Hamburg. Ein Musical zeigt die größte Schiffskatastrophe des 20. Jahrhunderts gelungen auf der großen Bühne.

Um es gleich vorwegzunehmen: Dies ist keine große Liebesgeschichte, wie es uns Hollywood vor genau 20 Jahren in einem Kino-Blockbuster weismachen wollte. Mit Kate Winslet und Leonardo DiCaprio, die sich am Schiffsbug im Angesicht des Todes im Eismeer anschmachteten. Und mit Celine Dion, die so herzzerreißend „My Heart Will Go On“ sang.

„Titanic – The Musical“ in der Regie von Tom Southerland lässt die Zuschauer auf ganz andere Weise Teil haben am größten Schiffsunglück des 20. Jahrhunderts, bei dem am 15. April 1912 nur 711 Menschen gerettet werden konnten und schätzungsweise 1500 Menschen starben.

Stimmgewaltig und detailreich erzählt das Duo aus Komponist Maury Yeston und Autor Peter Stone von den vielen schillernden Persönlichkeiten, den Träumen und Hoffnungen der Passagiere, aber auch von der gnadenlosen Klassengesellschaft und den letzten dramatischen Stunden an Bord des Luxusliners.

Originalversion hatte 1997 Premiere

In Kooperation mit dem Mayflower Theatre in Southampton gastiert die Londoner Produktion bis zum 19. August in der Hamburgischen Staatsoper. Hier feierte das Musical nun seine (zweite) Hamburg-Premiere. Denn schon in der Spielzeit 2002/03 lief das Musical mehr als 300-mal in der Neuen Flora. Die Originalversion hatte 1997 Premiere am Broadway in New York und gewann fünf der begehrten Tony Awards.

In den ersten 20 Minuten werden die Charaktere des Stücks vorgestellt: Die adlige Lady Caroline und ihr (nicht standesgemäßer) Verlobter Charles, die auf der Kreuzfahrt durchbrennen. Die junge Irin Kate McGowan (in dieser Aufführung gesungen von Gemma McMeel), die als Dienstmädchen im Land, wo „Milch und Honig fließen“, arbeiten will. Isidor und Ida Straus, ein älteres Ehepaar, das sich bis zum Schluss weigert, das Schiff zu verlassen. Und schließlich Captain Edward Smith, der seine letzte Überfahrt vor dem Ruhestand antritt ...

Mit großer Begeisterung und Zuversicht checken die Passagiere auf der Royal Mail Steamer „Titanic“ ein („Ich bin an Bord, auf dem Schiff der Träume“), beziehen ihre First-Class-Suiten, während unten im Maschinenraum geschuftet wird. „Die Menschen sind der Dreh- und Angelpunkt unserer Geschichte“, hat Maury Yeston in einem Interview gesagt.

Musik mal melodiös beschwingt, mal dramatisch bedrohlich

Und natürlich ist es seine Musik, die sich auf die englische Chor-Tradition im Sinne von Edward Elgar beruft und die die Geschichten durch die gut zweistündige Inszenierung trägt. Mal melodiös und beschwingt, später immer öfter dramatisch und bedrohlich.

Außer der Eröffnungszeremonie schmettert der Chor die Lobeshymne „Godspeed Titanic“ auf die „schwimmende Stadt“: „Alle Leinen los, und nun möge mich dein Schoß warm und sicher forttragen.“ Zum besseren Verständnis wird das Gesungene oberhalb der Bühne deutsch übertitelt. So kommt auch der Dialogwitz zum Tragen. Etwa, als Steward Etches dem Ehepaar Straus einen letzten Champagner auf dem sinkenden Schiff anbietet und Ida sich entrüstet: „Ist es nicht eine Schande, die Flasche jetzt noch zu öffnen?“ Und Etches antwortet: „Madam, unter den gegebenen Umständen wäre es eine Schande, es nicht zu tun.“

Die Autoren haben für das Stück gründlich recherchiert und die originalen Untersuchungsprotokolle studiert. So erfahren die Zuschauer die Umstände, die zum Sinken des Schiffes führten, und das Musical seine Dynamik. Alles steuert auf den Eisberg zu.

Minutenlanger Applaus mit Standing Ovations

Und zwar sehenden Auges: Während der Funker eine Warnung vor der nächsten an die Brücke und den Kapitän weitergibt, lässt J. Bruce Ismay, Direktor der White Star Line, die Geschwindigkeit immer weiter erhöhen. „Wir wollen am Dienstag noch vor Einbruch der Dunkelheit in New York sein“, tönt Ismay (stark gespielt von Simon Green). Nicht Komfort und Sicherheit seien entscheidend. „Das Einzige, was die Passagiere interessiert, ist Geschwindigkeit!“

Es ist das Wettrennen zwischen den großen Kreuzfahrtschiffen um das Blaue Band, das alle Warnungen in den Wind schlägt und so zum fatalen Schrammen des Eisbergs in der Nähe von Neufundland führt. Plötzlich ist alles still und schwarz. Und Ida und Isidor tanzen ihren letzten Walzer.

Dafür gab es minutenlangen ­Applaus mit Standing Ovations. Und sogar ein paar Tränchen. Alles richtig gemacht.

Besucherstimmen

Eva Lieder (50) aus Stellingen: „Ein sehr schönes Musical! Mir gefällt, dass das Stück nicht den Film, sondern seine eigenen Geschichten erzählt. Allerdings muss man sich in die Musik erst einmal hineinhören.“

Stefan Brucker (48) aus Aalen: „Meine 15-jährige Tochter wollte ,Titanic’ unbedingt sehen, sie ist ein großer Leo-Fan. Nun ist sie ein wenig enttäuscht, dass es nicht um die Liebesgeschichte geht. Aber mir gefällt das Musical überraschend gut.“


„Titanic – The Musical“ bis 19.8. in der Staatsoper, Beginn jew. 19.30, Sa. 14.30 + 19.30, So 14.00 + 19.00, Karten zu 21,- (erm.) bis 98,- in der Abendblatt-
Geschäftsstelle, Gr. Burstah 18–32, Mo–Fr 9.00–19.00, Sa 10.00–16.00, T.30 30 98 98