Hamburg. Der Hausmeister übersah im Februar einen Fußgänger und stand jetzt wegen fahrlässiger Körperverletzung vor Gericht.

Als der Mann auf dem Asphalt aufprallte, schwer verletzt und kurz vor der Bewusstlosigkeit, hatte er schon fast mit dem Leben abgeschlossen. „Ich dachte: Das war’s für dich. Deine Familie siehst du nicht wieder.“ Das war sein letzter Gedanke, bevor der 54-Jährige ohnmächtig wurde. Kurz zuvor hatte er noch wahrgenommen, wie jemand auf ihn einredet: „Bleiben Sie ruhig, bleiben Sie ruhig!“ Die Worte waren der verzweifelte Versuch eines Autofahrers, irgendwie behilflich zu sein. Jenes Autofahrers, der das Opfer angefahren und damit dessen Leben nachhaltig beeinträchtigt hat.

Jetzt, sieben Monate nach dem Verkehrsunfall vom 1. Februar, sitzt der Autofahrer als Angeklagter vor dem Amtsgericht, ein blasser Mann mit Brille und hoher Stirn, und wirkt selbst, als sei er am Boden zerstört. Mit hängenden Schultern und Tränen in den Augen sitzt Hartmut O. (alle Namen geändert) da und ringt mit den Händen. „Ich dachte immer, ich bin der Supermann am Steuer und passe extrem auf“, sagt der 57-Jährige mit belegter Stimme.

Doch dieses eine Mal war die Aufmerksamkeit wohl doch getrübt: Als der Hausmeister mit seinem Dienstwagen an jenem Februartag morgens von der Bundesstraße in den Schlump einbog, übersah er den Fußgänger. Und dabei hatte das Opfer, ein Polizist auf dem Weg zu seinem Dienst an der Wache, Grün.

Hartmut O. hat den Fußgänger übersehen

„Ich musste zu einem Termin“, schildert der Autofahrer. „Als ich an die Kreuzung kam, sprang auch für mich die Ampel auf Grün.“ Die Kreuzung kenne er sehr gut, weil sein Sohn gleich in der Nähe zur Schule geht. Er habe das Tempo gedrosselt und sei langsam links abgebogen, sagt Hartmut O. „Dann hörte ich einen Knall. Ich habe den Fußgänger aber nicht gesehen. Er war für mich wie unsichtbar, wie vom Himmel gefallen.“ Dass er den Mann angefahren und so schwer verletzt hat, gehe ihm „sehr nahe. Ich sah ihn neben meinem Wagen liegen und ging hin“, erzählt der 57-Jährige und wischt sich Tränen weg. „Dann hatte ich einen Aussetzer.“ Der Hausmeister hatte einen Schock erlitten und kam selber kurz ins Krankenhaus.

Dem Mann, den er angefahren hat, sind die Folgen des Verkehrsunfalls bis heute anzusehen. Beim Gang zum Zeugenstuhl humpelt Ulrich E. Er war an jenem Morgen auf dem Weg von der U-Bahn zum Dienst in der Wache, erzählt der Polizeibeamte. Als seine Fußgängerampel auf Grün sprang, trat er auf die Kreuzung. „Plötzlich habe ich einen Schlag bekommen. Ich bin bäuchlings auf dem Asphalt aufgeprallt.“ Dann habe er sich gedanklich von seiner Familie und auch seinem Leben verabschiedet, bevor er bewusstlos wurde und ins Krankenhaus kam.

„Dort hat mich der Unfallverursacher gleich einen Tag später besucht.“ Drei Wochen musste das Opfer in der Klinik bleiben, mehr als die Hälfte der Zeit auf der Intensivstation. Er hatte eine schwere Gehirnerschütterung erlitten und etliche Knochenbrüche am Schädel und im Gesicht. Unter anderem Jochbein und Kiefer waren zertrümmert. Auf seiner linken Kopfseite mussten mehrere Titanplatten implantiert werden. „Es ist alles noch taub“, erzählt der 54-Jährige. Am Oberkopf habe er „noch eine Kraterlandschaft, wegen der ganzen Operationen“.

Das Unfallopfer ist noch dienstunfähig

Darüber hinaus erlitt Ulrich E. eine schwere Knieverletzung. Noch ist der Polizist dienstunfähig. „Und wenn ich wieder arbeiten kann, bleibt wohl nur der Innendienst.“ Neben der körperlichen Einschränkungen leidet das Opfer auch psychisch. Er macht eine ambulante Therapie. Er habe „Glück, dass ich Polizeibeamter bin“, überlegt der Hamburger. „Dadurch habe ich eine sehr gute Betreuung erfahren.“ Die Staatsanwältin spricht in ihrem Plädoyer von „Augenblicksversagen, wie es jedem passieren kann“.

Und die Verteidigerin nennt das Geschehen einen „tragischen Unglücksfall“. Hartmut O. betont in seinem letzten Wort, dass ihm der Unfall „unheimlich leidtut. Ich weiß nicht, wie ich mich davor hätte schützen können.“ Eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 50 Euro verhängt die Richterin schließlich wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Die Folgen für das Opfer seien ganz erheblich, betont die Vorsitzende. „Sein Leben nach dem Unfall ist ein ganz anderes als vorher.“ Der Vorwurf der Fahrlässigkeit für den Angeklagten sei getragen „durch die Risiken des Straßenverkehrs. Es sind Sekundenbruchteile, die darüber entscheiden, ob es zu schweren Folgen kommt.“