Hamburg. Das „MTV Unplugged“-Album des Hamburger Hip-Hoppers kommt auf den Markt. Was auf der MS „Bleichen“ passiert ist.

Hamburg war in den letzten Jahren eine Art Zentrum von „MTV Unplugged“: Revolverheld und Unheilig zeichneten ihre Sessions hier auf, Udo Lindenberg sogar zwei. Und im April dieses Jahres empfing Rapper Samy Deluxe das, was viele Musiker immer noch als Ritterschlag empfinden, und enterte mit seiner Band und zahlreichen Gaststars, darunter die Beginner, Nena, Max Herre, Afrob, Xavier Naidoo, Stieber Twins, Kool Savas und Eko Fresh, den Stückgutfrachter MS „Bleichen“ im Hansahafen.

Jetzt ist das Album zur Sause erschienen: „SaMTV Unplugged“. Wir trafen Samy Deluxe vor seinem Restaurant „Gefundenes Fressen“ im Karoviertel auf einen Schnack über durchgeschwitzte Windjacken, Unplugged-Plattenspieler und Menschen, die zur Arbeit gehen, wenn Samy Deluxe ins Bett geht.

Wie kommt Samy Deluxe, der „Wickeda MC“, der Hamburger Überschallreimer, denn zu einer vergleichsweise gediegenen Veranstaltung wie „MTV Unplugged“?

Samy Deluxe: Ich habe die Sendung über die Jahre immer verfolgt und jedes Genre ist dort bereits aufgetaucht. Natürlich bin ich mit den Konzerten von Eric Clapton oder Nirvana aufgewachsen, aber auch die Sessions von Jay-Z und Lauryn Hill fand ich extrem krass. Die Initialzündung war aber 2013 mein Gastauftritt bei Max Herre, da merkte ich: Okay, so einen Abend möchte ich auch mal für mich haben.

Haben Sie sich im Vorfeld der Session etwas von Arrested Development, den ersten ­Rappern bei „MTV Unplugged“, oder auch Jay-Z abgeschaut?

Deluxe: Ja, das ist natürlich schon wie Rosinen rauspicken. Ich habe viele Inspirationen gesammelt und auch Tipps bekommen von Bekannten, die bei „Unplugged“ bereits involviert waren. Aber wie groß so ein Projekt ist, das wird einem erst im Laufe der Vorbereitungen bewusst. Es ist geradezu unfassbar, wie viele Gewerke da Hand in Hand arbeiten müssen.

Haben Sie das unterschätzt?

Deluxe: Nein, aber auf die hohe Fehlerquoten-Gefahr war ich nicht eingestellt, das ist ja zeitgleich ein Showevent, eine Albumproduktion, ein Live-Konzert und eine TV-Sendung.

Ihre Songs wurden komplett auf links gedreht und für eine Live- und Unplugged-Band neu arrangiert. Das ändert ja nicht selten den Charakter eines Liedes. War es schwer, darauf die seit Jahren gewohnten Reime abzufeuern?

Deluxe: Ach, ich kann auch nur auf Metronomklicks rappen, das wäre natürlich auch tight (lacht), aber ich denke, dass es auch unplugged derbe abgeht, wenn ich mit 150 BPM über zwei Pauken brettere. Und auch „unplugged“-typische Momente wie das von Klavier begleitete „Von dir Mama“ bleiben ungewöhnlich, weil ich Neuland betrete.

Neuland war auch, dass das „MTV Unplugged“-Konzert an Bord eines Schiffes aufgezeichnet wurde.

Deluxe: Natürlich habe ich auch dem Ort angemessen an allen drei Tagen eine Wind­jacke getragen. Ich habe leider nicht bedacht, dass es da unten im Schiffsbauch mit all den Scheinwerfern immer heißer wurde (lacht). Die auszuziehen war unmöglich, um Anschlussfehler zu vermeiden bei der Ausstrahlung.

Angstschweiß?

Deluxe: Nein, ich habe mich noch nie im Leben so gut auf etwas vorbereitet, und je ­höher der Druck ist, je größer die Stars sind, die hinten warten, umso besser ­liefere ich ab.

Die Beginner waren mit dabei. Was ist denn ein „Unplugged“-Plattenspieler, den DJ Mad bedient hat?

