Hamburg. Aktion gegen Fachkräftemangel: Hamburgs Arbeitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) wirbt für den Retter-Beruf.
Sie reanimierte eine Notfallpatienten-Puppe, streifte sich trotz Sommerhitze die feuerfeste Brandschutzkleidung über, übte den „Schnellangriff“ mit einem C-Rohr und kletterte sogar die Drehleiter bis in den zweiten Stock hinauf – das alles, um Bilder für eine wichtige Botschaft zu produzieren: „Das ist ein aufregender Beruf“, stellte Arbeits- und Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) bei ihrem Besuch in der Feuer- und Rettungswache Berliner Tor immer wieder fest. „Wer körperlich fit ist, sich etwas zutraut und Lust hat, im Team zu arbeiten, ist bei der Feuerwehr genau richtig, auch als Frau.“
Dass die Senatorin mit so viel Körpereinsatz auf dieses Thema hinweisen wollte, hatte mehrere Gründe. Erstens sucht die Feuerwehr Hamburg ständig Personal. Bis zum Jahr 2025 gehe rund ein Drittel der mehr als 3000 Mitarbeiter in Pension, sagt Sprecher Jan Ole Unger. Außerdem sei beschlossen, dass die Feuerwehr angesichts des starken Bevölkerungszuwachses bis zum Jahr 2021 um 300 Einsatzkräfte aufgestockt werden solle. Insgesamt werden in den nächsten Jahren also mindestens 1300 Mitarbeiter gesucht.
Kleine Revolution
Zweitens gibt es vom 1. August an eine kleine Revolution: Konnte bislang nur Feuerwehrmann werden, wer zuvor eine andere – oft handwerkliche – Ausbildung abgeschlossen hatte, gibt es ab diesem Sommer in Hamburg eine eigenständige Ausbildung zum Berufsfeuerwehrmann oder -frau. Je 24 Teilnehmer starten zum 1. August und 1. September ihre dreijährige Ausbildung. An dieser Umstellung hatten Politik und Feuerwehrführung seit Jahren gearbeitet. Den klassischen Weg, zunächst einen Beruf zu erlernen und anschließend eine 18-monatige Ausbildung bei der Feuerwehr anzuschließen, gibt es daneben weiterhin. Auch hier sind derzeit 24 Anwärter in der Ausbildung.
Drittens war Leonhard ein Aspekt wichtig, der zwar nicht neu, aber recht unbekannt ist – nämlich, dass der Beruf mit all seinen Facetten auch Frauen offen steht. „Es gibt da keine Einschränkungen“, sagte Unger. „Frauen können den Beruf genauso ausüben wie Männer.“ Auch Leonhards Frage, ob es eine Mindestgröße wie bei der Polizei gebe (1,60 Meter), konnte Unger verneinen. „Das ist gut für Menschen wie mich“, seufzte die Senatorin erleichtert – obwohl sie selbst die Polizei-Anforderung erfüllen würde.
Nachdem sie in Schutzmontur mit der schweren Rettungsschere, dem Spreizer und dem Löschrohr hantiert und sich mit Pressluftflasche auf dem Rücken in das Löschfahrzeug gezwängt hatte, sah Leonhard allerdings eine andere Hürde für ihren Eintritt in die Feuerwehr: „Ich bin dafür nicht sportlich genug, das muss ich offen sagen.“
Reizen würde sie aber der Beruf des Notfallsanitäters. Die Gummipuppe im Übungsraum konnte sie zwar auch nicht zum Leben erwecken, aber immerhin bescheinigte das angeschlossene Tablet der Senatorin ein gewisses Talent für die Herz-Lungen-Wiederbelebung. „Sieht nicht nach dem ersten Mal aus ...“, lobte Fachmann Matthias Götz beim Blick auf die Analyse-Daten. Auch dieses Berufsbild hat sich verändert: Seit 2015 werden die bisherigen „Rettungsassistenten“ sukzessive von „Notfall-Sanitätern“ abgelöst. Mehr als 140 von ihnen sind derzeit in ihrer dreijährigen Ausbildung.
CDU: Bedingungen für Feuerwehr verbessern
Die Opposition betrachtete Leonhards Auftritt mit gemischten Gefühlen. „Es ist zwar zu begrüßen, wenn die Arbeitssenatorin auf den Fachkräftemangel bei der Feuerwehr aufmerksam macht“, sagte CDU-Innenexperte Dennis Gladiator. „Noch hilfreicher wäre es allerdings, wenn der Innensenator für bessere Rahmenbedingungen sorgen würde. Eine höhere Schichtzulage würde bei der belastenden und anspruchsvollen Arbeit helfen und den Beruf attraktiver machen.“
Hauptproblem der Feuerwehr seien aber der Personalmangel und die fehlende Aktualisierung des Standortkonzepts, so Gladiator. Das zeige sich an den niedrigen Zielerfüllungsgraden: Die definierten Fristen, innerhalb derer die Rettungskräfte am Einsatzort sein sollen, würden im Brandschutz nur zu 70 Prozent, bei Rettungswagen zu knapp 65 Prozent und bei Notarzteinsätzen zu gut 90 Prozent eingehalten. „Unter den jetzigen Rahmenbedingungen ist die Feuerwehr nicht in der Lage, alle Menschen überall gleich gut zu schützen“, kritisiert Gladiator. „Und das liegt nicht daran, dass sie nicht will, im Gegenteil. Es liegt schlicht am fehlenden Personal.“