Hamburg/Barsbüttel. Anbieter konnte in Hamburg nie Fuß fassen. Nun werden die Räder aus einer Lagerhalle in Barsbüttel für 69 Euro pro Stück angeboten.

Es klang nach einem lukrativen Geschäft für Harald Ploß. Als vor rund einem Jahr ein Vertreter der asiatischen Firma Obike auf den Hamburger Unternehmer zukam, da war der 71-Jährige glücklich: Rund 10.000 Fahrräder wollte die Firma in einer seiner Lagerhallen in Barsbüttel unterstellen. Sie waren gedacht, um von dort aus den Hamburger Markt für Leihfahrräder aufzurollen. Ganz groß wollte das Unternehmen aus Singapur ins Bike-Sharing-Geschäft einsteigen, das in der Hansestadt von Anbietern wie Stadtrad dominiert wird.

Doch ein knappes Jahr später stehen die fabrikneuen Räder noch immer in der Lagerhalle. Die Muttergesellschaft von Obike ist in Singapur in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten geraten, unter der Münchner Servicenummer geht niemand mehr ans Telefon. „Das Geschäft lief von Anfang an nicht rund“, sagt Ploß. „Schon die Anlieferung der Räder aus dem Hamburger Hafen lief überhastet, danach gab es ständig wechselnde Ansprechpartner.“

Imbissbuden-Betreiber kauft Leihräder

Mittlerweile haben die silber-gelben Cityräder mit Alu-Rahmen schon mehrfach den Besitzer gewechselt. Zunächst gingen sie an die Schweizer Firma Umzug24, die in Deutschland für das Einsammeln der Räder in diversen Städten zuständig war. Doch Umzug24 hat die Räder schon wieder weiterverkauft. Als neuer Eigentümer stellte sich bei Ploß vor einigen Tagen ein Unternehmer namens Osman Tazik vor, der im Hauptberuf Imbissbuden betreibt. „Er hat sich bei mir mit einem Kaufvertrag ausgewiesen und auch die Miete für die Lagerhalle bis Ende August bezahlt“, sagt Ploß.

Die gelb-silbernen Räder biete Tazik nun für 69 Euro pro Stück vor der Lagerhalle an der Stemwarder Landstraße 15 an. Schweizer Medienberichten zufolge soll er dort auch schon Obike-Räder über Facebook für 69 Franken angeboten haben.

Rund 6000 der Modelle aus Barsbüttel sind angeblich an einen norwegischen Eigentümer weiterveräußert worden. 200 Räder will der Besitzer der Lagerhalle behalten, um sie an Flüchtlingsunterkünfte weiterzugeben. 50 gehen an eine Erstaufnahmeeinrichtung im sächsischen Schkeuditz in der Nähe von Leipzig. Wem Ploß die anderen 150 Räder schenkt, steht noch nicht fest.

"Leihfahrrad aus der Hölle"

Ob die neuen Eigentümer allerdings mit den Rädern glücklich werden, darf bezweifelt werden. Die eher schlichten Modelle dürften einer der Gründe dafür gewesen sein, dass der groß angelegte Einstieg von Obike in den deutschen Markt gefloppt ist. Bei einem Test des Portals heise.de kamen die Redakteure zu dem Ergebnis, dass sich die Räder nur mit großer Kraftanstrengung bewegen ließen. Außerdem lasse der Komfort zu wünschen übrig, da die Modelle über keine Gangschaltung verfügten. Der Titel des Youtube-Videos: „Obike, das Leihfahrrad aus der Hölle.“

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Nach Angaben der Hamburger Verkehrsbehörde hatte Obike Mitte 2017 versucht, in der Hansestadt einen Fuß in die Tür zu bekommen. Doch daraus wurde nichts. Im Nachhinein betrachtet dürfte dies ein Glückfall gewesen sein, denn dadurch blieben Hamburg all jene „Fahrrad-Leichen“ erspart, die nun in anderen deutschen Städten herumliegen.

In München rotten 3000 Räder vor sich hin

Besonders groß ist das Problem in München, wohin insgesamt 6800 Räder geliefert wurden – mehr als zehnmal so viele wie mit der Stadt vereinbart. Jetzt stehen sie herrenlos am Straßenrand, oder liegen verbeult im Gebüsch. „Wir wurden mit völlig falschen Zahlen hinters Licht geführt“, sagt der Fahrradbeauftragte der Stadt, Florian Paul, dem Abendblatt. „Nun gibt es immer noch 3000 bis 6000 Räder in München, aber es gibt keinen Ansprechpartner mehr. Wer dort mal gearbeitet hat, hat mittlerweile gekündigt. Das ist ein riesiges Ärgernis.“ Die Stadt will nun nach einer Anhörung ein Beseitigungsverfahren einleiten. Einfach entsorgen ist nicht möglich, da die Firma in Deutschland offiziell noch immer existiert.

In Berlin war Obike noch länger als in anderen Städten aktiv, doch auch dort hat die Stadtverwaltung keinen Kontakt mehr zu dem Anbieter. Dafür veröffentlichten Hacker im Internet eine Anleitung, wie die Schlösser der Räder geknackt werden können – was komplett illegal ist. Im Normalfall sollte dies über eine Smartphone-App und den Funkstandard Bluetooth funktionieren.

Selbst Lidl mischt im Bike-Sharing-Markt mit

Der Bike-Sharing-Markt in Deutschland ist hart umkämpft. Selbst Discounter wie Lidl mischen mittlerweile in dem Geschäft mit. Allein in Hamburg sind neben dem Platzhirsch Stadtrad auch noch die Konkurrenten Nextbike und Donkey Republic am Start. In Berlin versuchte gerade Ofo, der weltweit größte Anbieter von Leihrädern, Fuß zu fassen. Die Chinesen zogen sich nach einer dreimonatigen Testphase aber enttäuscht wieder zurück.

Für Harald Ploß hat sich das Thema Leihräder auf jeden Fall erst einmal erledigt. „Bis Ende August kommen die Obike-Räder weg“, sagt er. „Meine Halle ist schon neu vermietet, im Notfall entsorge ich die Räder eben selbst oder verschenke sie.“