Hamburg. Früher war das Essen im Königreich meist fade und langweilig. Heute gelten viele Speisen von der Insel als kulinarische Highlights.

So umfangreich? Der Gedanke kommt angesichts von 430 Seiten im neuen „Großbritannien Kochbuch“, denn lange Zeit haben Speisen von der Insel nicht in der ersten kulinarischen Liga gespielt. Spätestens seit Jamie Oliver ist das anders. Und jetzt haben 100 Köche, Bäcker und Food Heroes aus dem Königreich unter dem Motto „Was kochen Sie für Menschen, die Sie lieben?“ ihre Lieblingsrezepte für diese besondere Sammlung preisgegeben.

Zusammengestellt vom Kochbuchautor, Fernseh- und Radiomoderator William Sitwell, verrät das „Who is Who“ der britischen Food-Szene ganz persönliche Schlemmer- und Wohlfühlrezepte aus der heimischen Küche für alle Gelegenheiten. Mit dabei sind die auch in Deutschland bekannten Jamie Oliver und Yotam Ottolenghi, Antonio Carluccio und Marco Pierre White sowie viele andere, die von Schokoladenkuchen mit Guinness und dem typisch britschen Dessert Pavlova über Seehechtfilet mit Gelbe-Bete-Salat und Radieschen bis hin zu Chili-Parmesan-Polenta variationsreiche Gerichte präsentieren. Zusammen mit der Gestaltung des Pop-Art-Künstlers Sir Peter Blake ist das Buch ein Hingucker und feiert die Kreativität und Vielfalt der britischen Essenskultur. Ein Register am Ende, das auch die Kategorien „Glutenfrei“, „Laktosefrei“ und „Vegetarisch“ aufführt, rundet den Band ab.

Heute achten Briten auf gesunde Ernährung

Als ich Anfang der 90er-Jahre in London lebte, waren die indischen Restaurants das Beste an der britischen Küche. Englisches Essen war eher fettig – so wie Fish ’n’ Chips, Bangers and Mash (Würste mit Kartoffelbrei) oder das Frühstück mit Bacon, Bratwürstchen, Eiern, Bratkartoffeln und weißen Bohnen in roter Sauce. Oder fade wie der Haferbrei Porridge und Erbsen ohne Salz. Oder langweilig wie ein Weißbrot-Sandwich mit Gurkenscheiben. Das ist vorbei. Heute achten auch die Briten auf gesunde Ernährung, freuen sich über die Produktvielfalt in den Supermärkten, kaufen Fleisch von glücklichen Tieren und essen bissfestes Gemüse. Jamie Oliver setzte sich erfolgreich für besseres Schulessen ein und überzeugte das Inselvolk von der Einfachheit der Zutaten und Zubereitung seiner Rezepte.

Gelingt immer:
Normannische Tarte
Gelingt immer: Normannische Tarte © Knesebeck Verlag

Oliver arbeitete vor mehr als 20 Jahren in London zusammen mit dem Hamburger TV-Koch und Gastro-Unternehmer Tim Mälzer. Beide waren Kollegen in Covent Garden in der Küche vom ­Neal Street Restaurant. Das gehörte Terence Conran, Designer und Begründer der Möbel-Kette Habitat. Und gemanagt wurde dieses Lokal von Antonio Carluccio. Das Motto des Italieners lautete: „Je weniger Tamtam, desto besser der Geschmack.“ Im Kochbuch stammt das Rezept für frittierte gefüllte Oliven von ihm. Carluccio verspricht: „Auf einer Party schmecken die fabelhaft zu einem Drink. Ich garantiere, sie werden ziemlich schnell verschwunden sein.“

Königliche Verbindungen

Verführerisch ist auch das Rezept der walisischen Autorin Elisabeth Luard für Topinambur mit Oliven und Thymian. Diese Knolle einer Pflanze aus der Gattung der Sonnenblumen wächst in vielen heimischen Gärten. Man kann daraus Suppe kochen, sie aber auch wie für dieses Gericht verwenden – eine Beilage, wie man sie auch in der Provence isst. „Essen soll glücklich machen“, sagt die Gastronomin Prue Leith. Deshalb beschreibt sie im Buch mit der Normannischen Tarte aus der Küchenmaschine eines ihrer Lieblingsrezepte: Mürbeteigboden, Mandelcreme, Äpfel, Aprikosenmarmelade. „Wie sehr man auch stümpert, die Tarte schmeckt köstlich“, macht Leith Mut.

