Hamburg. Hamburger Unternehmen hat große Pläne mit erfolgreichem Mode-Start-up und kommt Umsatzziel von 17 Milliarden Euro näher.
Man liegt sicher nicht falsch, Alexander Birken einen überlegten und kontrollierten Menschen zu nennen. Aber wenn es um die Mode-Plattform About you geht, bekommt der Vorstandschef der Otto Group schon mal leuchtende Augen. Rasante Wachstumszahlen, erfolgreiche Positionierung in der jungen Zielgruppe und weitere Expansionspläne ins europäische Ausland – das bereitet dem Lenker des Handels- und Dienstleistungskonzerns sichtbar Freude. In der Hamburger Zentrale wird das Start-up gerne als „Shootingstar“ gefeiert. Im vergangenen Jahr verdoppelte die Otto-Tochter mit 2,5 Millionen Kunden den Umsatz auf 283 Millionen Euro und gehört zu den Wachstumstreibern der Gruppe im abgelaufenen Geschäftsjahr.
Und das soll so weitergehen. Mittelfristig will Otto den Onlinehändler an die Börse bringen. Dafür soll der 2013 gegründete Textilhändler das Umsatzziel von einer Milliarde Euro erreicht haben und die roten Zahlen hinter sich gelassen haben. „Das kann in drei bis vier Jahren soweit sein“, sagte Finanzvorständin Petra Scharner-Wolff bei der Präsentation der Bilanz 2017/18. Aktuell ist die Gruppe auf der Suche nach einem externen Investor. „Der Prozess befindet sich in einem sehr fortgeschrittenen Stadium“, so die Managerin. Sie rechne bis Ende Juni mit einem Abschluss. Details wollte sie wegen der laufenden Verhandlungen nicht nennen.
Otto Group hält 68 Prozent
Allerdings machte sie erstmals deutlich, dass die Konzernmutter möglicherweise nicht Mehrheitseigner bleibt. Die Otto Group hält derzeit 68 Prozent. „Es ist denkbar, dass wir mit dem Anteil dann unter 50 Prozent sind.“ Erst kürzlich war Mitgründer Benjamin Otto, Sohn von Mehrheitseigner und Aufsichtsratschef Michael Otto, mit seiner Gesellschaft für Handelsbeteiligungen mit 25 Prozent eingestiegen. Weitere 4,5 Prozent liegen bei der ProSieben-Tochter Seven Ventures und dem Investor German Media Pool. Das Management um Mitgründer Tarek Müller hält 2,5 Prozent.
About you gehört wie die Witt-Gruppe, die mit Mode für die Zielgruppe 50+ stark zulegte, zu den sogenannten Fokus-Gesellschaften der Otto Group, die in der Wachstumsstrategie der Hamburger eine entscheidende Rolle spielen. Bis 2022 strebt die Gruppe mit weltweit 123 Unternehmen, darunter der Paketdienst Hermes und der Finanzdienstleister EOS, Erlöse von 17 Milliarden Euro an. In diesem Jahr lag der Gesamtumsatz bei 13,7 Milliarden Euro, im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 6,7 Prozent.
Größter Onlinehändler in Deutschland
„Wir sind weiter gekommen, als wir uns vorgenommen haben“, sagte Vorstandschef Alexander Birken, der seit Anfang 2017 im Amt ist. Auch die Gewinne stiegen nach der Krise und den harten Umbaumaßnahmen der vergangenen Jahre erstmals wieder deutlich. Das Ergebnis vor Steuern (Ebit) wuchs um knapp elf Prozent auf 405 Millionen Euro. Der Jahresüberschuss liegt bei 519 Millionen Euro, nach 41 Millionen Euro im Jahr 2016/17. Das Geschäftsjahr der Hamburger endet traditionell am 28. Februar.
Otto ist nach Amazon in Deutschland der größte Onlinehändler in Deutschland und gehört auch international zur Spitzengruppe. Das 1949 gegründete Unternehmen, das mit dem Kataloghandel groß wurde, erwirtschaftet inzwischen mit 7,9 Milliarden Euro deutlich mehr als die Hälfte des Gruppenumsatzes über E-Commerce. Die wichtige Otto-Einzelgesellschaft hat sich vom Versandhändler zu einem Internet-Technologieunternehmen mit knapp drei Millionen Artikeln und 6,5 Millionen Kunden entwickelt. Dabei, betont Otto-Group-Chef Birken, gehe es nicht darum, Branchenprimus Amazon zu kopieren. „Wir suchen unseren eigenen Weg.“ So setze Otto auf persönlichen Service und Beratung, Umweltverträglichkeit und „verantwortungsvoll hergestellte Produkte“.
Beschäftigtenzahlen steigen
Aus Sicht von Birken wird „das Thema Digitalisierung in Deutschland unterschätzt“. Die Otto-Gruppe ist seit zehn Jahren in der Start-up-Szene aktiv, hält Beteiligungen an 250 Firmen und bekommt so Zugange zu Know-how und Mitarbeitern. Schlüsselfaktor für die Transformation sei ein Wandel der Unternehmenskultur. Otto setzt auf offene Büros, hat das Du für alle eingeführt und fördert die Kommunikation im Unternehmen mit einer eigenen App. „Wir werden als Pionier gesehen“, so Birken. Inzwischen gebe es 50 Anfragen zum Kulturwandel bei Otto von anderen Unternehmen.
Das Wachstum des Konzerns zeigt sich auch an den Beschäftigtenzahlen. Weltweit arbeiten heute 2000 Menschen mehr bei Otto als vor einem Jahr. In Deutschland stieg die Zahl um 1500 auf 28.100, am Stammsitz Hamburg sind es 9260 (plus 700). „Wir stellen laufend ein, vor allem im Technikbereich“, sagte Vorstandsmitglied Petra Scharner-Wolff, die auch für den Personalbereich zuständig ist. Aktuell sind in der Gruppe etwa 400 Stellen nicht besetzt.
Strategie weiterverfolgen
Im laufenden Geschäftsjahr will die Gruppe die eingeschlagene Strategie weiterverfolgen. Investitionen von 300 Millionen Euro sind geplant, allein für otto.de stehen 100 Millionen Euro bereit. Birken erwartet ein anhaltendes Umsatzwachstum von etwa fünf Prozent. Zudem sollen bei Firmen, die in diesem Jahr hinter den Umsatzerwartungen blieben, Veränderungen greifen. Beispiele sind die Marke Bonprix, die zuletzt mit Warenbeschaffungsproblemen kämpfte. Auch bei der angeschlagenen Sportkette Sportscheck geht der Umbau weiter. Filialen wurden geschlossen, der Onlinehandel wurde ausgebaut. Trotzdem schreibt das Unternehmen rote Zahlen. „Aber die Verluste konnten bereits reduziert werden“, sagte Birken.