Hamburg. Das Baurecht ist da. Doch erst müssen Aufträge verteilt werden und Vorarbeiten starten. Abendblatt beantwortet wichtigste Fragen.
Mit dem dritten Planergänzungsbeschluss, den die zuständigen Planfeststellungsbehörden der Stadt Hamburg und des Bundes am Donnerstag genehmigt haben, können die Bauarbeiten zur Elbvertiefung beginnen. Je nach Wassertiefe über dem Grund soll die Fahrrinne um bis zu 2,42 Meter ausgebaggert werden. Ziel ist eine Wassertiefe, die es großen Schiffen mit einem Tiefgang von 14,5 Metern ermöglich, bei Hochwasser den Hamburger Hafen zu erreichen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen, wie es mit dem Mammutprojekt, an dem in den vergangenen 17 Jahren geplant wurde, jetzt weitergeht.
Welche Baumaßnahmen sind geplant?
Im Rahmen der Elbvertiefung sind eine Reihe von Arbeiten geplant, die laut Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) so aufeinander abgestimmt werden, dass der Ablauf effizient geschieht. Vor der eigentlichen Vertiefung und Verbreiterung der Fahrrinne soll stromabwärts vor Brunsbüttel im Mündungstrichter der Elbe ein zusätzlicher Unterwasserhügel in der Medemrinne (siehe Grafik) entstehen. Er soll mehrere Nachteile, die durch die Vertiefung des Flusses entstehen, ausgleichen. Zum einen soll der Tidenhub deutlich verringert werden, also der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser. Damit soll die Strömungsgeschwindigkeit des Flusses gedämpft werden.
Zudem soll verhindert werden, dass die Salzwasserlinie stromaufwärts wandert. In Hamburg muss an der Köhlbrandkurve ein zusätzliches Befestigungsbauwerk entstehen, damit beim Ausbaggern der Fahrrinne die Uferböschung nicht absackt. Erst danach beginnt die eigentliche Elbvertiefung. Mit den rund 42 Millionen Kubikmetern Baggergut, die dabei anfallen, soll im Wesentlichen der Unterwasserhügel in der Medemrinne entstehen. Außerdem entsteht in Hamburg an der Billwerder Bucht eine neue Ausgleichsfläche für den Schierlings-Wasserfenchel.
Was passiert jetzt als Erstes?
Hamburg startet mit den Untersuchungen des Baugrunds auf etwaige Bomben, die noch seit dem Krieg unentdeckt im Fluss liegen könnten. Zudem wird ein neues Richtfeuer (Leuchtturm) für die Schiffe errichtet. Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) hat zunächst eine Markterkundung durchgeführt, mit der fachkundige und leistungsfähige Unternehmen für die Baggerarbeiten und die Errichtung von Unterwasserablagerungsflächen gesucht wurden. Bevor sie nun in die Auftragsvergabe einsteigt, will die WSV zunächst die Klagefrist abwarten.
Wann starten die eigentlichen Baggerarbeiten?
Die Umweltverbände haben jetzt einen Monat Zeit, eine etwaige Klage vorzubereiten. Wenn diese nicht erfolgreich ist, könnten die Arbeiten Ende September beginnen. Da aber eine Ausschreibung notwendig ist, die rund sechs Monate dauert, könnten die Baggerarbeiten frühestens Ende März beginnen.
Wie sicher ist, dass die Umweltverbände klagen?
Offiziell sagen Hamburg und der Bund, dass die Unterlagen so wasserdicht sind, dass sie keinen Anlass dazu sehen, das Verfahren weiter zu verhindern. Insgeheim rechnen sie aber schon damit, dass die Umweltverbände erneut vor Gericht ziehen. Die Verbände selbst legen sich derzeit nicht fest. Sie sagen: „Wie weit die geplanten Maßnahmen juristisch verhindert werden können, bedarf einer intensiven Prüfung.“ Nach erster Sichtung der Planergänzungsunterlagen halten sie ihre Kritik jedoch aufrecht. Klar ist aber, dass die Verbände nur klagen werden, wenn sie sich Chancen dazu ausrechnen, im Eilverfahren einen Baustopp zu erwirken. Das prüfen jetzt die Juristen.
Wie würde so eine Klage ablaufen?
Zuständige Instanz ist das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dort würde sich der 7. Senat damit befassen, der bisher alle Urteile zur Elbvertiefung gefällt hat. Um die Baggerarbeiten wirksam aufzuhalten, müssten die Umweltverbände im Eilverfahren einen Baustopp beantragen. Allerdings sind die Hürden dafür sehr hoch, um vor Gericht Erfolg zu haben.
Wann wird der Hafen eine Verbesserung spüren?
Die wesentlichen Verbesserungen in der nautischen Erreichbarkeit sollen laut Wirtschaftsbehörde in zwei Jahren erreicht sein. Horch geht aber davon aus, dass der Seegüterumschlag schon vorher wieder zulegen wird. „Die Nachricht vom Start der Elbvertiefung hat eine psychologische Wirkung. Sie sagt: Hamburg öffnet wieder das Tor zur Welt. Darauf werden die Warenströme reagieren“, sagte der Senator dem Abendblatt.
Wie lange dauern die Arbeiten? Was solle nsie kosten?
Obgleich sich das meiste unter Wasser abspielt, darf nicht vergessen werden, dass es sich um ein riesiges Bauverfahren handelt. Die Strecke vom Hafen bis zur Elbmündung ist 136 Kilometer lang. Ein Ende der Baumaßnahmen ist wohl erst 2021 zu erwarten. Die Kosten lassen sich schwer feststellen, weil weder die Bundesregierung noch die Stadt Hamburg die notwendigen Summen in ihren Haushalten eingestellt haben. Beide Seiten sagen aber unisono: „Wir haben das Geld.“ Bisher war die Rede von 600 Millionen Euro. Nach der Aufteilung soll der Bund zwei Drittel der Gesamtsumme übernehmen. Hamburg hatte zuletzt für seinen Teil mit 219 Millionen Euro gerechnet, aber inzwischen eingeräumt dass diese Summe wohl nicht ausreichen wird. Die Umweltverbände gehen davon aus, dass die Gesamtmaßnahme rund 800 Millionen Euro kosten wird.
Was sagen Parteien und Wirtschaftsorganisationen?
Mit Ausnahme der Grünen und der Linken, die sich nicht äußerten, haben alle politischen Parteien und Wirtschaftsverbände in der Stadt das Baurecht für die Elbvertiefung begrüßt. Und praktisch alle haben die Umweltverbände dazu aufgefordert, auf eine erneute Klage zu verzichten, um das Verfahren nicht noch weiter zu verzögern. „Ich appelliere an jeden, dem die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts nicht egal ist, diesen Beschluss im Interesse der ganzen Region zu akzeptieren“, sagte der Vorsitzende des Industrieverbands Hamburg, Matthias Boxberger. Und der Vize-Präses der Handelskammer, Johann Killinger, ergänzte: „Die Elbe ist nicht nur die Lebensader der Region, die Erreichbarkeit des Hamburger Hafens ist für die gesamte außenhandelsorientierte deutsche Wirtschaft von großer Bedeutung.“ Der Unternehmensverband Hafen Hamburg und der Wirtschaftsrat der CDU plädieren zudem dafür, das Verbandsklagerecht bei zukünftigen Bauvorhaben einzuschränken.