Die schönste Zeit des Jahres ist immer auch Lese-Zeit. Tipps für die passende Sommer-Lektüre. Von Kinderbuch bis Flugzeuglektüre.

Die schönste Zeit des Jahres ist immer auch Lese-Zeit. Im Flieger, am Strand, auf dem Hotelbalkon oder der Bungalowterrasse bei untergehender Sonne: Wer das berühmte „gute Buch“ dabei hat, dem sind einwandfreie Mußestunden beschieden. Tipps für die passende Sommer-Lektüre gibt die Abendblatt­-Redaktion hier – und vergisst dabei auch nicht die Kinderbücher, falls der Nachwuchs überraschenderweise mal keine Lust auf Planschen, Eis und Sandburgenbauen hat.

Im Flugzeug

„Wie der Atem in uns“ (23 Euro): Der achtjährige Dave kommt 1948 bei einem Autounfall ums Leben. Was sich dadurch bei der jüdischen Großfamilie Leibritzky alles für immer ändert, erzählt die amerikanische Autorin Elizabeth Poliner in Aus- und Rückblicken aus dem Blickwinkel der Schwester, die in inniger Hassliebe mit ihrer Familie verbunden ist. Schuld, Liebe und Identitätssuche auf 422 Seiten – der richtige Umfang für einen Langstreckenflug. (kil)

„Supergene“ (25 Euro): Prall gefüllt mit fundierten, verständlich geschriebenen neuen Erkenntnissen aus Genetik und Neurowissenschaften, Bestseller der „New York Times“. Zugleich geben Deepak Chopra und Rudolph E. Tanzi, ein Internist und ein Neurobiologe, ganzheitliche Tipps für ein gutes, gesundes Leben bis ins hohe Alter. Bestens geeignet als Einstieg für den Urlaub. (eng)

„Rattenfängerin“ (9,99 Euro): Wer im Flugzeug sitzt, kann natürlich in die Ferne fliegen – oder aber zurück in die Vergangenheit. Ins Hamburg des Jahres 1713 etwa. Claudia Weiss, Historikerin und Journalistin, lässt in ihrem spannenden, atmosphärisch ungemein dichten Kriminalroman jene Zeit aufleben, in der in Hamburg die Angst umging, weil die Pest die Stadt im Griff hatte. Hamburg und seine Bürger sind von der Außenwelt nahezu völlig abgeriegelt, aus Angst, die Seuche könne ins Umland vordringen. Weiss’ Themen sind brisant: Kindesmissbrauch, Flüchtlingselend und religiöser Fanatismus in den Zeiten des Nordischen Krieges. (va)

„A Typical Girl: Ein Memoir“ (18 Euro): Was kann es Besseres geben, als im Flieger, an diesem Transitort schlechthin, die Geschichte eines unrastigen Herzens zu lesen? Die britische Musikerin Viv Albertine hat aufgeschrieben, wie sie seit den 70er-Jahren den Punk (er)lebte. Ihre Erinnerungsstory ist ein grandioser Befreiungsschlag aus weiblicher Sicht. (bir)

„Manhattan Transfer“ (24,95 Euro): Zugegeben, mit 540 Seiten ist der Großstadtklassiker von John Dos Passos ein bisschen dick fürs Handgepäck, andererseits gibt es gerade auf einem Flug nach New York keine bessere Einstimmung. Auch wer den 1925 erschienenen Roman längst kennt, wird das grandiose Buch über das Leben in der Metropole neu entdecken. Grund dafür ist die vorzügliche neue Übersetzung von Dirk van Gunsteren. Sogar Lesemuffeln kann geholfen werden: Die Neuübersetzung gibt es auch als aufwendig inszeniertes Hörbuch (HörbuchHamburg, 6 CDs). Das ist außerdem viel handlicher als das Original. (M.G.)

„Der Schock – Die Silvesternacht von Köln“ (7,99 Euro): Wer auffallen möchte, sollte dieses Buch dabeihaben. Gewohnt kämpferisch geht die Publizistin Alice Schwarzer mit dem politischen Islam ins Gericht. Eigene Aufsätze, aber auch Beiträge von Islamkritikern wie Necla Kelek, Kamel Daoud oder Bassam Tibi leuchten das Dunkel der Silvesternacht aus. Das Buch polarisiert, ist manchmal zu laut, aber hebt sich ab von der Leisetreterei vieler. (ike)


Am Strand

„Die vier Jahreszeiten des Sommers“ (18 Euro): Grégoire Delacourt beschreibt, wie sich Liebe und Begehren anfühlen (was sehr gut zum Sonnenbaden passt). Mit 15, vergeblich wartend. In den 30ern im Vollbesitz von Schönheit und Potenz (bitte abkühlen), um die 50 gibt es ein jähes Aufflackern und schließlich erzählt Delacourt von einer Liebe, die alle Stürme überdauert. (eng)

