Hamburg . Zusätzliche Klausuren und Online-Schulungen für Lehrer sind nur ein Teil der Maßnahmen, die Senator Rabe vorgestellt hat.
Es gibt nichts zu beschönigen: In Rechtschreibung liegen Hamburgs Schüler nach wie vor weit hinten, wie Ties Rabe (SPD) am Dienstag im Rathaus erklärte. Früher noch „ganz furchtbar schlecht“, seien die Ergebnisse jetzt „nur noch schlecht“, sagte der Schulsenator. „Aber es wäre gut, wenn wir mittelmäßig wären.“
Dass Mittelmaß zu einem Ziel erklärt wird, ist in der Politik nicht unbedingt die Regel. Es erklärt sich hier aber damit, dass Hamburg 2016 im Vergleich der 16 Bundesländer bei den Rechtschreibleistungen der Neuntklässler auf Platz 14 kam – und sich dadurch immerhin um einen Platz verbesserte gegenüber der Vorgängerstudie im Jahr 2013. Auch in den Grundschulen der Hansestadt bleibt noch viel zu tun: Mehr als 27 Prozent der Viertklässler erreichen nicht den Mindeststandard in Rechtschreibung.
Nun deutet nichts darauf hin, dass Hamburger Schüler weniger schlau sein könnten als Gleichaltrige in Bayern. Es liegt im Kern wohl an der Vermittlung. Der Deutschunterricht in den Bundesländern habe „unterschiedliche Kulturen und Schwerpunkte herausgebildet“, sagte Ties Rabe. „Es mag sein, dass wir in der Vergangenheit dem Thema Rechtschreibung nicht die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet haben wie andere Bundesländer.“
"Rechtschreibung ist eine Schlüsselkompetenz"
Die von ihm am Dienstag vorgestellten Maßnahmen will Rabe deshalb als deutliches Zeichen verstanden wissen, dass Orthografie künftig einen „deutlich höheren Stellenwert“ im Deutschunterricht an Hamburgs Schulen haben soll. „Rechtschreibung ist eine Schlüsselkompetenz“, sagte er. „Ich appelliere auch an Hamburgs Lehrkräfte, diesen Bereich mit großem Ernst und Nachdruck zu unterrichten.“
Leitartikel: Richtig schreiben lernen!
In einem Musterlehrplan und einem detaillierten didaktischen Plan für Grundschulen wird Rabe zufolge nun erstmals sehr genau beschrieben, welche „Rechtschreibphänomene“ – etwa Groß- und Kleinschreibung und Getrennt- und Zusammenschreibung – künftig in welchen Klassenstufen und Zeitabschnitten unterrichtet werden müssen. Für Rechtschreibaufgaben sollen die Lehrer von der Behörde jahrgangsbezogene Beispiele erhalten.
Grundschulen sollen künftig mindestens ein Sechstel aller Deutschstunden für reinen Rechtschreibunterricht einsetzen. Für das Schreiben von Texten sollen sie mindestens ein weiteres Sechstel einplanen. Bisher war nicht genau geregelt, wie viele Deutschstunden dafür vorgesehen sein sollen. Mit der neuen Regelung orientiere sich Hamburg an anderen Bundesländern mit guten Rechtschreibleistungen wie Sachsen, sagte der Senator.
Online-Fortbildungen für Lehrer geplant
Alle Schüler der Klassen 3 bis 8 sollen künftig pro Jahr sechs statt vier Deutsch-Klassenarbeiten schreiben. In den beiden zusätzlichen Klausuren soll es nur um Rechtschreibung gehen. Eine erste Rechtschreibklausur soll bereits in der zweiten Jahreshälfte der zweiten Klasse geschrieben werden. Nach Angaben der Schulbehörde war die Zahl der Klassenarbeiten in Deutsch 2007 in Hamburg auf vier pro Schuljahr reduziert worden. In den Jahren davor seien acht Klausuren vorgesehen gewesen, bis 2003 sogar zwölf Klassenarbeiten.
Die bisher zur Rechtschreibdiagnose eingesetzte Software „Hamburger Schreibprobe“ werde durch die verbesserte Version „Schnabel“ ersetzt, sagte Rabe. „Die bisherige Schreibprobe verwendete immer dieselben Wörter und wurde von den Schülern nach kurzer Zeit auswendig gelernt.“ Das neue Programm biete eine größere Vielfalt von Aufgaben. Zudem übernehme die Software die Auswertung der Tests.
Ab der dritten Klasse müssen Schüler künftig ihre Rechtschreibfehler in allen Deutschklausuren korrigieren – ein Blick auf korrigierte Arbeiten soll künftig nicht mehr genügen. Schüler, die sehr viele Fehler machen, sollen künftig von den Lehrern besondere Schreibübungen bekommen, die während des regulären Unterrichts zu bearbeiten sind. In allen anderen Fächern sollen Lehrer bei gehäuften Fehlern Aufgaben zu „individuellen Fehlerschwerpunkten“ erteilen.
AfD sieht Schuld bei Migrationshintergrund
Kritik übte die Fraktionschefin der Linken, Sabine Boeddinghaus. „Sichere Rechtschreibung und vertiefendes Arbeiten an und mit Texten sind wichtig“, sagte sie. Aber: „Die Fokussierung auf zum Beispiel noch mehr Schreibkontrollen – sprich Arbeiten – ist eher kontraproduktiv, weil sie die neurowissenschaftliche Erkenntnis darüber total ausblendet, dass viele Wege zum Lernerfolg führen.“
FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein begrüßte, dass „endlich eine Korrekturpflicht eingeführt wird“. Einige zentrale Probleme blieben aber bestehen. „Das Verbot der fragwürdigen Methode ‚Schreiben nach Gehör‘ muss auch praktisch umgesetzt werden“, sagte sie.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Wolf sagte: „Der wesentliche Grund dafür, dass so viele Schüler die deutsche Sprache nur mangelhaft beherrschen, bleibt außen vor: der hohe Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund.“ Die AfD fordere deshalb, Kinder aus Einwandererfamilien erst in die Regelklassen einzugliedern, wenn sie eine mündliche und schriftliche Sprachprüfung bestanden haben.