Ein typisches britisches Dessert:
Pavlova mit Erdbeeren
Ein typisches britisches Dessert: Pavlova mit Erdbeeren © getty/istockphoto

Das Kompendium der britischen Küche hat sogar königliche Verbindungen parat. Pippa Middleton, die Schwester von Prinz Williams Ehefrau Kate, verrät ihr Rezept für einen traditionellen Rippenbraten, wie er sonntags gern serviert wird. Und Tom Parker Bowles, Sohn von Prinz Charles’ zweiter Ehefrau Camilla, schwärmt für Kalbsschnitzel Holstein. „Wenn ich dieses Schmuckstück auf der Karte finde, ist die Welt für mich in Ordnung“, schreibt der Autor und Gastrokritiker. Er lobt die Version aus dem Londoner Restaurant The Wolseley, „wenn sie nur die Bratensauce wegließen“. In dem Lokal in der Straße Piccadilly kostet das Gericht 28 Pfund, umgerechnet um die 32 Euro. Der Name dieser Schnitzel-Variation bezieht sich auf die Region Holstein nördlich von Hamburg.

Spezialität vom Kontinent

Für vier dünne Schnitzel werden 25 Gramm Weizenmehl mit Pfeffer, Salz und einer Prise Senfpulver vermischt und auf einem Teller ausgebreitet. In einer flachen Schale zwei Eier verquirlen. 100 Gramm frische Semmelbrösel in eine zweite flache Schale streuen. Die papierdünnen Schnitzel sparsam würzen, im Mehl wenden, anschließend ins verquirlte Ei tauchen und mit den Semmelbröseln panieren. In einer großen Pfanne mit schwerem Boden 50 Gramm Butter mit einem Esslöffel Sonnenblumenöl bei mittlerer Hitze zerlassen. Zwei Schnitzel von jeder Seite zwei Minuten goldbraun braten, warm stellen. Dann die beiden anderen Schnitzel braten. Die Pfanne mit Küchenpapier auswischen, dann 50 Gramm Butter zerlassen und vier Spiegeleier mit noch wachsweichem Eigelb braten. Auf jedes Schnitzel ein Spiegelei setzen.

William Sitwell (Hrsg.): „Das
Großbritannien Kochbuch. Die
besten Rezepte von 100 Chefköchen,
Bäckern und Food
Heroes“. Knesebeck Verlag,
40 Euro
William Sitwell (Hrsg.): „Das Großbritannien Kochbuch. Die besten Rezepte von 100 Chefköchen, Bäckern und Food Heroes“. Knesebeck Verlag, 40 Euro © Knesebeck Verlag

50 Gramm Butter in der Pfanne zerlassen und zwei Esslöffel Nonpareil-Kapern darin schwenken, bis sie warm sind. Vom Herd nehmen und einen kräftigen Spritzer Zitronensaft unterrühren. Nach Belieben auch noch zwei Esslöffel fein gehackte Petersilie dazugeben. Zum Schluss jeweils zwei abgetropfte Sardellenfilets über Kreuz über die Eier legen, mit der Kapernbutter ­überziehen. Dazu passen Bratkartoffeln oder Pommes frites sowie ein gemischter Salat. Ob Tom Parker Bowles seinem Stiefvater Prinz Charles oder seinen royalen Stiefbrüdern William und Harry nebst Ehefrauen auch schon mal diese Spezialität vom Kontinent serviert hat? Dann hätte norddeutsche Küche einen Platz bei Königs. Oh dear!