Deluxe: Da das Thema ja „Unplugged“ hieß, habe ich Eizi und Denyo eingeladen und Mad fragte dann nach: „Und was ist mit mir?“ Tja, da habe ich ihn zuerst gefragt, ob er auf einem Grammofon scratchen kann (lacht), aber das ging nicht. Also hat Mad einen kleinen Plattenspieler mitgebracht, der sich technisch als aufwendigstes Instrument des Abends herausstellte.

Ebenfalls mit an Bord waren Nena und ihre Tochter Larissa. Finden Sie es nicht schräg, dass sie vor Nena mit „Unplugged“ dran waren? Sie ist doch längst überfällig.

Deluxe: Ja, Nena muss da hin. Ich habe sie dieses Jahr im Stadtpark gesehen, sie ist live ein Boss. Jetzt spielt sie auch noch Gitarre und rappt!

Ein zentraler Track ist „Musik um durch den Tag zu kommen“, der sich vor Tischlern, Bäckern, Bauarbeitern, Lehrern und anderen verneigt, die zur Arbeit gehen, wenn Samy Deluxe ins Bett geht. Das gibt es selten im Ego-Genre Hip-Hop.

Deluxe: Für mich ist es ein Song, der noch zeitgemäßer geworden ist als zum Beispiel „Weck mich auf“. Liebe, Neid, Rassismus und Ausgrenzung werden immer Grundthemen des Menschen bleiben, aber diesen Song habe ich geschrieben, als ich begann, an Schulen Workshops zu geben und zu sehen, wie die nächste Generation tickt. Bei der Frage „Was wollt ihr werden?“ waren viele Antworten statusorientiert, die wollen Weltstar auf dem Handy werden.

Sie sind Star durch Rappen geworden.

Deluxe: Ja das stimmt, und ich habe leider viel zu spät den Spaß am Lernen gefunden, 15 Jahre nachdem ich die Schule abgebrochen habe. Aber ich habe gelernt meine Kunst zu verfeinern, Songwriting, Produktion. Ich kann nicht den ganzen Tag nur Reime schreiben. Es ist schön zu lernen und etwas zu können. Dafür muss man sich reinhängen, als Rapper oder Bäcker. Das macht diesen Song für mich so wichtig, und deshalb ist die „Unplugged“-Version auch besser als das Original geworden.

Was wollten Sie mal werden als Kind?

Deluxe: Keine Ahnung. „Ich hatte, bis ich 13 war, keinen Plan wer ich bin,/bevor Hip-Hop kam, machte alles gar keinen Sinn./ Denn ich war kein guter Schüler,/ war kein guter Sportler,/ und ich hatte auch nicht viel in meinem Sparschweinchen drin.“

Ein ungeschriebenes Gesetz bei „MTV Unplugged“ ist die Hockerpflicht. Haben Sie viel geschummelt?

Deluxe: Stehen ist mir deutlich lieber. Und auch die Tradition, dass man mindestens eine Coverversion präsentiert, haben wir durch kurze Samples bekannter ­Melodien erfüllt.

Die Gastkünstler, Max Herre, Stieber Twins, Beginner, Curse, Patrice, Kool Savas, Nena, Megaloh, Xavier Naidoo, Afrob und viele weitere wirkten wie Partygäste, die in die Küche schneien, die Stimmung war bemerkenswert locker und ausgelassen für eine Show von diesen Dimensionen.

Deluxe: Ich habe alle meine Liebe in diese Veranstaltung gesteckt, von den Songs bis zur Gestaltung des Backstagebereichs. Und jeder Gast hat auch noch ein Geschenktütchen bekommen.

Was war drin?

Deluxe: Was zu rauchen und Schoko-Bons.

Das ist Samy Deluxe

Samy Sorge alias Samy Deluxe alias Wickeda MC alias Samsemilia wurde 1977 in Eppendorf geboren, wo er auch aufwuchs und im Alter von 13 Jahren mit dem Rappen begann. Als Drittel des Trios Dynamite Deluxe und als Solokünstler feierte er ab 2000 Erfolge. Sein aktuelles sechstes Soloalbum „Berühmte letzte Worte“ erschien im April 2016.