Hamburg. Umweltschützer setzen Senat Zwei-Wochen-Frist. Die bisherigen Durchfahrtsverbote für ältere Diesel reichten nicht aus.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat den Senat in einem Antrag aufgefordert, den Luftreinhalteplan zu überarbeiten und die Dieselfahrverbote deutlich auszuweiten. Falls der Senat bis zum 6. Juli dazu nicht seine Bereitschaft signalisiere, werde der BUND gegen den aktuellen Luftreinhalteplan der Stadt klagen, kündigte der Hamburger Landesgeschäftsführer Manfred Braasch am Donnerstagmittag an.
Die beiden Durchfahrtsverbote für ältere Diesel an der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße reichen dem BUND Hamburg nicht aus. „Die Belastung vieler Hamburger ist weiterhin deutlich zu hoch. Die Stadt muss umgehend großflächige Durchfahrverbote für Dieselfahrzeuge prüfen und ausweisen“, so Braasch. „Die Stadt kann anders die Einhaltung der Grenzwerte bis spätestens 2020 zum Beispiel an der Habichtstraße nicht sicherstellen.“
Habichtstraße trotz Belastung ohne Verbot
Hintergrund: Obwohl die Habichtstraße zu den am stärksten durch giftige Stickoxide (NOx) aus Dieselmotoren belasteten Straßen in Europa gehört, hat der Senat ausgerechnet dort keine Durchfahrtsbeschränkungen erlassen. Begründet wird dies damit, dass die Straße als Teil des Rings 2 zu wichtig für den Verkehr sei, man diesen nicht in die Wohngebiete verdrängen und die parallele Krausestraße nicht stärker belasten will, die für den Radverkehr ausgebaut wird. Es gibt aber auch andere Straßen, in denen der Senat Durchfahrtsbeschränkungen geprüft, aber dann mit Blick auf eine aus seiner Sicht fehlende Verhältnismäßigkeit wieder verworfen hat.
Rund um die Habichtstraße müsse ein ganze Zone eingereichtet werden, durch die ältere Dieselfahrzeuge nicht mehr fahren dürften, fordert der BUND in seinem Antrag an den Senat. Gleiches gelte auch für die Straßenzüge Högerdamm, Spaldingstraße und Nordkanalstraße.
Juristisch begründet der BUND die mögliche Klage damit, dass der Senat „zonale Fahrverbote“, also Beschränkungen in größeren Bereichen der Stadt, nicht geprüft habe. Das aber hätte er tun müssen, wie es auch das jüngste Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts klargemacht habe.
Belastung sinkt nicht so schnell wie gedacht
„Die Rechtslage ist klar“, sagte BUND-Anwalt Rüdiger Nebelsieck. „Hamburg hat im gültigen Luftreinhalteplan zonale Durchfahrverbote nicht geprüft. Genau dieses Instrument wäre aber wirksam und ist nach der jüngsten Rechtsprechung ausdrücklich legitimiert. Das weiß auch die Stadt Hamburg.“ Das jüngste Urteil des Bundesverwaltungsgericht habe klar gemacht, dass Durchfahrtsverbote für ältere Diesel auch für größere Zonen eingeführt werden könnten. Außerdem beziehe man sich auf ein aktuelles Urteil aus Aachen.
Der aktuelle Luftreinhalteplan sichere die Einhaltung der seit 2010 gültigen EU-Grenzwerte von maximal 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft in ganz Hamburg erst im Jahr 2025 zu, so der BUND. Zudem mehrten sich die „Hinweise, dass die Modellannahmen zu optimistisch gewesen sind und die Belastung in Teilen Hamburg nicht so schnell sinkt wie angenommen“. Die deutschen Gerichte und auch die EU-Kommission hätten im laufenden Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland aber vorgegeben, dass die Grenzwerte spätestens 2020 und damit zehn Jahre nach Einführung eingehalten werden müssten.
BUND setzt Zwei-Wochen-Frist
Der BUND habe seine Rechtsauffassung am Donnerstag in einem umfangreichen Antrag an die zuständige Umweltbehörde von Senator Jens Kerstan (Grüne) Behörde für Umwelt und Energie (BUE) geschickt und diese „aufgefordert, binnen zwei Wochen zu erklären, ob der Luftreinhalteplan überarbeitet wird“, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Braasch. Falls die Behörde den Plan nicht überarbeite, werde der BUND Klage beim Hamburger Verwaltungsgericht einreichen. „Wir hoffen sehr, eine Klage vermeiden zu können“, so BUND-Landesgeschäftsführer Braasch. „Der Ball liegt jetzt bei der Umweltbehörde und beim Hamburger Senat.“
Die Umweltbehörde hatte stets betont, dass die Grenzwerte an 99,9 Prozent aller Straßen bereits 2020 eingehalten würden. Seit 31. Mai gilt an der Max-Brauer-Allee auf rund 600 Metern ein Durchfahrtsverbot für Diesel-Pkw schlechter als Abgasnorm Euro 6 und für Lkw schlechter Euro VI. An der Stresemannstraße gilt das Verbot ausschließlich für Lkw schlechter Euro VI auf einer Strecke von rund 1,6 Kilometern.
Verbote weiterhin in Kritik
Die Verbote werden weithin als unsinnig kritisiert, da sie dazu führen, dass Dieselfahrzeuge längere Umwege fahren müssen und dadurch in der Summe sogar mehr Schadstoffe ausstoßen. Umweltsenator Kerstan hatte sie dennoch als zwingend verteidigt. Der Senat sei verpflichtet, die Anwohner vor den deutlich zu hohen Werten zu schützen — und an den Ausweichstrecken würden die Grenzwerte auch durch den zusätzlichen Verkehr nicht überschritten.
BUND-Anwalt Nebelsieck sagte, die Stadt müsse nun auch prüfen, ob die Verbote rund um die Max-Brauer-Allee und die Stresemannstraße in größere Zonen ausgedehnt werden können – auch um die Belastung für Nachbarstraßen nicht zu erhöhen. Dass es zu diesen Problemen gekommen sei, zeige ein „Versagen der Politik auf Bundes- und Landesebene“.
Die Umweltbehörde wird auf die Forderungen des BUND wohl nicht eingehen. „Selbstverständlich werden wir uns mit dem Anliegen auseinandersetzen", sagte Behördensprecher Björn Marzahn zwar. "Wir gehen aber sicher davon aus, dass unser Luftreinhalteplan mit seinen konkreten, lokalen und gesamtstädtischen Maßnahmenpaketen rechtskonform und wirksam ist. Im Übrigen wird ein Luftreinhalteplan nicht auf Antrag Dritter fortgeschrieben, sondern das ist Aufgabe der zuständigen Behörde, die den Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg fest im Blick hat.“
Damit dürften auch in Hamburg wohl bald einmal mehr die Gerichte darüber entscheiden, ob es weitere Fahrverbote geben wird.