„Die neuen Dschihadisten“ (16,99 Euro): Sollten Sie nicht gerade in Ägypten oder der Türkei am Strand liegen, greifen Sie getrost zu diesem Buch. Autor Peter R. Neumann ist Terrorismusforscher am Londoner King’s College und liefert hier eine profunde Analyse des „Islamischen Staats“, seiner weit verzweigten Wurzeln und der Entstehung terroristischer Vereinigungen. Froh macht das Buch nicht, aber es erklärt präzise Zusammenhänge. Ein schützender Sonnenschirm kann allerdings nicht schaden. (va)

„Die Jugend ist die schönste Zeit des Lebens“ (18 Euro): Revolutionen können am Meer beginnen. In diesem Fall am Bimmelsdorfer Strand, einem fiktiven Flecken, der auch Timmendorf heißen könnte. Dort schreit der junge Horsti unablässig das Wort „Anarckeeey“. Und wie sich diese Anarchie als Lebenshaltung über Jahre bis hinein in den Kulturbetrieb aufrechterhalten lässt, das schildert der Hamburger Musiker und Regisseur Schorsch Kamerun anekdotenreich, unterhaltsam und reflektiert. Ein kluger Entwicklungsroman. „Cooper“ (17 Euro): Zwischen Planschkindern und Sonnenaalen wirklich in ein Buch eintauchen? Im Falle von Eberhard Rathgebs literarischem Mystery-Thriller mit philosophischer Tiefe geht das. Familie fährt aufs Land ins neue Traumhaus – dann schlägt das Schicksal zu. Fesselnd, rätselhaft, suggestiv, dabei angenehm kurz. (bir)

„Cooper“ (17 Euro): Zwischen Planschkindern und Sonnenaalen wirklich in ein Buch eintauchen? Im Falle von Eberhard Rathgebs literarischem Mystery-Thriller mit philosophischer Tiefe geht das. Familie fährt aufs Land ins neue Traumhaus – dann schlägt das Schicksal zu. Fesselnd, rätselhaft, suggestiv, dabei angenehm kurz. (tha)

„Meine Olympiade“ (22 Euro): Der Strand lädt ja auch zur Körperertüchtigung ein: Schwimmen, Beachball, Nacken-Gymnastik (der Kopf, er will stets in Richtung der Bikinidamen). Der Schriftsteller Ilija Trojanow kann noch mehr Disziplinen, genau 80 Stück. Über seine spezielle Privat-Olympiade hat er ein kurzweiliges Buch geschrieben. (tha)

„Nachts ist es leise in Teheran“ (19,90 Euro) Vier Familienmitglieder, vier Jahrzehnte, vier sehr unterschiedliche Lebensentwürfe. Spannend und anrührend erzählt Shida Bazyar, Jahrgang 1988, die Geschichte einer iranisch-deutschen Familie, die ihren Anfang in den 80er-Jahren in Teheran nimmt und den Bogen bis in die deutsche Gegenwart spannt. Wenn man so will: Die Buddenbrooks aus dem Iran. Schlau konstruiert und packend geschrieben ist dies ein Buch, das sich am besten in einem Rutsch liest. (jac)


Beim Sonnenuntergang


„Die Falle“ (9,99 Euro): In ihrem Krimidebüt besticht die junge Autorin Melanie Raabe mit einer psychologisch fein austarierten Story. Erzählt wird die Geschichte der Bestsellerautorin Linda Conrads, die seit elf Jahren allein in ihrem Haus lebt, ohne es in dieser Zeit einmal verlassen zu haben. Der Grund: Damals wurde ihre Schwester ermordet. Als Linda eines Tages in einer Fernsehsendung den Mörder zu erkennen glaubt, fasst sie einen folgenschweren Entschluss: Sie will dem Mann, es ist ein renommierter Journalist, eines ihrer seltenen Interviews geben. Die Filmrechte für „Die Falle“ sind längst verkauft, das Buch ist in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt. Ein toller Erfolg für die junge Autorin. Aber, Vorsicht: Möglichst nicht nach Sonnenuntergang ­lesen! (va)

„Georg Foster. Zwischen Freiheit und Naturgewalt“ (24,90 Euro): Georg Forster begleitete James Cook auf seiner Weltumseglung, war Entdecker, Naturforscher, aber auch ein Mann, der als Revolutionär die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Besseren ändern wollte. Jürgen Goldstein beschreibt dieses außergewöhnliche Leben so farbig und beziehungsreich, dass sich die Biografie spannend wie ein Roman liest. (M.G.)

