Hamburg. Science Center? Oder reine Naturkundeschau? In einigen Städten gibt es sehr renommierte Institutionen. Was sie so erfolgreich macht.
Was soll’s denn nun werden? Ein Naturkundemuseum? Oder ein Science Center? Oder beides mit einer Klimaschau unter einem Dach? Während Hamburg seit Jahren über ein geeignetes Schaufenster der Wissenschaft debattiert, um bedeutende Forschungsleistungen und herausragende Sammlungen an einem Publikumsmagneten zu konzentrieren, profilieren sich andere Städte längst erfolgreich mit Häusern für Forschung, Natur und Technik.
Welchen Weg Hamburg einschlägt, ist offen. Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) favorisiert allerdings die Pläne für ein Naturkundemuseum. Die Aufnahme des Centrums für Naturkunde (CeNak) der Universität in die renommierte Leibniz-Gemeinschaft wäre eine wichtige Weichenstellung.
Breite Initiative
Das Konzept, über das der Ausschuss der Wissenschaftskonferenz am Dienstag und Mittwoch entscheidet, sei „plausibel und stark“. Demnach sollen die bisher verstreuten, eher unwürdig untergebrachten naturkundlichen Hamburger Sammlungen aus Zoologie (86.000 Besucher pro Jahr), Mineralogie (9000 Besucher) und Geologie (6000 Besucher) an einem Ort neu aufgehen. Ziel ist ein „Evolutioneum“, das dem Rang der Exponate gerecht wird.
Die Diskussion über ein größeres Haus mit ganzheitlichem Ansatz in Form eines Science Centers in der HafenCity stieß deshalb bei Fegebank auf wenig Begeisterung. Die Verquickung sei „nicht nur ungünstig, sondern schädlich“. Doch es gibt sie nun mal, die breite Initiative aus Hochschulen, Unternehmen und Verbänden, die ein integriertes Haus für Forschung, Entdeckung und Erlebnis im Sinn hat – mit Naturkundemuseum, Science Center und Klimaschau.
Dieser Plan soll nicht in Konkurrenz zu einem Naturkundemuseum stehen, sondern den Begriff weiter fassen und Hamburg neu auf die Landkarte der Wissenschaftsstandorte packen. Was und vor allem wie es die anderen Städte machen, hat das Abendblatt bei einer deutschlandweiten Umfrage ergründet. Fünf Beispiele, die Modellcharakter haben könnten.
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Wolfsburg
phaeno – ein Raumschiff, in dem man alles anfassen darf
Das phaeno wurde 2005 als Science Center eröffnet und von Stararchitektin Zaha Hadid entworfen. Die regelmäßig aktualisierte Ausstellung erstreckt sich auf 6000 Quadratmetern – also etwa einem Fußballfeld. Mehr als 350 teils interaktive Exponate aus Naturwissenschaft und Technik sollen die menschliche Neugier ansprechen und können spielerisch erforscht werden – vorgeschriebene Wege durch die Themenfelder Energie, Spürsinn, Optik oder Leben gibt es nicht. Mehr als 30 Kunstwerke von namhaften internationalen Künstlern reichern die Ausstellung an. Jährlich kommen 250.000 Besucher, 91 Prozent von außerhalb.
Das phaeno versteht sich als Bildungseinrichtung, Freizeitziel und Veranstaltungsort. Erwachsene zahlen 14 Euro, Kinder ab 6 Jahren 9 Euro, Familien 34 Euro (2 Erw., 2. Ki.). Den Etat kommuniziert das phaeno nicht, 60 Prozent seien aber durch Eintritt, Veranstaltungen und Vermietungen gedeckt. Es gibt wechselnde Sonderausstellungen und (Ferien-)Aktionen. Erfolg messe sich an zufriedenen Besuchern. Hinter dem phaeno steht die „Stiftung phaeno“ und die daraus gegründete „phaeno gGmbH“. Tipp aus Wolfsburg: Hamburg sollte an Nachhaltigkeit und ein Alleinstellungsmerkmal denken.
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München
Deutsches Museum begeistert mit Größe und Vielfalt
Ein Etat von 50 Millionen Euro, größtes Technikmuseum der Welt, umfangreichste Museumsbibliothek des Landes oder: das Deutsche Museum in München. Mit 25.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, mehr als 1,4 Millionen Besuchern jährlich und 28.000 Objekten aus 50 Bereichen der Naturwissenschaft und Technik bietet das 1925 eröffnete Haus auf der Museumsinsel eine enorme Bandbreite. An den vier Standorten (Oberschleißheim, Bonn, Verkehrszentrum München) werden 40 Ausstellungen von Astronomie über Meeresforschung, Nanotechnologie, Zeitmessung bis hin zum Bergbau gezeigt. Darunter der erste Computer, der erste Dieselmotor oder der Faraday’sche Käfig.
