Hamburg. Eine Ausstellung in der Bundeswehr-Universität widmet sich der Vergangenheit – und fragt, wie es in der Gegenwart aussieht.

Fünf Katastrophen haben sich ins kollektive Gedächtnis der Stadt eingebrannt: die Vertreibung von 30.000 Menschen während der russischen Belagerung der damals französischen Stadt Hambourg (1813/1814), der Große Brand (1842), die Cholera-Epidemie (1892), der „Feuersturm“ (1943) und die Sturmflut von 1962. Doch wie gut ist Hamburg in Gegenwart und Zukunft vor möglichen Katastrophen geschützt – vor Sturmflut, Explosionen oder schweren Störungen in der Stromversorgung?

Wilhelmsburg wurde von der Sturmflut 1962 am härtesten getroffen
Wilhelmsburg wurde von der Sturmflut 1962 am härtesten getroffen © picture-alliance/ dpa | dpa Picture-Alliance / Lothar Heidtmann

Antworten darauf geben aktuell die Ausstellung „Große Katastrophen in Hamburg“ in der Bundeswehr-Universität mit einem detaillierten Begleitband sowie die Senatsantwort auf eine schriftliche Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Dennis Gladiator. Die Exposition wurde von Innensenator Andy Grote (SPD) eröffnet; Kurator ist der Historiker und Bundeswehr-Privat­dozent Helmut Stubbe da Luz.

Ausgefeilte Einsatzpläne für jedes Szenario

Die Behörden lassen keinen Zweifel: Für jeden möglichen Ernstfall gibt es ausgefeilte Einsatzpläne. Frank Reschreiter, Sprecher der Innenbehörde, sagte dem Abendblatt: „Alle Katas­trophenschutz-Planungen dienen dazu, die Allgemeinheit und Umwelt vor Schäden zu bewahren beziehungsweise die Folgen zu minimieren.“

Wie es in der Senatsantwort heißt, sind für folgende Gefahren und Schadensereignisse „konzeptionelle und organisatorische Vorkehrungen“ getroffen worden: Sturmflut und Hochwasser; Gefahr durch Öl und andere wasser­gefährdende Stoffe; Störfälle in Betrieben mit besonderem Gefahrenpotenzial; Flugunfall; Bahnunfall; Freisetzung von giftigen Gasen; Pandemie; Notfall im Zusammenhang mit kerntechnischen Anlagen. Dazu kommen Pläne für Terroranschläge. Das Abendblatt stellt sechs Katastrophenschutz-Themen vor.


Einsatzkräfte im täglichen Dienst:
Um für alle Fälle gewappnet zu sein, stehen im täglichen Dienst von Feuerwehr und Polizei rund 9000 Vollzugkräfte als Basis zur Gefahrenabwehr bereit, betont Hamburgs Polizei-Vizepräsident Wolfgang Brand in dem gerade veröffentlichten Begleitband zur Ausstellung. Unterstützt würden diese Einsatzkräfte von potenziell rund 5500 ehrenamtlichen Mitarbeitern im Katastrophenschutz.


Industrieunfälle:
Wie Professor Peer Rechenbach von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften unterstreicht, sind im Stadtgebiet 37 Betriebe ansässig, die mit gefährlichen Rohstoffen und Produkten umgehen. Dazu gehören Rohöl, Benzin und toxische Gase. Zudem seien 30 Prozent aller im Hafen umgeschlagenen Waren Gefahrgüter, von denen Brand- und Explosionsgefahren ausgehen. Rechenbach: „Der unerwartete Eintritt eines schwerwiegenden Unglücks kann jederzeit erfolgen.“ Frank Reschreiter, Sprecher der Innenbehörde, sagte dazu, dass sich die Einsatzmaßnahmen nach den jeweiligen betrieblichen Sicherheits- und Gefahrenabwehrplanungen richteten. Außerdem verweist er auf „behördenübergreifende externe Notfallplanungen“.


