Hamburg. Frauen als Führungskräfte in der Männerdomäne Galopprennsport sind ungewöhnlich. In Hamburg stehen sie für große Veränderungen.
Als hätten sie sich abgesprochen, haben beide einen leichten Mintton in der Kleidung. Ilona Vollmers (68) in ihrem schicken Wolljacket, Catharina Wind (28) in der lässigen Sommerhose. Als sie sich sehen, ist das Gelächter groß. Die 40 Jahre Altersunterschied zwischen der Schatzmeisterin im Vorstand des Hamburger Renn-Clubs und der ersten Vorsitzenden des sogenannten Jungen Vorstands ist kein Thema. Im Gegenteil. „Wir profitieren voneinander“, sagt Wind. „Junge Menschen wie ihr seid unendlich wichtig“, bestätigt Vollmers.
Frau Vollmers, Frau Wind, Frauen und Pferde sind ein Klischee. Aber Frauen in der Männerdomäne Galopprennsport und dann noch als Führungskräfte ist außergewöhnlich. Wie haben Sie das geschafft?
Catharina Wind: Vielleicht, weil ich kein Pferdemädchen bin. Ich habe zwar als Kind in den Ferien mal auf einem Haflinger gesessen, aber so ein gehendes Sofa zu bewegen, kann ja jeder. Ich habe das dann nicht weiter vertieft. Aber ich mag den Kontakt zu Pferden.
Ihr Vater Peter arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Rennarzt. Eine Infektion?
Wind: Ich bin quasi auf der Rennbahn aufgewachsen. Habe hier während meines Masterstudiums als Hostess gejobbt. Meine Schwester macht das immer noch. Und auch meine Mutter engagiert sich.
Ilona Vollmers: Ich habe reiten gelernt, als ich noch in Essen als Kauffrau lebte und arbeitete. Aber dann bin ich mit 28 Jahren nach Hamburg gezogen und habe meinen Mann kennengelernt. Der war leidenschaftlicher Hochseesegler. Also habe auch ich Segelscheine gemacht und das Reiten sein gelassen.
Das reicht als Qualifikation...?
Vollmers: Ich bin noch in der Generation groß geworden, als es hieß, dein Bruder muss mal eine Familie ernähren. Also studierte er Ingenieurwissenschaften, und ich machte eine kaufmännische Lehre, lernte nebenbei Sprachen. Als meine Firma einen Verkäufer für Verpackungsmaschinen suchte, habe ich gesagt, ich mache das! Eine Palastrevolution! Das trauen Sie sich zu, hieß es ungläubig. Na klar, habe ich geantwortet. Allerdings war ich mit diesem Selbstbewusstsein eine Generation zu früh. Man hat es mir nicht leicht gemacht. Aber solche Erfahrungen machen stark, und das braucht man als Frau, wenn man sich unter Männern durchsetzen will.
Wind: Das kann ich gar nicht nachvollziehen. In meiner Generation ist es selbstverständlich, dass wir Frauen arbeiten, worauf wir Lust haben. Und Konkurrenz zu den Männern gibt es, aber nicht im Sinne von Geschlechterkampf. Das ist genauso ein unschönes Wort wie gläserne Decke. Gleichberechtigung ist selbstverständlich.
Vollmers: Catharina, ich hoffe, dir bleiben deine guten Erfahrungen erhalten, wenn du mal eine Familie gründen willst. In Deutschland ist es immer noch schwierig, Kinder und Karriere zu vereinbaren.
Wind: Da habe ich keine Bedenken. Viele meiner Freunde und Bekannten wollen auch etwas von ihrer Familie haben. Notfalls bleiben die Männer zu Hause bei den Kindern, und die Frau arbeitet. Wir haben alle Möglichkeiten.
Dennoch sind Frauen im Galoppsport auch als Reiterinnen eher die Ausnahme. Warum? An der Kraft kann es eigentlich nicht liegen. Jockeys sind in der Regel kleine Männer mit geringem Gewicht...?
Vollmers: Der Jockeyberuf ist ein Knochenjob. Kaum Freizeit, unsichere Familienplanung. Außerdem ist es schwierig, Pferdebesitzer und Trainer davon zu überzeugen, dass eine Frau im Sattel Erfolg bringt.
Wind: Ja, es ist ein männlicher Sport. Aber es gibt so viele Frauen im Hintergrund, die verdammt gute Arbeit leisten. So mancher Jockey oder Trainer könnte seinen Beruf nicht ausüben, wenn die Frauen ihnen nicht zur Seite stehen würden.
Und wie ist es, als junge Frau mit den wesentlich älteren Männern im Vorstand zusammen zu arbeiten? Werden Sie mit ihren Vorstandskolleginnen ernst genommen?