Die ständig aktualisierte Mischung aus Präsentation und Interaktion fasziniert viele Besucher. Sonderausstellungen, etwa „200 Jahre Radfahren“, schmücken das Programm. Erwachsene zahlen für das Forschungsmuseum der Leibniz-Gemeinschaft zwölf Euro, Kinder (ab 6 Jahren) vier Euro. Das Museum als Anstalt des öffentlichen Rechts bezeichnet sein „Einzugsgebiet“ als „unbegrenzt“. Tipp aus München: Menschen wollen Wissenschaft begreifen, an Mitmach-Stationen und Experimenten. Aber das „Spektakel“ darf den Inhalt nicht überlagern.
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Berlin
Naturkundemuseum zeigt Raritäten und ist Anwalt der Erde
Tristan, der Tyrannosaurus, der Urvogel Archaeopteryx und Giraffatitan sind nur drei Gründe, das Naturkundemuseum in Berlin zu besuchen. Die riesigen Dinosaurierskelette (darunter das größte aufgebaute weltweit) sind Raritäten, absolute Publikumsrenner und nur ein Teil der 30 Millionen Objekte fassenden Sammlung. Kein Wunder, dass 96 Prozent aller Berliner und 60 Prozent aller Deutschen das 1889 eröffnete Haus mit seinem prägenden Lichthof kennen – und für acht Euro (Erwachsene) auch gern besuchen. Gut 630.000 Menschen (davon 40 Prozent Familien) kamen 2017.
Das Berliner Haus will dabei nicht nur Schaufenster der Wissenschaft und Brücke von Forschung zur Bildung sein, sondern gesellschaftlich auch aktiv mitmischen, und zwar unter der Losung „Für Natur!“. Nach dem andauernden Umbau sollen 10.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche entstehen. Mit einem 20-Millionen-Euro-Etat liegt der thematische Schwerpunkt auf Klimawandel, Artenverlust, Biodiversität und gesellschaftlichen Veränderungen. Sonderausstellungen wie derzeit „ Ara“ geben Einblicke in die Forschungsarbeit des Museums – es ist als Teil der LeibnizGemeinschaft eine Stiftung öffentlichen Rechts. Kein Tipp aus Berlin.
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Bremen/Bremerhaven
Klimahaus und Universum bilden ein originelles Gespann
Die jüngste Attraktion dieser Reihe ist das 2009 eröffnete Klimahaus in Bremerhaven. Das originelle Konzept, entlang des 8. Längengrades auf einer Ausstellungsfläche von 11.500 Quadratmetern nahezu sämtliche Klimazonen (mit dem Hamburger Guide Axel Werner) zu durchlaufen, hat im vergangenen Jahr 453.000 Besucher angezogen. Im spektakulären Schlauchbootbau des Bremer Architekten Thomas Klumpp werden Erlebnisse zum Klima, zum Klimawandel und den Naturgewalten erfahrbar – ob in der Schweiz, auf Samoa oder in Alaska. Da bezahlen Erwachsene anscheinend gern 16 Euro und Kinder ab vier Jahren 11,50 Euro.
Mit Sonderausstellungen wird das Kernkonzept angereichert, nicht grundlos behauptet das Klimahaus, seit Jahren die Einrichtung zu den Themen Wetter, Klima und Klimawandel in Deutschland zu sein. Wie viel Geld die Betriebsgesellschaft zur Verfügung hat, will sie nicht preisgeben. In Kombination mit der interaktiven Wissenschaftsausstellung Universum in Bremen (213.000 Besucher 2017), bei der 250 Exponate zum Menschen, zur Natur und zur Technik ausprobiert werden können, wuchert der Stadtstaat mit einem starken Wissenschaftspfund. Kein Tipp aus Bremen.
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Frankfurt am Main
Senckenberg-Museum besticht mit Sauriern und Forschung
Senckenberg – das klingt schon edel. Und bis zu 600.000 Besucher geben dem Frankfurter Naturmuseum in seinem erhabenen, 1907 errichteten Altbau recht. Als Forschungseinrichtung misst sich der Erfolg nicht nur an Besuchern, Veranstaltungen, Führungen oder Presseresonanz, auch internationales Renommee wird gern genommen. Mehr als 90 Prozent des Budgets von 60 Millionen Euro fließen in die Forschung der Senckenberg-Gesellschaft, die insgesamt drei Museen, sieben Institute und 850 Mitarbeiter hat.
Das Naturmuseum fokussiert sich mit mehr als einer Million Schmetterlingen, T-Rex-Skelett oder 18- Meter-Diplodocus auf die Vielfalt des Lebens, die Entwicklung der Lebewesen und den Wandel der Erde über Jahrmillionen. Biologie, Paläontologie und Geologie stellen aus, der Hit sind die Großgruppensaurier, selten in Europa. Der Umbau zum „Neuen Museum“ sieht eine Neuordnung in Mensch, Erde, Kosmos, Zukunft vor. Das Museum ist Teil der Leibniz-Gemeinschaft, die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein rechtsfähiger Verein. Tipp aus Frankfurt: Mit den Sammlungen hat Hamburg ideale Ausgangsbedingungen, um Evolution authentisch und wissenschaftlich fundiert zu vermitteln!