Hamburg. Die Autorin Lisa Halliday macht in „Asymmetrie“ auch ihre Liaison mit Philip Roth zu einem Stück Literatur.
Mary-Alice hat eine Affäre mit einem 45 Jahre älteren Mann. Sie ist 25 und arbeitet in New York als Lektorin, der Liebhaber ist ein bekannter Schriftsteller. Gesellschaftlich werden Romanzen mit solch krassen Altersunterschieden eher naserümpfend betrachtet, Lisa Halliday sieht sie als „Asymmetrie“. Doch ihr Debütroman, der eine Liebes- und eine Lebensgeschichte erzählt, blättert noch eine weitere Ungleichmäßigkeit auf, in der es um Macht geht: Amar, ein junger Doktorand mit amerikanischem Pass und irakischen Wurzeln, wird in London-Heathrow am Weiterflug in den Nahen Osten gehindert und 23 Stunden lang verhört, ohne dass er sich etwas hat zuschulden kommen lassen. Er ist der Willkür der britischen Grenzbeamten ausgesetzt und muss in die USA zurückkehren, statt seinen Bruder besuchen zu dürfen.
Die beiden Teile von „Asymmetrie“ scheinen beim ersten Hinsehen nichts miteinander zu tun zu haben. Es gibt keine Berührungspunkte zwischen den Figuren. Und doch ist die Geschichte von Amar nicht denkbar ohne die von Mary-Alice, die wiederum sehr viel mit dem Leben von Lisa Halliday zu tun hat. Die Autorin war in ihren Zwanzigern die Geliebte des in diesem Jahr gestorbenen Schriftstellers Philip Roth.
Viele autobiografische Details
Sie verarbeitet sehr viele autobiografische Details in diesen ersten Teil, der mit „Verrücktheit“ überschrieben ist. Das trifft den Kern der Beziehung. Es gibt ein paar erotische Szenen, aber wichtiger für Alice sind die literarischen Tore, die Ezra Blazer, so der Name des fiktiven Schriftstellers, seiner jungen Geliebten aufschließt. Letztlich ermutigt er sie dazu, selbst zu schreiben. Die Geschichte von Amar ist das Resultat dieser Affäre.
„Wahnsinn“ heißt der zweite Teil von „Asymmetrie“ und benennt die kafkaeske Situation im Sicherheitsbereich des Flughafens. Gleichzeitig ist es ein treffender Ausdruck für die Verhältnisse im durch US-Streitkräfte besetzten Irak. Amar erinnert sich an Besuche in Bagdad 1998 und 2004, er berichtet davon, wie sich das Land immer mehr auflöst. Große Asymmetrie herrscht auch zwischen Amar und seinem Bruder Sami, der sich schon 1988 entschieden hatte, als Arzt im Irak zu bleiben und nicht ins vergleichsweise unbeschwerte Leben in den USA zurückzukehren.
Zum Schluss taucht Ezra Blazer noch einmal auf. In einer Radiosendung erzählen prominente Gäste, welche Schallplatten sie mit auf eine einsame Insel nehmen möchten. Der Autor Blazer plaudert über seine Affären und die Macht der Liebe. Am Ende der Sendung baggert er offensiv die junge Moderatorin an.
Lisa Halliday hat ihr glänzend geschriebenes Debüt bereits 2016 beendet, eine ganze Weile vor der #MeToo-Debatte also. Mit Blazer zeigt sie einen berühmten Mann, der sich mit seinem unverhohlenen Sexismus gewissermaßen selbst an den Pranger stellt und nicht einmal merkt, wie übergriffig seine Sprache ist.