Hamburg. Wer bestimmt, in welche Richtung Flugzeuge starten? Der Flughafen legt die Regeln offenbar großzügig aus – aber aus gutem Grund.

Zwei Hamburger Fluglärmbetroffene haben Klage gegen die Stadt Hamburg und die Deutsche Flugsicherung des Bundes (DFS) erhoben. Das teilte die BIG-Fluglärm als Hamburger Dachverband der Bürgerinitiativen gegen den Fluglärm mit. Die Kläger möchten vor dem Hamburger Oberverwaltungsgericht (OVG) durchsetzen, dass die sogenannten Bahnbenutzungsregeln für Starts und Landungen in Fuhlsbüttel eingehalten werden. Hintergrund ist die seit Jahren wachsende Lärmbelastung durch verspätete Flüge zwischen 23 und und 6 Uhr. Das OVG bestätigte den Eingang der Klage.

„Das Verfahren steht noch ganz am Anfang“, sagte Gerichtssprecher Jan Stemplewitz. „Die Stadt und die Flugsicherung sind gerade erst zur Stellungnahme aufgefordert worden.“ Die Bahnbenutzungsregeln legen fest, wann die Piloten welche der beiden Start- bzw. Landebahnen in welcher der vier Richtungen zu nutzen haben und sind auch im dafür verbindlichen Regelwerk, dem Luftfahrthandbuch der DFS, niedergelegt. Demnach sollen Starts in erster Linie Richtung Norderstedt, Landungen aus Richtung Langenhorn erfolgen.

Die dritte Regel besagt, dass späte Landungen zwischen 22 und 7 Uhr über Norderstedt abzuwickeln sind. Und hier scheiden sich die Geister: Die Lärmschützer sehen darin eine verbindliche Vorschrift, der Flughafen eine Kann-Bestimmung beziehungsweise Empfehlung.

Landebahn: Wurde die Ausnahme zur Regel?

Dass Sicherheitserwägungen und Witterungsbedingungen Abweichungen von den Bahnbenutzungsregeln erlauben, ist von beiden Seiten akzeptiert. Allerdings sprechen die Lärmschützer seit Jahren von einen stark ausgeprägten Hang des Flughafens, Wetter und Sicherheitsideen als Vorwände zu nutzen, um die Verteilung von Starts und Landungen nach Belieben zu gestalten. Der Flughafen und die Stadt haben das stets von sich gewiesen.

Allerdings konnten die Lärmschützer und der Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mittlerweile zeigen, dass der Flughafen 2017 die Bahnbenutzungsregeln nur an einigen wenigen Tagen des Jahres eingehalten hat. Die Ausnahme stelle somit die Regel dar.

Das Gericht soll nun die Flugsicherung und die Stadt als Aufsichtsbehörde über den Flughafen dazu verurteilen, die strikte Version der Bahnbenutzungsregeln durchzusetzen und deren Einhaltung zu überwachen. Die beiden Kläger aus dem Kreis der Lärmschützer, einer der beiden ist der Hamburger Rechtsanwalt Benjamin Grimme, hatten dieses Ansinnen zuvor schon bei der Flugsicherung vorgetragen und waren dort abschlägig beschieden worden.

Flughafen: Gelten die Regeln für die Startbahnen?

Die BIG möchte letztendlich die aus dem Jahr 1956 stammende Betriebserlaubnis des Flughafens angreifen und Nachbesserungen, insbesondere auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung, erreichen. Laut BIG ist der Planfeststellungsbeschluss von 1998, der die Flughafenerweiterung erlaubt, fehlerhaft. Denn die Genehmigung von 1998 gehe davon aus, dass die Bahnbenutzungsregeln Teil der alten Betriebserlaubnis für Fuhlsbüttel seien.

Diese Annahme habe sich aber als falsch herausgestellt, weil die Stadt auf Nachfrage nicht sagen konnte, wo und wie sie die Bahnbenutzungsregeln zum Teil der Genehmigung erklärt habe. Folglich müsse der Planfeststellungsbeschluss um diese Angaben ergänzt werden. Ein Ziel der Klage vor dem OVG ist es demnach, das Planfeststellungsverfahren wieder aufzunehmen und die Bahnbenutzungsregeln förmlich und mit öffentlicher Beteiligung als Teil der Betriebsgenehmigung zu erlassen, sodass anschließend auf ihre Einhaltung gepocht werden könne.

Die Stadt geht davon aus, dass die Bahnbenutzungsregeln in der jeweils gültigen Fassung Bestandteil der Betriebsgenehmigung sind und sieht daher keinen Nachbesserungsbedarf. Außerdem ordne sich die Bahnbenutzung in erster Linie Sicherheitserwägungen unter und folge erst in zweiter Linie Überlegungen des Lärmschutzes. „Die Bahnbenutzungsregeln können also – anders als das Wort ‘-regeln’ vermuten lässt – in der Realität nur selten angewendet werden“ sagte die Sprecherin der Wirtschaftsbehörde, Susanne Meinecke.