Wind: Natürlich! Wir sind drei Frauen und drei Männer. Ganz ehrlich, wir Mädels machen ganz schön viel Wind. Unter anderem haben wir für einen neuen Anstrich und schöne Deko im Mitgliederbereich gesorgt. Und Albert Darboven zum Beispiel ist mit 82 Jahren unglaublich kreativ. Es macht total viel Spaß, mit ihm Dinge zu entwickeln.
Grundsätzlich ist der Galoppsport in Deutschland in der Krise. Der Hamburger Renn-Club erwirtschaftete 2017 ein Minus von 95.000 Euro. Insgesamt verbuchen die 20 deutschen Rennclubs pro Jahr fünf Millionen Verlust. Was ist zu tun?
Vollmers: Das Wettgeschäft ist durch das Internet eingebrochen und nicht mehr rückgängig zu machen. Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen, leben von einem Derby-Meeting, das nur eine Woche lang läuft. Um es durchzuführen, muss die gesamte Struktur, also Zelte, die Begrenzungen für die beiden Grasbahnen jedes Mal neu aufgebaut werden. Wir beschäftigen dann bis zu 200 Mitarbeiter. Ich spreche von einem Investment von 3,8 Millionen Euro. Zwei Millionen Euro fließen in den Rennsport und in die Besitzerprämien. 1,8 Millionen Euro in die Wirtschaft. Das muss man erst einmal gegenfinanzieren.
Galopp ist eine Randsportart, was die Sponsorensuche schwierig macht. TV-Gelder wie im Fußball fließen ebenfalls nicht.
Vollmers: Ja, der Fußball, davon können wir nur träumen. Schlimmer noch: Die Bilder der Rennen müssen wir selbst herstellen, um sie verkaufen zu können. Immerhin unterbricht am Derby-Sonntag die ARD die Übertragung von der Tour de France, um das wichtigste, deutsche Rennen zu zeigen. Darüber sind wir sehr froh.
Wind: Wir vom Jungen Vorstand bringen uns ebenfalls ein. Wir laden junge Gründer ein, in unserem Arbeitskreis mitzuhelfen. Der Foodtruck-Bereich auf dem Gelände während des Derbys ist unsere Idee. Und wir haben zehn Partner an der Hand, da fließt zwar kein Geld, aber Waren und Dienstleistungen.
Wetten Sie?
Wind: Natürlich. Meinem Budget angepasst. Das gehört unbedingt dazu. Wetten sind wichtig für den Renn-Club. Mit den Erlösen daraus steht und fällt alles.
In Deutschland haben Wetten ein Image-Problem. Jedenfalls auf der Rennbahn.
Vollmers: Eine Galopp-Rennveranstaltung ist eine Gratwanderung zwischen Volksfest und sportlicher Leistungsschau. Auf Pferderennen zu wetten, hat eine lange Tradition. In Amerika, Asien, Frankreich und England boomt der Sport. Hierzulande ist es schwieriger geworden. Alle Einsätze gehen in die Totalisatoren. Die Gewinne werden korrekt ausgeschüttet. Ich kann daran nichts Schlechtes sehen.
Das Hamburger-Derby-Meeting hat dennoch Akzeptanz-Probleme. Die Besucherzahlen gehen zurück. Einst gehörte es zum guten gesellschaftlichen Ton, in Horn gesehen zu werden. Das scheint nicht mehr so wichtig zu sein.
Wind: Ich sehe das anders. Vielen jungen Leuten, die ich kenne, macht es Spaß, einmal im Jahr auf die Rennbahn zu gehen und ein bisschen zu wetten. Mit unserem Young Turf Day am nächsten Donnerstag haben wir sogar ein eigenes Rennen auf die Beine gestellt und locken mit niedrigen Eintrittspreisen. Ich glaube, das ist der richtige Weg, um neue Zielgruppen zu erschließen.
Vollmers: Auch ich sehe, dass beispielsweise unser traditioneller Hut-Wettbewerb am übernächsten Sonntag viele Anhängerinnen hat. Die Frauen ziehen sich schick an. Und der eine oder andere Prominente gehört nach wie vor zu den Stamm-Besuchern. Außerdem ist die Veranstaltung ein Katalysator. Hier wird zwar nicht das große Geld verdient, aber wir schaffen Mehrwert für den Stadtteil, sogar für die ganze Hansestadt. Unser Gelände ist eine grüne Lunge, kann auch außerhalb des Derbys genutzt werden. Die Horner Nachbarschaft gehört nicht umsonst zu unseren treuen Besuchern.
Wind: Ilona, das hast du wunderbar formuliert. Wir vom Jungen Vorstand freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit euch. Das Schöne an diesem Ehrenamt ist das familiäre Miteinander. Es ist zusätzliche Motivation.