Hamburg. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hatte am 31. Mai die deutschlandweit ersten Durchfahrtsbeschränkungen in Kraft gesetzt.

Auch eine Woche nach Einführung der Dieselfahrverbote werden die Stickstoffdioxid-Grenzwerte immer noch überschritten. Allerdings scheint sich die Situation an den Messstationen Max-Brauer-Allee und Stresemannstraße gebessert zu haben. Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hatte diese deutschlandweit ersten Durchfahrtsbeschränkungen am 31. Mai in Kraft gesetzt. Zur Begründung sagte er: „Es ist unser Ziel und unsere Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger vor schädlichen Abgasen zu schützen.“ Zwei weitere Maßnahmen, die ebenfalls diesem Ziel dienen, sind allerdings noch nicht umgesetzt – und werden sich verzögern. Und, besonders absurd: Das Verbot auf der Max-Brauer-Allee wird zu mehr Verkehr und zusätzlichen Schadstoffen auf der anderen Verbotsstrecke führen – der Stresemann­straße.

In jener Straße gilt ein Verbot für ältere Diesel-Lkw. In der Max-Brauer-Allee gilt zusätzlich auch ein Verbot für alle Diesel-Pkw, die die Euro-6-Abgasnorm nicht erfüllen. Der Grenzwert für Stickstoffdioxid liegt bei 40 Mikrogramm. Die stündlichen Ergebnisse der beiden Messstationen lassen sich im Internet nachlesen (luft.hamburg.de). Da die Werte unter anderem vom Wetter und vom Wochentag abhängen, haben wir die Zahlen vom Dienstag, 22. Mai, und Dienstag, 5. Juni, sowie die vom Mittwoch, 23. Juni, und Mittwoch, 6. Juni, miteinander verglichen. An diesen vier Tagen zeigte sich das Hamburger Wetter von seiner besten Seite: Temperaturen um 25 Grad Celsius, viel Sonne und ein mäßiger Wind.

Niedrigster Wert lag bei 43 Mikrogramm

In der Max-Brauer-Allee scheint das Fahrverbot einiges bewirkt zu haben. Am 5. Juni wurde der Grenzwert in der Zeit zwischen 7 und 21 Uhr überschritten, der höchste Wert wurde um 20 Uhr erreicht: 70 Mikrogramm. Niedrigster Wert: 43 Mikrogramm. Neun Stundenwerte lagen zwischen 60 und 70 Mikrogramm.

Im Vergleich dazu schneidet der 22. Mai (ohne Fahrverbot) deutlich schlechter ab. Der Grenzwert wurde in der Zeit von 7 bis 23 Uhr überschritten. Höchster Wert: 96. Niedrigster: 42. Sieben Stundenwerte lagen im Bereich zwischen 76 und 96 Mikrogramm.

Der Mittwoch-Vergleich ergibt ein ähnliches Bild. Am 6. Juni (mit Fahrverbot) wurde der Grenzwert in der Zeit zwischen 8 und 22 Uhr sogar dreimal unterschritten. Höchster Wert 62, niedrigster 38. Neun Stundenwerte lagen zwischen 38 und 48 Mikrogramm.

Am 23. Mai (ohne Fahrverbot) war die Stickstoffdioxidbelastung erheblich höher. Der Grenzwert wurde von 6 Uhr bis Mitternacht fast durchgängig überschritten, nur ein Stundenwert lag darunter. Höchster Wert 87, niedrigster 38. Elf Stundenwerte lagen im Bereich zwischen 62 und 87 Mikrogramm.

Ähnliches Bild zeigt sich an der Stresemannstraße

Für die Station Stresemannstraße ergibt sich ein ähnliches Bild. Am 5. Juni (mit Fahrverbot) wurde der Grenzwert in der Zeit von sieben bis 21 Uhr fast ausnahmslos überschritten. Nur ein Wert lag darunter. Höchster Wert 91, niedrigster 39. Elf Stundenwerte lagen im Bereich zwischen 39 und 57 Mikrogramm.

