Hamburg. Die Zahl der Fahrradunfälle steigt im ersten Halbjahr gegen den Trend an. Es hagelt Kritik an der Politik des Senats.
Die Zahlen sind eindeutig, ihre Auslegung allerdings ist umstritten – wie so oft. Nach aktuellen Daten der Polizei ist die Zahl der Verkehrsunfälle mit Radfahrern in Hamburg im ersten Halbjahr 2018 um nahezu exakt ein Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2017 angestiegen. Zählte die Polizei zwischen Januar und Juni 2017 noch 1508 Unfälle mit Radfahren in Hamburg, so waren es im selben Zeitraum dieses Jahres 1523.
Gestiegen ist auch die Zahl der bei Unfällen verletzten und getöteten Radfahrer. Im ersten Halbjahr 2017 wurden insgesamt 1121 Radfahrer bei Unfällen in der Hansestadt verletzt, davon 1015 leicht, 105 schwer – und es gab einen Toten. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres trugen 1133 Radfahrer bei Unfällen Verletzungen davon, 1040-mal leichte und 91-mal schwere – und es wurden bereits zwei Radfahrer getötet.
Abbiegen ist größte Unfallursache
Diese Zahlen hat der Senat jetzt in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Verkehrspolitikers Dennis Thering aufgelistet. Hauptverursacher der Fahrradunfälle waren demnach im ersten Halbjahr 2018 in 720 Fällen Pkw-Fahrer – etwas mehr als im selben Zeitraum 2017, als Autofahrer 694 Unfälle mit Radlern verschuldeten.
Radfahrer selbst verschuldeten zwischen Anfang Januar und Ende Juni im laufenden Jahr 621 Unfälle – etwas weniger als im selben Zeitraum 2017 (648). An dritter Stelle der Verursacher standen in der ersten Jahreshälfte die Fußgänger, die 70-mal für Unfälle von Radfahrern verantwortlich waren. Lkw-Fahrer verursachten 64 Radfahrunfälle.
Der Senat nennt in seiner Antwort auf die CDU-Anfrage auch die häufigsten Ursachen für die Unfälle von Radfahrern. An erster Stelle stehen dabei Fehler beim Abbiegen (282 Fälle), gefolgt vom Verletzen der Vorfahrt (184) und dem Einfahren, etwa in Grundstückseinfahrten (155). Die Reihenfolge der häufigsten Ursachen hat sich im Halbjahresvergleich auf den ersten Plätzen nicht verändert.
Weniger Fahrradunfälle in Eimsbüttel
Auffällig an den Zahlen ist die sehr unterschiedliche Entwicklung der Unfallzahlen in den Bezirken, der Gesamtanstieg von einem Prozent verteilte sich sehr unterschiedlich. So stieg die Zahl der Radfahrunfälle in Harburg im ersten Halbjahr 2018 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast 15 Prozent – allerdings auf vergleichsweise niedrigem Niveau: von 61 auf 70 Unfälle. In Wandsbek gab es 9,6 Prozent mehr Unfälle, die absoluten Zahlen stiegen von 249 auf 273.
In Eimsbüttel dagegen sank die Zahl der Unfälle mit Fahrradfahrern von 271 auf 251, was einer Abnahme von 7,7 Prozent entspricht. In Hamburg-Nord ging die Unfallzahl leicht von 300 auf 297 zurück, in Mitte sank sie von 306 auf 296. Einen Anstieg von 262 auf 274 Unfälle verzeichnete Altona, und auch in Bergedorf stieg die Zahl leicht von 58 auf 62 Unfälle an.
CDU: Zahlen sind besorgniserregend
Wie diese Zahlen nun zu verstehen sind – darüber sind sich keineswegs alle Betrachter einig. Für CDU-Verkehrspolitiker Dennis Thering ist die Entwicklung besorgniserregend. Dabei verweist er darauf, dass die Gesamtzahl der Unfälle vom ersten Halbjahr 2017 auf das erste Halbjahr dieses Jahres zurückging – und zwar von 33.850 auf 33.272 Unfälle oder 1,7 Prozent.
Der Anstieg bei den Fahrradunfällen falle daher besonders ins Gewicht. „Leider spiegelt sich der positive Trend bei der Gesamtzahl der Verkehrsunfälle nicht bei den Fahrradfahrern wider. Hier scheint somit besonderer Handlungsbedarf zu bestehen“, so Thering. „Ziel der CDU bleibt es, dass die Verkehrssicherheit bei allen Planungen und Straßenumbauten oberste Priorität hat.“
CDU lehnt Radwege auf großen Straßen ab
Die von SPD und Grünen favorisierte Verlegung von Radwegen auf Hauptverkehrsstraßen lehne die CDU klar ab. „Anstatt die Fahrradfahrer auf viel zu schmale Radfahrstreifen auf Hauptverkehrsstraßen zu zwingen, setzen wir uns für gut ausgebaute Hochbordradwege neben der Straße ein“, so der CDU-Politiker. „Darüber hinaus müssen jetzt sehr zeitnah Neu- und Bestands-Lkw mit modernen Abbiegeassistenten ausgestattet werden, damit die weiterhin hohe Zahl an Abbiegeunfällen deutlich minimiert wird. Wichtig ist auch, dass der rot-grüne Senat jetzt endlich deutlich konsequenter gegen Zweite-Reihe-Parker vorgeht und die zuletzt rückläufigen Verkehrskontrollen bei Rasern, Rotlichtsündern und Rambo-Radlern deutlich erhöht.“
Die Polizei selbst deutet die Zahlen eher positiv. „Trotz stetig steigenden Radverkehrs ist die Entwicklung der Verkehrsunfälle mit Radfahrenden auf aktuell nahezu gleichbleibendem Niveau. Langfristig sind nur geringe Steigerungsraten festzustellen“, sagte Polizeisprecher Rene Schönhardt dem Abendblatt.
So sei im Gesamtvergleich zwischen 2011 und 2017 lediglich ein Anstieg der Unfallzahlen um 1,9 Prozent zu beobachten. „Insgesamt beobachtet die Polizei diesen Bereich weiterhin sehr genau“, so der Sprecher. „Das Thema Radverkehr wird auch weiterhin ein Schwerpunktthema der Verkehrssicherheitsarbeit bleiben.“