Hamburg. Groß Borstels Einwohnerzahl steigt um etwa 40 Prozent. Es gibt Protest wegen der Verkehrsprobleme in dem Stadtteil.

Noch versteckt sich das Baugelände größtenteils hinter grünen Hecken, doch wenn es nach den Plänen der Investorengruppe geht, sollen auf dem 58.000 Quadratmeter großen Strüver Gelände am Petersenpark in Groß Borstel schon bald 390 bis 420 Wohnungen entstehen, ein Drittel davon gefördert.

Dagegen regt sich nun Widerstand. Denn wenn dieses und zwei weitere große Bauvorhaben fertiggestellt sind, wird die Einwohnerzahl Groß Borstels von derzeit etwa 8500 Bewohnern in wenigen Jahren um etwa 40 Prozent höher sein als heute. Die Infrastruktur hält dieser Nachverdichtung, die es in etlichen Stadtteilen gibt, nicht stand, befürchten die Kritiker.

Radwege in keinem guten Zustand

„Wir haben im Prinzip nichts gegen Neubauviertel im Stadtteilviertel“, sagt Ulrike Zeising, die Vorsitzende des Kommunalvereins Groß Borstel, „aber unser größtes Problem ist hier der Verkehr. Es kann nicht sein, dass die Verkehrssituation nicht angefasst wird.“ Der Stadtteil habe keine U-Bahn-Anbindung, die Taktung der Busse reiche nicht aus, so Zeising.

„Auf der Borsteler Chaussee fahren täglich 27.000 bis 30.000 Autos“, sagt Zeising, der Verkehr staue sich inzwischen fast den ganzen Tag. Die Fuß- und Radwege seien ebenfalls in keinem guten Zustand. Auch die Grundschule müsse dringend erweitert werden. „Infrastruktur wächst ja nicht von allein“, sagt Zeising, Politik und Verwaltung seien jetzt dringend gefordert.

Folgeunterkunft soll noch im Herbst öffnen

Denn die ersten Bewohner des großen Neubaugebiets Tarpenbek Ufer auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs sollen noch in diesem Jahr einziehen, auch die Folgeunterkunft in Pehmöllers Garten an der Papenreye soll noch im Herbst eröffnet werden.

Als Norbert Gnosa von den Bauplänen auf dem Strüver Gelände erfuhr, schrillten bei ihm und bei Nachbarn aus der Stavenhagenstraße gleich alle Alarmglocken. Der Anwalt ist direkter Anwohner und Sprecher der neu gegründeten Initiative GB 31. „Um die etwa 400 Wohnungen bauen zu können, soll die Bebauung vier- bis sechsstöckig plus Staffelgeschoss erfolgen – in breiten Riegeln“, sagt Gnosa.

Jens Heitmann verteidigt die Planung

„Das ist deutlich höher als alle umliegenden Häuser, vor allem Einfamilienhäuser. Ich glaube, dass man auch offene Baukörper errichten könnte.“ Zudem sei unklar, ob der alte Baumbestand erhalten bleibe. Und der Verkehr würde in den kleinen Straßen deutlich zunehmen, fürchtet Gnosa.

Jens Heitmann vom Büro HeitmannMontúfar Architekten, verteidigt die Planung. Heitmann, der auch die Investorengruppe vertritt, die das Projekt seit 2016 vorantreibt, sagt: „Das Ziel ist, Arbeiten und Wohnen zusammenzubringen.“ Derzeit seien in dem Industriegebiet etwa 40 Unternehmen ansässig. „Sie können in der Bauphase innerhalb des Geländes umziehen und später in den neuen Gebäuden wieder Platz finden.

300 Tiefgaragenstellplätze geplant

Unser Ziel ist es, die vorhandenen Gewerbetreibenden auf dem Grundstück zu halten, die bestehenden Immissionskonflikte durch bauliche Verdichtung aufzuheben und so Platz für weitere Gewerbetreibende und die verschiedenen Wohnformen zu schaffen.“ Heitmann sagt auch: „Derzeit strahlt der Lärm des Industriegebiets in das Wohngebiet hinein. Die Blockbebauung brauchen wir für den Schallschutz.“ Geplant seien auf dem Gelände außerdem eine Kita mit 120 Plätzen, eine etwa einen Hektar große Grünfläche mit Durchgangsmöglichkeiten für Passanten und Radfahrer, außerdem betreutes Wohnen mit Pflege und Alten-WGs. Darüber sei man mit dem Deutschen Roten Kreuz im Gespräch.

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Jens Heitmann sieht durch das Neubauprojekt keine größeren Verkehrsprobleme auf den Stadtteil zukommen. Der Verkehr der Gewerbebetriebe solle künftig über die Papenreye geführt werden, betont er, damit entfalle der bisherige Schwerlastverkehr an der Stavenhagenstraße und am Niendorfer Weg. Die neue Zuwegung zur Papenreye würde damit den zusätzlichen Verkehr der künftigen Anwohner kompensieren, die ihre Autos auf den geplanten 300 Tiefgaragenstellplätzen abstellen sollen.

„Gutes Verkehrskonzept entwickeln“

Jörg Lewin (SPD), Vorsitzender des Regionalausschusses, ist da etwas skeptischer: „Wir sollten uns als örtliche Politiker die Bedenken anhören“, sagte er dem Abendblatt. „Ich halte es für vernünftig, ein gutes Verkehrskonzept zu entwickeln.“ In den betroffenen Straßen habe man in den 1980er-Jahren für eine Verkehrsberuhigung gekämpft, das dürfe man jetzt nicht aufgeben. „Wir kämpfen schon lange für eine bessere Verkehrsanbindung des Stadtteils, die Borsteler Chaussee müsste grundsätzlich überplant werden.“ Lewin hat sich bereit erklärt, im Oktober einen runden Tisch mit allen Beteiligten zu organisieren.

Norbert Gnosa ist Anwohner und Sprecher der Initiative GB 31 in Groß Borstel
Norbert Gnosa ist Anwohner und Sprecher der Initiative GB 31 in Groß Borstel © Klaus Bodig/ HA

Laut Jan-Peter Uentz-Kahn vom Bezirk Nord wird nun zunächst der neue Bebauungsplanentwurf ausgearbeitet und mit den zu beteiligenden Behörden abgestimmt. Dazu gebe es auch Gutachten insbesondere zum Verkehr, welches vom Investor beauftragt und in enger Abstimmung mit dem Bezirk erstellt werde. „Bis es zu ersten Genehmigungen für eine Neubebauung nach dem dann neuen Planrecht kommen kann, werden ab jetzt noch etwa 18–24 Monate vergehen“, so Uentz-Kahn.

Die Initiative GB 31 hofft, dass sie Änderungen durchsetzen kann. Unterstützung bekommt sie vom Kommunalverein. „Wir begrüßen, dass sich diese Initiative gegründet hat, die rechtzeitig Forderungen stellt und damit Politik, Stadtplaner und auch den Investor zu einer hoffentlich einvernehmlichen Lösung bewegt“, sagt Ulrike Zeising. Der Petersenpark sei ein Areal mit vielen alten Bäumen, aber sie befürchtet, „dass es heutzutage immer darum geht, dass man aus jedem Gebiet das meiste rausholt“.