Hamburg. Marburger Bund fordert nach Schließungen von Notaufnahmen politische Kehrtwende. Gesundheitsminister plant neues Gesetz.

Die Personalprobleme beim Klinikkonzern Asklepios sind größer als gedacht: Nicht nur die Asklepios Klinik St. Georg, auch die Klinik in Wandsbek musste ihre Notaufnahme in den vergangenen Tagen außerplanmäßig wegen Personalmangels schließen. Allerdings war bei der Asklepios Klinik Wandsbek nicht nur die internistische Notaufnahme betroffen; es wurde die gesamte Notaufnahme – laut Eigenbeschreibung "eine der größten Hamburgs" – bei der Rettungsleitstelle der Feuerwehr abgemeldet.

Zudem erfolgte die Abmeldung nicht nur für eine Schicht: Wie Asklepios-Sprecher Mathias Eberenz dem Abendblatt bestätigte, wurde sie "in der Nacht vom Freitag zum Sonnabend sowie am Sonnabend und Sonntag in der Spätschicht" abgemeldet.

Massiver Personalmangel bei Asklepios

Dass ein akuter Mangel an Pflegekräften der Auslöser für die Abmeldung von insgesamt drei vollen Schichten war, bestätigte Eberenz. Es seien "aus dem gesamten, in drei Schichten arbeitenden Team der Zentralen Notaufnahme zu diesem Zeitpunkt insgesamt mehr als ein Dutzend Pflegekräfte erkrankt" gewesen. Ein kurzfristiger Ausgleich sei nicht möglich gewesen, da "die anfallenden Tätigkeiten außerordentlich anspruchsvoll sind".

Trotzdem habe man, so Eberenz weiter, "nur unwesentlich weniger Patienten versorgt" als sonst. Die Abmeldung bei der Feuerwehr betrifft die Patienten, die vom Rettungsdienst zur Notaufnahme gebracht werden, nicht die sogenannten Selbsteinweiser, die auf eigenes Betreiben das Krankenhaus aufsuchen.

Oberärzte als Pflegekräfte

Wie das Abendblatt erfuhr, soll der Personalengpass in der Notaufnahme der Klinik nicht nur ein akutes Problem sein: Mitarbeitern anderer Abteilungen soll eine Prämienzahlung angeboten worden sein, wenn sie Schichten in der Notaufnahme übernehmen würden, es gebe diverse offene Stellen, die bislang nicht nachbesetzt wurden. Sogenannte Gefährdungsanzeigen zur Dokumentation der Überlastung würden regelmäßig von Mitarbeitern der Notaufnahme verfasst.

Im akuten Fall seien zwischenzeitlich sogar Oberärzte zu Pflegetätigkeiten verpflichtet worden, um die Versorgung von Notfallpatienten zu gewährleisten. Eberenz sagte, dass es sich grundsätzlich schwieriger gestalte, frei gewordene Stellen nachzubesetzen. Akut sei durch die Urlaubszeit auch die kurzfristige Unterstützung durch Zeitarbeitskräfte erschwert.

Die sechsstündige Abmeldung der internistischen Notaufnahme in St. Georg hatte Eberenz noch Mitte der Woche gegenüber dem Abendblatt als "einmaligen Vorgang“ bezeichnet, Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks nannte sie "indiskutabel", sprach aber ebenfalls von einer "Ausnahmesituation".

Marburger Bund sieht "völlig verfehlte Entwicklung"

Der Marburger Bund reagierte am Sonnabend mit einer Mitteilung auf die bekannt gewordenen Schließungen: Pedram Emami, der Vorsitzende des Landesverbands Hamburg der Ärztevereinigung sagte, die Schließungen im "sensiblen Bereich" Notaufnahme sprächen für "eine Personalpolitik, die in erster Linie Patientinnen und Patienten aber auch die Versorgungslage in der Stadt Hamburg gefährdet".

Emami sieht die Politik in der Pflicht, "alle beteiligten Kliniken an ihre Verantwortung zu erinnern und sie im Hinblick auf die Notfallversorgung ebenfalls in die Pflicht zu nehmen". Zudem müsse die Politik Verantwortung übernehmen für die "völlig verfehlte Entwicklung, die dem Diktat der Ökonomie Vorrang vor inhaltlich sinnvollen Entscheidungen gegeben und solche Zustände erst ermöglicht hat".

Emami fordert, Ärzteschaft und Pflegekräfte in die Gestaltungsprozesse der Kliniken und des Gesundheitswesens insgesamt einzubeziehen: "Das wäre endlich der erste Schritt in eine kompetenzbasierte Gestaltung des Gesundheitswesens."

Spahn plant gesetzliche Vorgaben zum Pflegepersonal

Wie die "Berliner Zeitung" berichtet, plant Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Krankenhäusern erstmals gesetzliche Vorgaben zur Zahl der Pflegekräfte zu machen. Der Entwurf des so genannten "Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes" sieht vor, dass ab kommendem Jahr das Verhältnis zwischen der Zahl der Beschäftigten in der Pflege und dem Pflegeaufwand in den Krankenhäusern erhoben wird. Gleichzeitig mit der für 2020 geplanten Veröffentlichung der Ergebnisse sollen konkrete Untergrenzen für die Personalausstattung festgelegt werden. Wie die Zeitung unter Berufung auf den Gesetzentwurf berichtet, drohen Kliniken, die diese Grenzen unterschreiten, finanzielle Sanktionen.

Parallele Verhandlungen zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft, dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen und dem Bundesgesundheitsministerium über die Festlegung schichtgenauer Personaluntergrenzen in "pflegesensitiven Bereichen" sind bisher ohne Abschluss geblieben, weil die Streitparteien sich in wesentlichen Punkten bisher nicht einigen konnten.