Hamburg. Der Deutsche Aktienindex hat jüngst kräftig verloren. Ist nur Donald Trumps Zollpolitik schuld? Und wie geht es jetzt weiter?
Kurz vor seinem Geburtstag hat es den Deutschen Aktienindex (DAX), der am Sonntag 30 Jahre alt wird, noch einmal kräftig durchgerüttelt: Innerhalb von zwei Wochen ist das Börsenbarometer um mehr als 900 Punkte beziehungsweise um gut sieben Prozent abgerutscht – und das, nachdem der Index gerade die Marke von 13.000 Punkten wieder hinter sich gelassen hatte.
Nachdem der DAX zuvor sechs Jahre lang in Folge zulegen konnte, musste er im ersten Halbjahr nun ein Minus von fast sechs Prozent hinnehmen. Angesichts der aktuellen Turbulenzen am Markt hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Aktienkursen.
Warum sind die Kurse abgestürzt?
„Vordergründig liegt es an Donald Trump“, sagt dazu Christian Jasperneite, Chef-Anlagestratege des Hamburger Privatbankhauses M.M. Warburg & CO. Die Verhängung von Strafzöllen durch den US-Präsidenten auf einzelne Produkte sei von manchen Anlegern zum Anlass für Verkäufe genommen worden. „Eine Art Herdentrieb“ habe anschließend immer mehr Investoren gedrängt, es ihren Kollegen gleichzutun.
Dabei seien etliche Titel jedoch „sehr unreflektiert abgestraft“ worden, findet Jasperneite: „Wir fragen uns, ob es wirklich gerechtfertigt ist, wenn manche Unternehmen jetzt um bis zu 20 Prozent an Wert verlieren, obwohl gar nicht klar ist, wie stark sie überhaupt von Importzöllen betroffen sein werden.“ Dies gelte etwa für den Autozulieferer Continental.
Nach Einschätzung von Jasperneite dürfte für den Rücksetzer im DAX auch die Tatsache, dass sich Europa zuletzt konjunkturell schlechter entwickelt habe als die USA, eine Rolle spielen. Auch Bernd Schimmer, Chef-Investmentstratege der Haspa, hält die Trump-Begründung für „mindestens teilweise vorgeschoben“. Zusätzlich habe die „innenpolitische Zuspitzung in Deutschland“, also die Meinungsverschiedenheiten der beiden Unionsparteien über die Flüchtlingspolitik, für Verunsicherung am Markt gesorgt.
Welche Aktien fallen besonders auf?
Wie nicht anders zu erwarten, gehören im DAX die exportorientierten Auto-
Titel Daimler und Volkswagen mit Kursrückgängen von rund zehn Prozent zu den größten Verlierern der beiden zurückliegenden Wochen. Noch stärker aber geriet die Commerzbank-Aktie mit einem Minus von etwa 15 Prozent unter Druck. Die Anleger trennten sich derzeit von Risiken, und die würden nach wie vor bei den Geldhäusern gesehen, hieß es dazu von Börsenhändlern.
Entgegen der allgemeinen Tendenz konnten Anteilsscheine des Wohnungs-Investors Vonovia zulegen – der Trump-Effekt wirkt sich auf das Unternehmen, dessen Geschäftsmodell sich auf Deutschland fokussiert, nicht aus. Doch auch ein international tätiger Konzern wie der Industriegase-Anbieter Linde konnte sich dem Abwärtstrend fast vollständig entziehen. Die Wiesbadener Firma arbeitet gerade an einer Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair.
Wie haben sich die Hamburger Werte zuletzt geschlagen?
In den vergangenen zwei Wochen konnte sich der Haspax mit einem Rückgang von weniger als vier Prozent wesentlich besser halten als der DAX. Allerdings ging es für einzelne Hamburger Titel dafür besonders heftig abwärts. So gab die traditionell schwankungsanfällige Aktie des Windenergieanlagenbauers Nordex um rund 20 Prozent nach. Nach der Veröffentlichung von Halbjahreszahlen am Donnerstag gehören auch die Titel der Optiker-Kette Fielmann mit einem Minus von 17 Prozent zu den stärksten Verlierern der vergangenen Wochen.
