Hamburg. Helmut Schmidt habe zwar einen wichtigen Part gespielt, sei aber nicht der Held gewesen, als der er gezeichnet worden sei.

Helmut Schmidt war offenbar nicht der handfeste Krisenmanager der Hamburger Sturmflut von 1962, als der er sich selbst gern darstellt hat. Seine Leistungen seien jahrelang überzeichnet worden, sagte der Hamburger Historiker Helmut Stubbe da Luz der "Zeit-Hamburg" (Ausgabe 19. Juli). "Schmidt hat einen wichtigen Part gespielt damals, aber er war nicht der Held, als der er seither in fast allen populären Biografien gezeichnet worden ist." Der SPD-Politiker und spätere Kanzler (1918-2015) war damals Hamburger Polizeisenator.

Schmidt hatte immer wieder betont, entgegen den Bestimmungen des Grundgesetzes die Bundeswehr zur Hilfe gerufen zu haben. "Ich habe mich um die Gesetze nicht gekümmert. Ich hab auch nicht erst ’nen Juristen gefragt, ob ich das darf", erzählte er 2006 in einer Rückschau des NDR. Tatsächlich, so Stubbe da Luz, sei es nicht Schmidt gewesen, der 1962 die Bundeswehr angefordert habe. "Er kam erst um 6.30 Uhr am 17. Februar in seiner Polizeibehörde an. Zu diesem Zeitpunkt waren in Schleswig-Holstein, Bremen und Niedersachsen schon seit Stunden Hunderte von Soldaten im Einsatz; sogar in Hamburg."

Schmidt habe entscheidend geholfen

Auch habe er sich nicht über geltendes Recht hinwegsetzt. Er hätte sich auf den Grundgesetzartikel 35 zur "Amtshilfe" berufen können, so Stubbe da Luz. Seit ihrer Gründung 1956 sei die Bundeswehr immer wieder "im Innern" eingesetzt worden: Bei Waldbränden, Überschwemmungen, bei der Sprengung von Bunkern "und beim Erntenotstand, wenn es nicht genügend Helfer auf den Feldern gab".

Nicht nur Schmidt selbst, auch die Medien hätten das Bild des kühnen Retters über die Jahre immer weiter ausgemalt. Stubbe da Luz: "Überall war die Bundeswehr im Einsatz - während der 'Herr der Flut', wie ihn der Spiegel getauft hat, noch schlief." Die Fixierung auf den Krisenmanager Schmidt habe zudem den Eindruck vermittelt, dass die Sturmflut nur Hamburg betroffen hätte. Als erstes seien jedoch die Nordsee-Küsten überschwemmt worden, dann Bremen.

Er wolle die tatsächlichen Leistungen Schmidts als Polizeisenator aber nicht unterbewerten, betonte Stubbe da Luz. So habe er der Forderung der Polizei nach Bundeswehrsoldaten Nachdruck verliehen und vor allem "Schwung in die ganze Sache gebracht". Schmidts Rundflug über das flutgeschädigte Wilhelmsburg habe ihm selbst vermutlich keine neuen Erkenntnisse vermittelt, er habe aber den Bürgern das Gefühl vermittelt: "Wir kümmern uns!" Auch habe Schmidt in den Tagen danach entscheidend dazu beigetragen, das Chaos in den Griff zu bekommen.

Stubbe da Luz ist Privatdozent an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr.