Hamburg. Fraktionschef Jörn Kruse sammelt Informationen zu Hamburgs größter Hochschule – und gibt sich überrascht.
Wenn die Vorlesungszeit im Sommer an der Uni Hamburg zu Ende geht und die Semesterferien bevorstehen, arbeitet die Verwaltung weiter. Aber in reduzierter Besetzung: Etliche Mitarbeiter sind im Urlaub. Die Verbliebenen sahen sich zuletzt mit Arbeit in unerwartetem Ausmaß konfrontiert. Diese bescherte ihnen Jörn Kruse, Vorsitzender der AfD-Fraktion in der Bürgerschaft. Der Professor für Volkswirtschaftslehre hatte vom 4. bis 10. Juli an den Senat 22 Schriftliche Kleine Anfragen (SKA) mit mehr als 200 Einzelfragen gerichtet, die alle die Uni betreffen. Überwiegend geht es darin um Austausch- und Nachwuchsprogramme.
Abgeordnete sollen Gesetze beschließen, wobei der Opposition auch die Kontrolle der Regierung zukommt – ohne Informationen funktioniert beides nicht. Insofern sind SKA ein wichtiges Instrument der Parlamentsarbeit. Das sieht auch die Uni Hamburg so. Gleichwohl spricht man dort mit Blick auf Kruses jüngste SKA von einer „Riesenbelastung“. Und: Für Kruses Fragen zu Programmen etwa der Volkswagen-Stiftung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft sei die Uni der falsche Ansprechpartner. Kruse gibt sich auf Nachfrage überrascht. „Dass es 22 Anfragen sind, hätte ich nicht gedacht“, sagt er.
Binnen acht Kalendertagen antworten
Die Uni stark belastet durch seine SKA? „Das ist nicht mein Thema“, sagt Kruse. „Wenn es sich mal ein bisschen ballt, ist das halt so.“ Ginge es nach ihm, dürfte die Antwortfrist länger sein. SKA muss der Senat binnen acht Kalendertagen beantworten. Er tut dies in der Regel anhand der Auskünfte der zuständigen Einrichtungen. Diesen bleiben für ihre Antworten meist nur wenige Tage, weil innerhalb der Frist die zuständigen Fachbehörden die Antworten noch durchsehen wollen.
Schon früher haben etliche Hamburger Abgeordnete vergleichsweise viele SKA gestellt. FDP-Politiker Wieland Schinnenburg war dafür bekannt, auch Andreas Dressel (SPD). Jörn Kruse interessiert sich offensichtlich besonders für die Uni Hamburg – warum, will er nicht sagen. Bei einigen Fragen stehe vielleicht eine Intention dahinter, bei anderen nicht, sagt er.
AfD-Politiker will es oft ganz genau wissen
Zu einem Studiengang, einem Netzwerkprogramm und einem Sonderforschungsbereich will Kruse wissen, wie viele beteiligte Personen aus dem Ausland stammen. Dass er danach gefragt habe, sei ihm „nicht bewusst“, sagt er auf Nachfrage. Ist Internationalität nicht selbverständlich im Studium und in der Forschung? Klar, sagt Kruse. Deshalb machten seine Fragen ja auch Sinn. Nur als Beispiel: Ergäbe eine SKA, dass von 16 vorgesehenen Personen in einem internationalen Projekt 15 Mitglieder Deutsche wären, stimmte etwas nicht.
Der AfD-Politiker will es oft ganz genau wissen. So erkundigte er sich im Oktober 2017 danach, welche Kryo-Elektronenmikroskope im Einzelnen an dem Hamburger Forschungszentrum CSSB eingesetzt werden. Er erhält eine Antwort, mit der wohl zumindest Spezialisten etwas anfangen können. Heute kann Kruse sich an Frage und Antwort nicht mehr erinnern, wie er sagt.
Informationsstand „nicht immer der Gleiche“
Im Dezember 2017 will er in einer SKA zur „Stiftung Naturheilkunde Hamburg“, die korrekt Stiftung Naturkunde Hamburg heißt, wissen, wie das naturkundliche Museum seit dessen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg genutzt worden sei. Die Ruine sei 1951 abgetragen worden, antwortet der Senat. „Das Museum konnte insofern nicht mehr genutzt werden.“ Kruse sagt dazu, er habe Mitarbeiter, die ihn unterstützten. Der Informationsstand sei „nicht immer der Gleiche“. Am Dienstag dieser Woche erklärt Kruse: „Ich werde kurzfristig nicht alle Antworten lesen können.“ Zwei Tage später startet er in den Urlaub.