man einen 70-Kilometer-Umkreis um die Städte, wird klar, dass die Diesel-Maßnahmen eben nicht nur für Hamburg und Kiel, sondern auch für den größten Teil Schleswig-Holsteins inklusive des kompletten Hamburger Umlands, Lübeck, Neumünster und Flensburg, gelten. In Schleswig-Holstein sind rund 326.000 Diesel-Pkw der Schadstoffklassen 4 und 5 zugelassen.

ADAC warnt vor erneutem Betrug

Aber lohnt sich ein Umtausch überhaupt? Das hängt auch von den finanziellen Möglichkeiten der Autofahrer ab. Christian Hieff, der Sprecher des ADAC in Hamburg, empfiehlt jedenfalls, etwaige Angebote der Hersteller sorgfältig zu prüfen. „Es sollte schon mehr sein als ein üblicher Rabatt“, sagte er. Ganz wichtig sei es, seinen alten Diesel nicht gegen einen Euro-6-Diesel einzutauschen. „Auch beim Euro 6 gibt es eine große Diskrepanz zwischen den Werten am Messstand und auf der Straße.“ Deshalb sollten Verbraucher unbedingt ein Fahrzeug mit der gegenwärtig besten Schadstoffklasse „6d-TEMP“ ordern – oder aber gleich auf einen Benziner umsteigen.

Beim ADAC gibt es offenbar den Verdacht, dass die Automobilhersteller die Umtauschaktion nutzen könnten, um ihre Euro-6-Lagerfahrzeuge loszuwerden. Hieff empfiehlt den Autofahrern: „Lasst euch nicht zum zweiten Mal betrügen.“ Auch der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Stephan Gamm nimmt die Automobilindustrie in die Pflicht. Sie müsse die Kosten für Umrüstungen allein tragen, fordert er.