Hamburg. Heimbetreiber, Klinik und Drogeriekette haben konkrete Pläne. Hochbahn nimmt 6,70 Euro pro Quadratmeter.
Seit Jahren steigen die Mieten in Großstädten wie Hamburg rasant, gleichzeitig fällt es vielen Unternehmen immer schwerer, noch genügend Fachkräfte zu finden. Der Mix aus diesen beiden Faktoren führt dazu, dass Personalchefs das Konzept der Mitarbeiterwohnungen neu entdecken – auch in der Hansestadt.
„Wir wollen so etwas anbieten“, sagt Henning Schweer, Sprecher des Seniorenheimbetreibers „Pflegen & Wohnen“. „Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist das ein Thema, über das man sich Gedanken machen muss, gerade in einer Stadt wie Hamburg, in der Wohnen so kostspielig geworden ist.“ Angepeilt werden 60 Wohnungen „zu überschaubaren Mieten“ für die Beschäftigten. Wie das realisiert werden soll, steht noch nicht fest. „Baugrund ist in Hamburg schließlich knapp und teuer“, so Schweer.
Auch Haspa will Abhilfe schaffen
In Schnelsen plant das Albertinen-Diakonie-Klinikum ebenfalls Mitarbeiterwohnungen in einem Neubau unmittelbar neben dem Krankenhaus. Die Drogeriemarktkette Budnikowsky hat nach eigenen Angaben den Bauantrag für 45 Sozialwohnungen in Wandsbek zur Vermietung an Mitarbeiter gestellt. Auch bei der Hamburger Sparkasse bereitet man ein ähnliches Angebot vor. „Insbesondere unsere Auszubildenden finden kaum noch bezahlbaren Wohnraum“, sagt Stefanie von Carlsburg, Sprecherin der Haspa. „Um hier Abhilfe zu schaffen, arbeiten wir bereits an einer konkreten Lösung.“
Über den wohl größten Bestand an Mitarbeiterwohnungen in Hamburg verfügt die Hochbahn. Sie besitzt über eine Tochterfirma gut 2000 Wohnungen, von denen etwa drei Viertel an Hochbahn-Beschäftigte vermietet sind. Dabei liegt die Durchschnittskaltmiete bei 6,70 Euro pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Laut dem jüngsten offiziellen Mietenspiegel beträgt die Nettokaltmiete in Hamburg im Mittel 8,44 Euro. Bei Neuverträgen werden nach Erhebungen des Gymnasiums Ohmoor sogar mehr als 13 Euro je Quadratmeter fällig. „Auch Beschäftigte mit durchschnittlichem Gehalt finden häufig keine von Größe und Miete her angemessene Wohnung mehr in Hamburg“, heißt es beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Es fehlten hier fast 150.000 „bezahlbare“ Wohnungen.
Früher waren Werkswohnungen verbreitet
Bis Ende der 1970er-Jahre waren Wohungen für Mitarbeiter überhaupt nichts Ungewöhnliches. Bundesweit besaßen große Unternehmen damals rund 450.000 sogenannte Werkswohnungen, die an Beschäftigte vermietet wurden. Im Zuge einer allgemeinen Entspannung des Wohnungsmarkts und der Konzentration der Firmen auf ihr Kerngeschäft wurden die Immobilienbestände dann aber bis auf vereinzelte Ausnahmen an Investoren abgegeben. Doch nun setzt ein Umdenken ein – das Interesse an den Mitarbeiterwohnungen nimmt wieder zu.
Simon Wieland, der für das Berliner Beratungs- und Immobilienmarktforschungsinstitut RegioKontext im Mai eine Studie zu Mitarbeiterwohnungen erarbeitet hat, sieht einen klaren Trend in diese Richtung: „Wir verzeichnen ein breites Interesse daran, das reicht vom kleinen Mittelständler bis zum DAX-Konzern.“ Nach Schätzung des Experten kommt derzeit deutschlandweit in jedem Jahr eine vierstellige Zahl von Wohnungen für Beschäftigte neu hinzu.
Bausstaatssekretär sieht Zukunftspotenzial
Baustaatssekretär Gunther Adler sieht ebenfalls ein Zukunftspotenzial für solche Angebote, besonders in Metropolen: „In vielen wirtschaftsstarken Städten mit hoher Unternehmensdichte kommt es zu Wohnungsengpässen und hohen Mieten.“ Der Staatssekretär ist sich daher sicher, „dass der Bau von Mitarbeiterwohnungen in den nächsten Jahren noch weiter an Bedeutung zunehmen wird.“
Tendenziell ähnlich sieht das auch die Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen: „Das Angebot von Wohnungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist sicherlich für einzelne Unternehmen im Zuge der Personalgewinnung ein interessantes Thema“, so Behördensprecher Christian Carstensen. Allerdings gebe es dafür keine separaten städtischen Programme neben der speziellen Förderungen von Wohnungen für Studierende und Auszubildende.
Einige Branchen sind besonders aktiv
Nach Angaben von Wieland zeichnet sich ab, dass bestimmte Branchen im Hinblick auf die Bereitstellung von eigenem Wohnraum für Beschäftigte besonders aktiv sind. „Dazu gehören kommunale Verkehrsbetriebe und Versorger, Kliniken und Pflegeheimbetreiber, aber auch Hotellerie und Gastronomie“, sagt der Experte.
