Hamburg macht die Orthografie endlich zum Schwerpunkt in der Grundschule

Mehr als jeder vierte Hamburger Schüler erreicht am Ende der Grundschulzeit nicht den Mindeststandard in der Rechtschreibung. Wenn die Note in Orthografie extra ausgewiesen wird, wäre das eine Fünf oder Sechs. Und es wird später nicht wirklich besser: Hamburg lag 2016 im Vergleich der 16 Bundesländer bei den Rechtschreibleistungen der Neuntklässler auf Platz 14. Immerhin einen Platz haben die Hamburger gegenüber der Vorgängerstudie 2013 gutgemacht.

Peter Ulrich Meyer leitet das Ressort Landespolitik des Hamburger Abendblattes
Peter Ulrich Meyer leitet das Ressort Landespolitik des Hamburger Abendblattes © HA | Andreas Laible

Kurzum: Neben dem Leidensfach Mathematik ist die Rechtschreibung die zweite große Baustelle der hiesigen Schulpolitik. Korrekt und sicher schreiben zu können ist auch in Zeiten fortschreitender Digitalisierung eine unerlässliche Kulturtechnik. Die Orthografie zählt zu Recht nach wie vor zum Basiswissen der Wissensgesellschaft.

Richtiges Schreiben eröffnet Chancen im Beruf. Wer ein vor Fehlern strotzendes Bewerbungsschreiben abschickt, weil er vielleicht gar nicht ahnt, was er da fabriziert hat, schließt sich aus. Und umgekehrt: Wer zum Beispiel die Groß- und Kleinschreibung sicher beherrscht, sich mit der Kommasetzung gut auskennt, der versteht auch Texte leichter oder erst richtig.

Lange, man muss es so deutlich sagen, ist der Rechtschreibmisere nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt worden, und das ist der eigentliche Skandal. Das gilt übrigens nicht nur für die Schule, sondern auch weit darüber hinaus. Die Rechtschreibung stand beinahe ein wenig unter dem Verdacht der Spießigkeit. Das ist eine völlig falsche Herangehensweise.

Es spricht jedenfalls nichts dafür, dass die Hamburger Schüler weniger schlau sind als die Gleichaltrigen in Sachsen oder Bayern und deswegen hinterherhinken. Es liegt also an der Art der Vermittlung des Stoffs und wohl auch am Stellenwert, den die Rechtschreibung im Unterricht einnimmt. Hinzu kommt, dass in Städten wie Hamburg der Anteil der Schüler, deren Muttersprache nicht Deutsch ist und die auch der Rechtschreibung des Deutschen mit größerer Distanz begegnen, deutlich höher ist als in Flächenländern. Ein Grund mehr, die Orthografie zum Schwerpunkt zu machen.

Das Hamburger Bildungssystem lässt den einzelnen Schulen und ihren Lehrern relativ viel Spielraum bei der Unterrichtsplanung und -gestaltung. Die Vielfalt der Methoden hat sich in der Orthografie – jedenfalls am Ergebnis gemessen – nicht ausgezahlt. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) versucht es jetzt mit einem Kraftakt von oben. Ein Musterlehrplan Rechtschreibung schreibt den Grundschulen vom nächsten Schuljahr an sehr genau vor, was im Unterricht wann und wie intensiv behandelt werden soll.

Mehr noch: Mindestens jede sechste Deutschstunde soll für den Rechtschreibunterricht genutzt werden. Von Klasse drei bis acht wird die Zahl der jährlichen Deutscharbeiten von vier auf sechs erhöht. Die beiden zusätzlichen Leistungstests sollen sich ausschließlich mit der Orthografie befassen. Manches klingt nach einer puren Selbstverständlichkeit, ist es aber augenscheinlich nicht: So sollen die Schüler Rechtschreibfehler in ihren Klassenarbeiten in Zukunft korrigieren.

Die insgesamt richtigen Maßnahmen, die den Einsatz von Computerprogrammen einschließen, lassen sich in wenigen Worten auf ein klassisches, durchaus erfolgreiches pädagogisches Prinzip verkürzen: mehr üben und wiederholen! Funktionieren kann das alles nur, wenn die Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen auch mitziehen.