„Die Geschichte der Baltimores“ (24 Euro): Der zweite Streich des Schweizer Erfolgsautors Joël Dicker ist nicht minder spannend als sein Debüt, „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“. Dicker schreibt Familienromane, die sich wie Krimis lesen. Sein neuer Roman erzählt die (tragische) Geschichte der Goldmans aus Montclair und ihren Verwandten, den Goldmans aus Baltimore. Die drei Goldman-Söhne sind die engsten Freunde, und sie sind erbitterte Konkurrenten, die dieselbe Frau lieben. Über viele Hundert Seiten hinweg rätselt der Leser, was denn nun zum endgültigen Verfall dieser Familie geführt hat. Ein Buch, das man, einmal angefangen, nicht mehr aus der Hand legen mag. (jac)

„Unerwartete Leidenschaft“ (11,90 Euro): „Es ist nie zu spät“, könnte der ironisch-gewandte Roman für abendliches Lesevergnügen übertitelt sein, den die Menschenkennerin Vita Sackville-West über die 88-jährige Lady Slane und deren heuchlerische Entourage schrieb. Nach dem Tod ihres Gatten macht sie endlich, was sie will und stößt durch jugendlichen Furor alle vor den Kopf. (eng)

„Daldossi oder Das Leben des ­Augenblicks“ (21,95 Euro): Keiner bleibt unversehrt. Das könnte die zentrale Erkenntnis dieses fabelhaften, sehr genau recherchierten Romans von Sabine Gruber sein. Ihr Protagonist, Bruno Daldossi, ist Kriegsfotograf. War Kriegsfotograf. Sein Alltag jedoch bricht erst jetzt auseinander. Denn das eigentliche Minenfeld ist Daldossis Privatleben, hier greifen die in all den Krisenregionen dieser Welt gelernten Überlebensstrategien nicht: Seine Frau hat ihn verlassen. Ein kluger Roman, der berührt, einordnet, enorm kenntnisreich über ein irritierendes Berufsfeld erzählt und Realität und Fiktion geschickt verschränkt. (msch)


Für Kinder

„Der goldene Käfig“ (28,95): Einfach fantastisch hat der belgische Illustrator Carll Cneut die grausam-schöne Vogel-Geschichte von Anna Castagnoli gestaltet. Weshalb das Buch (ab vier Jahren) für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert ist. Malkasten gleich mit einpacken! (eng)

„Gangsta Oma“ (14,99): Waren die Tage bei seiner Oma früher eher langweilig, lüftet der elfjährige Ben dort diesmal ein Geheimnis: Seine so bieder erscheinende Großmutter war die meistgesuchte Juwelenräuberin Englands, die nun plant, die Kronjuwelen zu stehlen. Das sehr lustige Buch des englischen Schauspielers und Autors David William ist für Kinder ab zehn Jahren geeignet. (kil)

„Die unglaubliche Geschichte von der Riesenbirne“ (16,99): Eine seltsame Flaschenpost erreicht Kater Mika und Elefant Sebastian. Darin steckt der Hilferuf ihres Bürgermeisters H.B. und ein kleiner Samen, der sich über Nacht zur Riesenbirne auswächst. In dieser Birne stechen die beiden mit dem Wissenschaftler Professor Glykose in See, um den vermissten Bürgermeister zu suchen. Herrlich verrückt, liebevoll gezeichnet. Bilderbuch und Abenteuerroman in einem, für Kinder ab fünf Jahren. (ike)

„Pauly“ (18,99): Hätten Sie für einen Rundgang durch Hamburg die Vogelperspektive eingenommen? Der Autor und Illustrator Philipp Kehl nimmt sein junges Publikum mit auf die Spuren der frechen Möwe Pauly. Die freundet sich mit den Ratten auf St. Pauli an und muss es hinnehmen, dass ein empörter Aal den ihm zugedachten Platz auf ihrem Frühstücksteller wieder verlässt. Das Ganze fasst Kehl mit viel Esprit in flächig-reduzierte Bilder, oft in den Grau- und Grüntönen der Elbe bei Regen. Wie wir unser Hamburg eben kennen und – fast immer – lieben. (vfz)

„Die längste Nacht“ (19,99 Euro): An Jugendliche ab 14 Jahren, aber auch an Erwachsene, die Spaß haben an gut erzählten Geschichten mit jungen Protagonisten richtet sich der Roman der Hamburgerin Isabel Abedi. Abedi erzählt von Vita, die nach dem Abitur nach Italien reist und dort ihrer Vergangenheit begegnet. Ein Buch über Fluch und Segen von Familie, erste Lieben und Geheimnisse. (jac)

„Die Muskeltiere auf großer Fahrt“ (14,99 Euro): Ute Krauses Fortsetzung des ersten Muskeltiere-Bandes für Kinder im Vorschulalter eignet sich perfekt für eine Schiffsreise – auf die nämlich gehen auch die Feinschmeckermäuse Pomme de Terre und Picandou mit der Ratte Gruyère – natürlich von Hamburg aus. (msch)

„Die Elternfernbedienung“ (12,95 Euro): Grandiose Entdeckungen wie eine Gute-Laune-Maschine oder eine Himbeereismaschine wecken in Kindern ab fünf Jahren die Erfinderlust. Schöne Zeichnungen gibt’s obendrein. (jac)