Firmen aus genau diesen Bereichen bieten auch in Hamburg bereits Mitarbeiterwohnungen an – allen voran die Hochbahn. Ein Tochterbetrieb, die HSG Hanseatische Siedlungs-Gesellschaft, besitzt an mehreren Standorten in Hamburg sowie in Reinbek zusammen mehr als 2000 Wohnungen. „Rund drei Viertel davon sind an Hochbahn-Mitarbeiter vermietet – mit seit Jahren steigender Tendenz“, sagt HSG-Geschäftsführer Torsten Müller. „Die aktuelle Durchschnittsmiete über alle Objekte liegt bei 6,70 Euro pro Quadratmeter kalt und 8,53 Euro warm.“
UKE hält 300 Wohnungen bereit
Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) verfügt über 300 Wohnungen in fünf Häusern am Grandweg in Lokstedt, rund 15 Minuten zu Fuß vom Krankenhaus entfernt. Die Apartments werden hauptsächlich von Auszubildenden des UKE bewohnt. „Die Plätze werden nach Verfügbarkeit vergeben und sind sehr begehrt“, heißt es dazu vom UKE.
Das BG Klinikum in Lohbrügge unterhält mehr als 120 Wohnungen für Beschäftigte, teils auf dem Betriebsgelände gelegen. Das Angebot reicht bis zum Fünf-Zimmer-Reihenhaus. Gerade für Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen würden die kräftigen Mietsteigerungen zunehmend zum Problem, heißt es zum Hintergrund.
Rendite steht nicht im Vordergrund
In Schnelsen plant das Albertinen Diakonie Klinikum ebenfalls Mitarbeiterwohnungen in einem Neubau unmittelbar neben dem Krankenhaus. Die Block-Gruppe mit den Block-House-Restaurants und dem Hotel Grand Elysée stellt bundesweit 25 Personalwohnungen zur Verfügung, davon vier in Hamburg und acht auf Sylt.
Vergleichsweise moderate Mieten für die Beschäftigten ergeben sich nach Erkenntnissen von Wieland schon aus der Tatsache, dass für die Arbeitgeber bei solchen Modellen die Rendite nicht im Vordergrund steht – ganz anders als bei gewinnmaximierenden Immobilieninvestoren. Nicht zuletzt diese haben dazu beigetragen, dass die Neuvertragsmieten auf dem freien Markt in Hamburg nach Erhebungen der Schüler des Gymnasiums Ohmoor seit 2009 um 31 Prozent auf durchschnittlich 13,24 Euro pro Quadratmeter geklettert sind.
Preiswert, aber kein Zuschussgeschäft
In der Regel orientierten sich die Monatsmieten der Mitarbeiterwohnungen am lokalen Mietspiegel (Hamburg: 8,44 Euro netto kalt), womit sie deutlich unter den üblichen Neuvertragsmieten lägen, sagt Branchenexperte Wieland. Es entstehe so aber auch kein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil für die Arbeitnehmer. Eines jedoch könne man festhalten, so Wieland: „Für keines der Unternehmen, mit denen wir für die Studie in Kontakt waren, ist das ein Zuschussgeschäft.“
Ein Trumpf gegenüber reinen Immobiliengesellschaften, die das Grundstück für ihre Objekte erst einmal zu Marktpreisen erwerben müssten, könne darin bestehen, dass firmeneigene Flächen für die Mitarbeiterwohnungen zur Verfügung stehen. „Der kurze Arbeitsweg entlastet dann auch den Verkehr und die Umwelt“, so Wieland.
Auch Kurzzeitunterkünfte werden angeboten
Damit kann zum Beispiel der Kosmetikkonzern Beiersdorf dienen: Am Rande des Betriebsgeländes in Eimsbüttel verfügt der Nivea-Hersteller über sechs Personalwohnungen. Die Pensionskasse von Beiersdorf (Troma Alters- und Hinterbliebenenstiftung) besitzt zudem 175 Wohnungen in Hamburg, die aber frei vermietet werden.
Während Kliniken und Seniorenheimbetreiber mit ihren Personalwohnungen meist dafür sorgen wollen, dass auch Pflegekräfte mit ihren eher niedrigen Gehältern in teuren Großstädten leben können, gibt es daneben auch Angebote für ein ganz anderes Segment des Arbeitsmarktes: Etliche Firmen in Hamburg stellen Kurzzeit-Unterkünfte für neu angeworbene Spezialisten aus dem Ausland, um ihnen den Start in der Hansestadt zu erleichtern.
Eines dieser Unternehmen ist der zur Otto-Gruppe gehörende Online-Modehändler About you, der gegenwärtig zahlreiche IT-Entwickler unter anderem aus dem osteuropäischen und dem arabischen Raum einstellt: „Nachdem sie schon seit ungefähr einem Jahr zunächst übergangsweise in eine Drei-Zimmer-WG ziehen können, haben wir erst vor wenigen Wochen acht weitere Zimmer hinzugemietet, ebenfalls organisiert als WGs“, sagt Firmensprecherin Muschda Sherzada-Rohs. „Die Zimmer können aber nur in Ausnahmefällen länger als drei Monate von unseren Mitarbeitern gemietet werden. Denn wir gehen davon aus, dass diese Zeit genügt, um eine eigene Wohnung in Hamburg zu finden.“