Hamburg. Das SHMF-Orchester stellte in der Elbphilharmonie unter Krzysztof Urbanski sein hohes Niveau unter Beweis.
Die Streicher wühlen sich in dissonante Klangflächen hinein, Bässe grummeln einen dumpfen Tanz. Bläser zerschneiden die Luft mit einem grellen Akkord. Und am Ende entfachen 18 Schlagwerker einen wahren Höllenlärm. Die Elbphilharmonie scheint zu beben, manche Besucher halten sich die Ohren zu. Keine Chance zum Wegdösen.
Wojciech Kilars Sinfonische Dichtung „Krzesany“ überrascht den Hörer mit grellen Kontrasten. Kein Wunder, dass Krzysztof Urbanski das Stück seines polnischen Landsmanns für den Einstieg ausgewählt hat. Die Musik wirkt wie ein Koffeinschock, sie putscht das Publikum auf und bietet den Instrumentengruppen des Schleswig-Holstein Festival Orchesters reichlich Gelegenheit zu zeigen, was sie drauf haben. Und das ist beeindruckend.
Talentschmiede von Sir Leonard Bernstein
Seit Leonard Bernstein die Talentschmiede 1987 gegründet hat, versammelt das SHMF-Orchester jedes Jahr eine Auswahl der besten Nachwuchsmusiker aus aller Welt zu Proben- und Konzertphasen mit renommierten Dirigenten und stellt regelmäßig sein hohes Niveau unter Beweis. Mit geschlossenen Augen würde man nie und nimmer erraten, dass da ein Jugendorchester auf dem Podium sitzt.
Unter Leitung von Krzysztof Urbanski – der für sein elegantes Dirigat, wie so oft, keine Noten brauchte – demonstrierte der multinationale Klangkörper seine Präzision in puncto Zusammenspiel, Dynamik und Tempo, aber auch das Top-Level der einzelnen Mitglieder. Auffällig etwa der Hamburger Hornist Jacob Dean mit seinem klaren, weichen Ton.
Im Klavierkonzert von Edvard Grieg schlüpften Urbanski und das Orchester in die Rolle der aufmerksamen Partner und Begleiter: Für die großartige Anna Vinnitskaya, die den Solopart mit einer Mischung aus vollgriffiger Wucht und feinsinniger Poesie beseelte. Die Pianistin entfachte im einen Moment eine vibrierende, wie von Stromschlägen durchzuckte Energie, lehnte sich im nächsten zurück, um die sanglichen Linien auszukosten und belebte das Finale mit dem Schwung norwegischer Volkstänze.
Starker Auftritt durch intensive Probearbeit
Im unerschöpflichen Reservoir der Volksmusik hat sich auch Antonin Dvorak für seine neunte Sinfonie bedient und daraus einige zauberhafte Themen geschaffen. Wie im Largo, dessen Englischhorn-Melodie die Oboistin Anna Bittel aus einem Zuschauerrang rechts oberhalb der Bühne spielte. Zum Niederknien schön. Nicht nur hier profitierte Urbanski, erster Gastdirigent des NDR Elbphilharmonie Orchesters, von seiner Erfahrung mit dem Großen Saal. Auch das hauchzarte Pianissimo-Flüstern, auf das er die Geigen mitunter herunterdimmte, würde in einer weniger sensiblen Akustik wahrscheinlich untergehen. Hier, in der Elbphilharmonie, kitzelte es den Hörern via Trommelfell eine wohlige Gänsehaut in den Nacken.
Solche Feinheiten fallen nicht einfach so vom Himmel, das ist in den paar vereinzelten Passagen zu spüren, in denen das Festivalorchester noch etwas weniger stabil wirkt als ein erwachsenes Berufsensemble. Der starke Auftritt resultiert aus intensiver Probenarbeit. Aber die hat den jungen Musikern und ihrem Dirigenten unverkennbar großen Spaß gemacht. So soll es sein.