Wie auch im DAX konnte ein Papier aus der Wohnungswirtschaft im gleichen Zeitraum aber sogar Kursgewinne verbuchen. Die Aktie der TAG Immobilien kam um drei Prozent voran.
Wie geht es weiter?
Vor allem die sogenannten Charttechniker unter den Analysten erwarten für die nächsten Wochen eine Fortsetzung der Abwärtstendenz. Einige dieser Experten sehen die nächste „Haltezone“ erst im Bereich von etwa 11.700 bis 11.800 Zählern.
Auf etwas längere Sicht jedoch sind die Wertpapierspezialisten bei Hamburger Banken jedoch weiter relativ optimistisch gestimmt. Selbst die HSH Nordbank, die ihre Markteinschätzung wegen der „Befürchtung eines eskalierenden Handelskonflikts“ zurückgeschraubt hat, traut dem DAX zum Jahresende immerhin noch 12.700 Punkte zu. Schimmer hingegen geht davon aus, dass sich der Konflikt im weiteren Jahresverlauf entschärfen wird, „weil niemand damit etwas gewinnen kann.“ Dies werde selbst Trump einsehen, auch wenn noch nicht abzusehen sei, wie lange es bis dahin dauern werde. Aufgrund von Faktoren wie dem Rückenwind für europäische Unternehmen durch den vergleichsweise schwachen Euro-Kurs halten die Haspa-Analysten sogar einen DAX-Endstand von 14.000 Punkten weiter für angemessen.
Soll man jetzt einsteigen – und welche Titel lohnen sich?
„An Aktienanlagen führt in der Nullzinsphase kaum ein Weg vorbei“, sagt Schimmer. Für Privatinvestoren sei dabei ein Einstieg über Aktienfonds sinnvoll: „Es empfiehlt sich, monatlich zu kaufen, und das sehr langfristig. So kann man Schwankungen besser ausgleichen und einen insgesamt guten Einstiegskurs erzielen.“ Auch Jasperneite rät zu einer breiten Streuung durch den Kauf von Indexfonds auf den EuroStoxx 50 oder den DAX. Derzeit sei es schwer, bestimmte Branchen herauszupicken. Tendenziell könnten aber Titel aus den Sektoren Energie und Grundstoffe aussichtsreich sein.
Wenn der Aktienmarkt tatsächlich in den nächsten Wochen weiter nachgeben sollte, sieht Torsten Johannsen, Direktor der Otto M. Schröder Bank, Kaufgelegenheiten bei einer Reihe von Titeln. Er nennt unter anderem die Deutsche Post und die Lufthansa, aber auch Pharmawerte wie Merck und die schweizerische Roche.
Gibt es eigentlich renditestarke Alternativen zur Aktienbörse?
„Solche Alternativen sind immer seltener geworden“, sagt Schimmer. Allenfalls könne man „dosiert“ Anleihen aus dem Dollarraum oder aus Rohstoffländern wie Australien kaufen. Auch Garantieanleihen, bei denen der Investor einen Bonus bei bestimmten Indexständen einstreicht, kämen in Frage. „Das ist aber schon sehr speziell – da muss man genau wissen, was man tut“, so Schimmer. Nach Einschätzung von Johannsen sind mit Unternehmensanleihen in Dollar Renditen von rund 2,5 bis 4,0 Prozent drin, sofern man bereit sei, das Währungsrisiko zu akzeptieren.
Wie hat sich der Aktienmarkt längerfristig entwickelt?
„Der DAX ist eine Erfolgsgeschichte“, sagt Schimmer zum 30. Geburtstag des Börsenbarometers. So hätten Anleger von Dezember 1994 bis Dezember 2017 mit Aktien auf den DAX eine durchschnittliche Rendite von 8,2 Prozent pro Jahr erzielt. „Das eingesetzte Geld hat sich also in diesem Zeitraum trotz temporärem Auf und Ab nahezu versechsfacht“, so der Haspa-Anlagestratege. „Leider nehmen immer noch die wenigsten Sparer hierzulande an der Wertentwicklung teil.“
Das dürfte auch so bleiben: Nur vier Prozent der Deutschen planen, in den nächsten drei bis vier Monaten in deutsche Aktien oder Fonds zu investieren, wie eine repräsentative Umfrage von Kantar Emnid im Auftrag der Fondsgesellschaft Fidelity International ergab.