Blackout:
Welche Folgen ein flächen­deckender Stromausfall („Blackout“) haben könnte, macht Gero Boomgaarden, Geschäftsbereichsleiter der Stromnetz Hamburg GmbH, deutlich. Zwar gebe es in dem 27.000 Kilometer langen Leitungsnetz nahezu täglich begrenzte Ausfälle. Aber ein längerer Stromausfall hätte schlimme Folgen. „Unser Lebenselixier ist Wasser“, sagt Boomgaarden. „Im Falle eines Falles funktioniert auch die Wasserversorgung nicht mehr und als Nächstes kommt die Abwasserentsorgung. Spätestens dann haben wir ein riesiges hygienisches Problem.“ Außerdem könnte es zu Einschränkungen bei der Versorgung mit Benzin und vor allem mit Trinkwasser kommen. In solchen Fällen seien Getränkemärkte schnell leer und schlimmstenfalls geplündert. Nach Senatsangaben sind beim Ausfall der Strom- und Gasversorgung sowie der Telekommunikation mobile Netzersatzanlagen auf Lastkraftwagen sowie eine mobile Wasserversorgung vorgesehen.


Proviant:
Wenn die öffentliche Infrastruktur zusammenbricht, könnte es zur „Unterverproviantierung breiter Bevölkerungskreise“ kommen, warnen die Autoren in dem Ausstellungsband. Der Staat dürfe sich nicht darauf verlassen, dass sich alle Bürger selbst eine Nahrungsmittelreserve zulegen. Vielmehr müsse der Staat das Notvorrätesystem aus der Zeit des Kalten Krieges auf den neuesten Stand bringen. Dass an dieser Stelle noch einiges zu tun und die Verbraucherzentrale von den Behörden zu informieren ist, sagt die Hamburger Verbraucherschützerin Silke Schwartau: „Ich als Mitarbeiterin der Verbraucherzentrale müsste doch manches eigentlich wissen – schließlich sind wir ein staatlich geförderter Verein: Was im Notfall passiert, welche Bevölkerungsgruppen sich wo versorgen können.“

Der Senat verweist in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit der privaten Vorsorge, die der Bund immer wieder angeregt habe. „Einen persönlichen Vorrat an Lebensmitteln anzulegen, dafür gibt es auch in der heutigen Zeit trotz eines im Regelfall sehr zuverlässig funktionierenden Verteilersystems für Lebensmittel gute Gründe“, heißt es auf der Website des Bundes­ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (www.ernaehrungsvorsorge. de). Das dürfte allerdings längst nicht in allen Haushalten der Fall sein.


Sturmflut:
Nach den Erfahrungen von 1962 sehen die Experten die Hansestadt gut gerüstet. „Es ist sehr viel getan worden“, sagt der Ausstellungskurator und Herausgeber Helmut Stubbe da Luz. Allerdings habe es Probleme im Betrieb der Flutschutztore in der HafenCity gegeben. „Beim Sturm ,Herwar‘ haben wohl in der HafenCity private Sicherheitsfirmen geschlafen und versäumt, rechtzeitig die Flutschutztore zuzumachen.“ Die Senatsantwort verweist derweil auf ein „zwischen allen beteiligten Behörden, Ämtern und Institutionen abgestimmtes Einsatzkonzept“.


Schutzräume:
Nach Senatsangaben hält Hamburg für Fälle der „temporären Unterbringung der Bevölkerung“ aus Anlass von Großschadenslagen planerisch 53 Notunterkünfte mit einer Kapazität für 28.000 Menschen bereit. Bei den Notunterkünften handelt es sich vor allem um Schulen und Turnhallen. Die bisherigen Schutzbauten und Bunker seien nicht mehr für den Bevölkerungsschutz geeignet, hieß es. Die Kapazitäten für Notunterkünfte könnten aber im Notfall relativ rasch erweitert werden.

Die Ausstellung „Große Katastrophen in Hamburg­“ ist bis zum 31. Juli in der Bibliothek der Helmut-Schmidt-Universität, Holsten­hofweg 85, zu sehen. Öffnungszeiten: Mo–Do 9–16 Uhr. Fr 9–14 Uhr. Eintritt frei. Weitere Infos: www.hsu-hh.de