Hans-Gerhard Husung , Ex-Generalsekretär der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz, über Chancen des Hamburger Antrags.
Naturkundemuseum versus Science Center? Oder Naturkundemuseum plus Science Center? Was wünschen wir uns angesichts sprudelnder Steuereinnahmen und eines verlässlichen hanseatischen Mäzenatentums? Am besten alles zur selben Zeit? Dabei wird übersehen, dass die Politik längst die richtige Prioritätensetzung vorgenommen hat. Sie sollte dies allerdings noch eindeutiger kommunizieren.
Nach der Zerstörung des Naturkundemuseums im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs sollen nun die vorhandenen Sammlungen von Weltrang in einem neuen, forschungsorientierten Naturkundemuseum auf moderne Art der breiten Öffentlichkeit wieder präsentiert werden. Eine fachkundige Konzeptentwicklung und die politische Umsetzungsbereitschaft haben die Perspektive für die Aufnahme dieser neuen Einrichtung in die gemeinsame Förderung durch Bund und Länder und in die Leibniz Gemeinschaft eröffnet.
Zwei Bälle im Spiel können zum Abpfiff führen
Dann könnte die Biodiversitätsforschung künftig im engen Verbund mit den anderen Museen, die bereits in der Leibniz Gemeinschaft sind, erfolgen. Dafür stünde auch mehr Geld zur Verfügung, da die Finanzmittel der Hansestadt durch die Mitfinanzierung von Bund und Ländern mehr als verdoppelt würden. Im Wettbewerb um ähnliche Anliegen aus anderen Ländern hat der Hamburger Antrag beste Chancen für die anstehenden Beratungen in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz.
Aber was sollen Entscheider dort tun, wenn in der Diskussion um ein Science Center nicht mehr klar erkennbar ist, was die Hansestadt als erste Priorität verfolgt? Vom Fußball wissen wir, dass zwei Bälle im Spiel zum Abpfiff führen. Das sollte niemand wollen.
Ein Science Center will den Besucher zum Benutzer machen. Über den Erlebnischarakter soll eine Nachhaltigkeit des Verständnisses gefördert werden. Die Exponate erwecken Aufmerksamkeit, die sich mit spielerisch lernender Wissensvermittlung verbindet. Ein solcher außerschulischer Lernort ist offen für neue Entwicklungen des Infotainments und des Edutainments. Ein solches Konzept ist in der Hansestadt sporadisch immer wieder diskutiert worden. Aktuell ist jedoch nicht erkennbar, ob das Interesse inhaltlich oder eher baugetrieben ist, verbinden doch selbst Hochschulen ihre Unterbringungswünsche mit den Vorschlägen.
Kalkulation mit 400.000 Besuchern pro Jahr
Für die Machbarkeit kalkulieren die Initiatoren mit 400.000 Besuchern pro Jahr, damit die Betriebskosten gedeckt werden könnten. Ein Faktencheck zeigt: Von den gegenwärtig 22 Science Centern in Deutschland erreichen nur wenige mehr als 200.000 Besucher jährlich. So kommt das erfolgreiche Universum in Bremen ohne einen permanenten Zuschussbedarf aus öffentlichen Kassen nicht aus. Zudem gilt, dass zum Erhalt der Attraktivität alle zehn bis 15 Jahre die Experimente mit erheblichen Investitionskosten erneuert werden müssen. Selbst eine Investition von 100 Millionen Euro und mehr als 360.000 Besucher konnten die Insolvenz des Bremer Space Center nicht abwenden. Diese Risiken sollten also frühzeitig in die Debatte einbezogen werden.
Dr. Hans-Gerhard Husung war von 2011 bis 2016 Generalsekretär der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK)