Hamburg. Tausende Flüchtlinge finden in Hamburg einen Job. Das Abendblatt erzählt Erfolgsgeschichten aus der Gastronomie.
Ismaila Barjo steht am Küchentresen und guckt konzen-triert auf sein Schneidebrett. Lange, zartrosa Stücke liegen dort. „Geflügel-Fleischwurst“, sagt der 19-Jährige und legt die Streifen gewissenhaft nebeneinander. Dann nimmt der junge Mann ein großes Messer zur Hand und zerteilt die Wurst in gleichmäßige Würfel. Ismaila schiebt die Abschnitte in einen großen Plastikbehälter, rückt seine schwarze Schirmmütze zurecht und streicht die graue Schürze glatt. „Vom 1. August an bin ich ein echter Lehrling, darauf freue ich mich sehr.“
Der Azubi in spe kommt aus Gambia. Zusammen mit seinem Cousin verließ er im September 2014 seine Heimat und machte sich auf den Weg nach Europa. Wenn es um Flucht und Reiseroute geht, wird Ismaila Barjo wortkarg, berichtet nur, dass der Cousin in Italien blieb und er in einem Heim in Langenhorn landete, Deutsch lernte und sich für die Arbeit in der Küche interessiert.
Sprachbarrieren berücksichtigen
Seine zweijährige Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe wird er in der Großküche der Firma Kreative Gemeinschaftsverpflegung an der Landwehr machen. „Ismaila haben wir schon als Praktikanten kennengelernt, er passt zu uns“, sagt Betriebsleiter Torsten Fröhling. Der Küchenmeister, unter dessen Regie wochentags rund 7000 Portionen Mittagessen für Kindergärten im Großraum Hamburg produziert werden, hat Erfahrung mit der Ausbildung von Geflüchteten. „Wir müssen uns ein bisschen mehr um sie kümmern, Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede berücksichtigen. Aber wer bei uns im Betrieb landet, der hat Ambitionen und will etwas leisten. Und die Gastronomie war schon immer international.“
Neben dem Afrikaner bearbeitet Mahdi Housseini am Tresen ebenfalls lange Fleischwurststreifen. Er stammt aus Herat in Afghanistan, lebte mit Eltern und Geschwistern im Iran und kam vor drei Jahren über die Balkanroute allein nach Hamburg. „Ich möchte einmal ein eigenes Restaurant führen“, sagt der 19-Jährige. Seit Februar ist er Auszubildender und freut sich, wenn er Salate und Dressing für die kalte Küche vorbereiten kann. „Ich esse selbst gern Nudelsalat, aber auch Burger und Steaks.“
Loyal und leistungsbereit
Auch Friederike Friedrich vom Hamburger Institut für Berufliche Bildung lobt die beiden Jungs. „Die Jugendlichen an unserer Schule sind hoch motiviert, sie sind loyal, leistungsbereit und sehr gute Teamplayer“, sagt die Abteilungsleiterin Fachkräfte im Gastgewerbe. „Oft befinden sich die Schüler durch ihre Fluchtgeschichte in schwierigen Lebenslagen und brauchen Hilfestellung im sozialen Bereich.“ Deshalb hilft die Initiative KoALA (Kooperation Arbeiten, Lernen und Ausbildung) Pro den Azubis in der Großküche.
„Wir vermitteln junge Menschen mit Fluchtgeschichte in Betriebe, die zu ihnen passen“, sagt Ingrid Bauer, Geschäftsführerin des Mutter-Vereins KoALA. „In diesem Sommer sollen zehn junge Menschen unterstützt werden.“ Förderung gibt es in der Berufsschule und in der Firma, zum Beispiel Unterricht in Mathematik, Deutsch, Englisch und EDV sowie Lerntherapie und Prüfungsvorbereitung.
Wochentags von 7 bis 15.30 Uhr sind Ismaila und Mahdi in dem 40-Mann-Betrieb im Einsatz. Der Afrikaner wohnt in einer Jugendwohnung in Wandsbek, der Afghane teilt sich eine Wohnung in Rothenburgsort mit einem Jungen aus Eritrea. „Unsere Mitbewohner sind sehr froh, wenn wir auch zu Hause kochen“, sagen beide. Ismaila spielt Fußball in einer Mannschaft beim Eimsbütteler TV, Mahdi hat eine feste Freundin und seinen jüngeren Bruder in Hamburg. Mit ihren Familien halten sie Kontakt über das Internet. Wenn das Heimweh nagt, bereiten sie privat etwas zu, was sie aus der alten Heimat kennen. ein deutsches Leibgericht hat er schon: „Ich esse sehr gerne Kartoffelsalat“, sagt er.