Hamburg. Warum Rettungswagen im ersten Halbjahr nicht alle Hamburger Krankenhäuser anfahren konnten. Ärztebund kritisiert Personalpolitik.
Die Notaufnahmen der Hamburger Krankenhäuser mussten sich seit Beginn des Jahres für gut 1100 Stunden bei der Feuerwehr-Leitstelle aus der Versorgung von Notfällen abmelden. Das geht aus Dokumenten der Gesundheitsbehörde hervor, die dem Abendblatt vorliegen. In rund der Hälfte der Fälle musste die gesamte Notaufnahme gesperrt werden. Die anderen Sperrungen betrafen jeweils nur einen Teil – fast alle Abmeldungen erfolgten in den internistischen Abteilungen.
Auffällig in der Gesamtstatistik ist, dass die Zahl der Abmeldungen von Klinik zu Klinik sehr stark schwankt: Einige Krankenhäuser wie die Asklepios Klinik Altona, das Altonaer Kinderkrankenhaus und die Asklepios Klinik Harburg meldeten sich nahezu nie von der Notfallversorgung ab. Andere Notaufnahmen – besonders die des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE), des Albertinen-Krankenhauses und der Asklepios Klinik St. Georg – waren im ersten Halbjahr für deutlich mehr als 100 Stunden zumindest teilweise gesperrt.
Rettungswagen sollen betroffene Kliniken umfahren
„Sperrung bedeutet eine befristete Abmeldung“, erklärt Gabriele Groth, Leitende Ärztin der Notaufnahme in der Asklepios Klinik Altona. „In so einem Fall wird bei der Feuerwehr angerufen und um eine Umleitung der Krankenwagen gebeten.“ Für den Zeitraum der Abmeldung sind Rettungswagen dazu angehalten, die von der Sperrung betroffene Klinik zu umfahren und die nächstgelegene anzufahren. Sogenannte Selbsteinweiser, also Patienten, die selbstständig in der Notaufnahme erscheinen, sind davon nicht betroffen. Sie werden immer behandelt. Auch „Polytraumata oder Reanimationen werden nie abgelehnt“, sagt Sara Sheikhzadeh, Leitende Ärztin der Notaufnahme der Asklepios Klinik Harburg.
Sperrungen der Notaufnahme für ein bis maximal zwei Stunden am Tag sind erlaubt. Ein im Bundesvergleich atypischer Sonderfall. „Hamburg ist in einer Luxussituation: Hier gibt es so viele Notaufnahmen, dass kurzfristige Abmeldungen möglich sind, ohne dass die Versorgung insgesamt gefährdet wäre“, sagt Pedram Emami, Landesvorsitzender der Ärztevereinigung Marburger Bund und Neurochirurg am UKE.
Zusammenarbeit mit 60 Zeitarbeitsfirmen
Trotz dieser Vorgabe kommt es immer wieder auch zu längeren Abmeldungen aus ganz unterschiedlichen Gründen. Wie berichtet, kam es in den Asklepios Kliniken St. Georg und Wandsbek im Juli zu längeren Abmeldungen wegen Personalmangels. Während im Fall St. Georg eine von zwei Spätschichten nicht mit einem Arzt besetzt werden konnte, war im Fall Wandsbek der Krankenstand beim Pflegepersonal so hoch, dass an drei aufeinanderfolgenden Tagen die Notaufnahme während ganzer Schichten abgemeldet wurde.
Man arbeite mit 60 Zeitarbeitsfirmen zusammen, um kurzfristige Ausfälle auffangen zu können, doch sei es „an diesem Wochenende nicht gelungen, eine Lösung zu finden“, sagt Mathias Eberenz, Sprecher von Asklepios. Pedram Emami vom Marburger Bund kritisiert diese Personalpolitik: „Dass Asklepios Honorarkräfte einsetzt, um Lücken des Dienstplans zu füllen: Das geht gar nicht.“
UKE Notfallversorgung für 280 Stunden abgemeldet
Aus der von der Leitstelle der Feuerwehr erstellten Übersicht über die Abmeldungen geht nicht immer der Grund für eine Sperrung hervor: Die regelkonformen Kurzabmeldungen werden zumeist nicht weiter kommentiert. Diese allerdings sind zumeist „transparent erklärbar“, wie Emami erläutert: Oft gehe es um erreichte Kapazitätsgrenzen oder belegte Behandlungsräume. Emami: „Es geht nicht darum, wie lange eine Notaufnahme abgemeldet ist, sondern warum.“
Bei längeren Abmeldungen sind teils größere technische Probleme wie der Ausfall der EDV oder ein Zusammenbruch der Wasserversorgung in der Statistik dokumentiert. Insgesamt die höchste Stundenzahl in den ersten sechs Monaten des Jahres verzeichnete das UKE: Für rund 280 Stunden meldete die Klinik von Januar bis Juni ihre internistische Notfallversorgung ab. Hinzu kommen 46,5 Stunden, in denen die gesamte Notaufnahme gesperrt war.
Zahlen nicht immer zweifelsfrei nachvollziehbar
Personalmangel als Grund für eine Sperrung schließt Saskia Lemm, Pressesprecherin des Klinikums, aus: „Bislang hat sich die Zentrale Notaufnahme des UKE nicht aus Personalmangel abgemeldet.“ Die von der Feuerwehr erhobenen und von der Gesundheitsbehörde ausgewerteten Zahlen scheinen aber nicht immer zweifelsfrei nachvollziehbar zu sein: Die längste dokumentierte Abmeldung der ersten sechs Monate des Jahres verzeichnete die Asklepios Klinik St. Georg mit 37,5 Stunden, in denen die gesamte Notaufnahme abgemeldet gewesen sein soll, ohne Angabe eines Grundes.
Während der Abmeldung habe eine umfangreiche Notstromprobe im Rahmen der Erneuerung der Notstromversorgung stattgefunden, sagt Kliniksprecher Eberenz. Solche Vorfälle würden der Feuerwehr rechtzeitig mitgeteilt. Da im dokumentierten Zeitraum Rettungs- sowie Notarztwagen in den Büchern der Klinik vermerkt seien und der Betrieb insgesamt komplett normal gelaufen sei, „ist es im Moment für uns nicht erklärlich, warum die Feuerwehr dieses Zeitfenster als gesperrt vermerkt hat“, so Eberenz weiter. Auch beim UKE ist eine Abmeldung der internistischen Notaufnahme, die in der Übersicht mit 14 Stunden verzeichnet ist, nicht nachvollziehbar, man geht von einem Übertragungsfehler aus.