Hamburg . Wie Hamburger Senat und Verfassungsschutz die Sicherheit erhöhen wollen. Kritik von Experten, Bemerkenswertes zur Roten Flora.

Ein Jahr nach den Krawallen beim G20-Gipfel in Hamburg ist die Zukunft des linksautonomen Zentrums Rote Flora nach Worten von Innensenator Andy Grote (SPD) weiter offen. „Es gibt ganz unterschiedliche Handlungsoptionen“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2017. „Das hängt sehr stark davon ab, wie die Flora sich auch weiter in Zukunft dort verhält.“ Die Zahl der Linksextremisten ist in der Hansestadt im G20-Jahr laut Verfassungsschutz auf rund 1220 gestiegen (2016: 1100). Es wurden 1625 linksextremistische Straftaten verübt, im Jahr zuvor waren es lediglich 165 solcher Delikte.

Es dürfe nicht der Fehler gemacht werden, sich bei der Diskussion um militante linksextremistische Strukturen in Hamburg einseitig auf die Rote Flora zu fokussieren, sagte Grote. Die G20-Ereignisse hätten auch gezeigt, dass die Interventionistische Linke und der Rote Aufbau ein hohes Gefahrenpotenzial besäßen.

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Verfassungsschutz wird personell aufgestockt

Mit Blick auf die Rote Flora erklärte der Senator: „Wenn ich von Handlungsoptionen spreche, meine ich, dass wir als Staat natürlich immer handlungsfähig sein müssen – und das sind wir auch im Hinblick auf die Flora. Das ist kein rechtsfreier Raum.“

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte kürzlich eine Warnung an das Zentrum ausgesprochen: „Wenn es aus der Roten Flora heraus Gewalt gibt, dann gehen wir da rein.“ Grote erklärte, das sei etwas anderes als eine Räumungsdebatte anzuzetteln. Wenn man das jetzt ernsthaft betreibe, bekäme die Rote Flora eine nie gekannte Popularität. „Weite Teile von Institutionen und Gesellschaft würden sich solidarisieren.“

Während der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes teilten Andy Grote und der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, Torsten Voß, mit, dass Hamburg den Verfassungsschutz aufstockt: Dieser wird auf künftig mehr als 200 Stellen verstärkt. „Diese kräftige Personalaufstockung bedeutet einen absoluten Sicherheitsgewinn für die Menschen in Hamburg“, sagte Grote.

Aus dem Bericht geht hervor, dass die Aufklärung und Beobachtung extremistischer Aktivitäten, insbesondere der islamistischen Szene, im Jahr 2017 erneut einen Schwerpunkt bildeten. Die Zahl der Islamisten in Hamburg ist 2017 gestiegen. Sie kletterte von 1355 im Jahr 2016 auf 1565 Menschen. Darunter sind 780 Anhänger der salafistischen Szene, davon 420 Jihadisten, die den militanten Jihad unterstützen (2016: 670).

Grote: Wir haben es mit neuen Tätertypen zu tun

„Die Beobachtung des islamistisch-salafistischen Extremismus bleibt ein Schwerpunkt der Arbeit unseres Verfassungsschutzes“, sagte Hamburgs Innensenator. „Wir haben es mit neuen Tätertypen zu tun, wie der Mord in Barmbek zeigt.“

Am 28. Juli 2017 ermordete Ahmad A. in einem Barmbeker Supermarkt einen Mann mit einem Messer und verletzte sechs weitere Menschen. Am 1. März 2018 wurde der Palästinenser vom Hanseatischen Oberlandesgericht wegen Mordes und sechsfachen versuchten Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. „Zwar gibt es bis heute keine Bekennung des IS zu dieser Tat, der Täter ist jedoch dem islamistischen Spektrum zuzuordnen und hat sich selbst bei der Vernehmung als ‘Terrorist’ bezeichnet“, heißt es in der aktuellen Mitteilung der Innenbehörde.

Laut Verfassungsschutzbericht ist von den insgesamt gut 80 aus dem Großraum Hamburg Ausgereisten nach derzeitiger Erkenntnislage etwa ein Drittel zurückgekehrt – darunter auch drei Frauen. „Derzeit liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass die nach Hamburg zurückgekehrten Personen an Waffen oder Sprengstoff ausgebildet wurden und an Kampfhandlungen teilgenommen haben“, heißt es weiter.

FDP: Pro-iranische Aktivisten kein guter Partner für Hamburg

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Carl Jarchow, betonte in einer ersten Reaktion, dass der Verfassungsschutzbericht auf deutliche pro-iranische Aktivitäten des Islamischen Zentrums Hamburg hinweise. "Das IZH ist mittelbar Partner der Freien und Hansestadt Hamburg beim Staatsvertrag mit der muslimischen Gemeinde", sagte der FDP-Politiker. "Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass das IZH kein guter Partner für unsere Stadt ist, deren Fundament auf Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gebaut ist." Nach Auffassung der FDP ist eine Änderung des Status Quo durch die Aussetzung des Staatsvertrages überfällig.

Kritik von Experten: G20 rechtfertigt Aufstockung nicht

Martin Kahl, Extremismusexperte des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH), sagte: „Die im Verfassungsschutzbericht für 2017 enthaltenen Zahlen deuten auf einen massiven Anstieg politisch motivierter Straftaten in Hamburg hin. Schaut man sich die Entwicklung dieser Straftaten und die Anzahl von Extremisten über einen längeren Zeitraum an, ergibt sich allerdings ein moderateres Bild. Im Vergleich zu den Vorjahren gibt es keine dramatische Steigerung bei der Anzahl von Extremisten: weder im islamistischen, noch im links- oder rechtsextremen Lager.“

Die Zunahme bei den Islamisten sei zum Teil auf die Ermittler zurückzuführen, die verstärkt das „Dunkelfeld zu erhellen“ versuchen. Kahl meinte, dass der Verfassungsschutz neue Stellen schaffe, sei durch die Zahlen nicht legitimiert. „Eher dient sie dazu, das durch die Ereignisse während des G20-Gipfels verlorengegangene Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen.“