Am 22. Mai (ohne Fahrverbot) sah das deutlich schlechter aus. Grenzwertüberschreitungen in der Zeit von sechs bis 23 Uhr, Höchstwert 103, Minimum 42. 13 Stundenwerte lagen im Bereich zwischen 70 und 103 Mikrogramm.

Ein Beweis für die Wirksamkeit der Verbote ist dies noch nicht, dazu reicht die Datenbasis nicht aus. Aber es ist zumindest ein Indiz. Die Daten „sind noch nicht validiert und somit als vorläufig anzusehen“, heißt es auf der Internetseite der Stadt Hamburg. Unklar ist auch, in welchem Umfang die Autofahrer die neuen Regeln bereits einhalten ­– und ob bei der Entstehung der Werte auch andere Einflüsse eine Rolle gespielt haben.

Alle Maßnahmen müssen erst einmal umgesetzt werden

Das Ziel einer dauerhaften Senkung der Stickstoffdioxidwerte ist jedenfalls noch nicht erreicht. Die Umweltbehörde selbst geht in ihrem Luftreinhalteplan (LRP) davon aus, dass „der Grenzwert so schnell wie möglich, spätestens im Jahr 2020 sicher eingehalten wird“. Doch dazu müssten zunächst einmal die Maßnahmen umgesetzt werden, die der LRP vorschreibt. Neben einem Bündel von allgemeinen Dingen, zum Beispiel der Ausbau des ÖPNV, gibt es auch drei konkrete Maßnahmen, mit denen die Behörde erreichen will, dass der Grenzwert in der Max-Brauer-Allee eingehalten wird. Außer der Dieseldurchfahrtsbeschränkung sind dies der „Einsatz emissionsarmer Busse“ und die „Verstetigung“. Der Umweltsenator Kerstan hat diese Maßnahmen nicht erwähnt, als er vergangene Woche das Dieselfahrverbot in Kraft setzte. „Die Durchfahrtsbeschränkungen sind notwendig, weil alle anderen Maßnahmen dort nicht greifen“, sagte er.

Der aus dem vergangenen Jahr stammende LRP sagt etwas anderes aus. Von den drei konkreten Maßnahmen war das Fahrverbot offenbar am schnellsten umzusetzen. Die beiden anderen verzögern sich. So etwa die „Verstetigung“. Mit einem Umbau von Kreuzungen und der Verlegung von Bushaltestellen im Fahrverbotsbereich zwischen der Julius-Leber-Straße und der Holstenstraße soll dort der Busverkehr verbessert werden.

Bis 2020 soll es emissionsarme Busse geben

Je rascher die Busse den 580 Meter langen Abschnitt passieren, desto weniger Abgase werden sie dort ausstoßen. „Die genannten Maßnahmen führen zur Verbesserung der Verkehrssituation durch Verringerung des Stauanteils und sollen bis 2018 umgesetzt werden“, heißt es im LRP. Doch daraus wird nichts. Die Verkehrsbehörde sagte auf Abendblatt-Anfrage: „Die Maßnahme zur Busoptimierung ist weiterhin geplant und soll in 2019 umgesetzt werden.“

Geht es zumindest beim „Einsatz emissionsarmer Busse“ in der Max-Brauer-Allee voran? „Die Umstellung der Busflotten an den hochbelasteten Strecken erfolgt nach den betrieblichen Randbedingungen und kann aktuell nicht für jede einzelne Straße beantwortet werden“, antwortet die Verkehrsbehörde. „Das Ziel der Umstellung bis 2020 hat Bestand.“

Wie fragil der Luftreinhalteplan ist, zeigt ein weiteres Detail. Das Pkw-Fahrverbot in der Max-Brauer-Allee wird nämlich ausgerechnet zu einer leichten Erhöhung der Stickstoffdioxidbelastung in der Stresemannstraße führen – also da, wo sie ohnehin schon zu hoch ist, weshalb dort ein Verbot für ältere Diesel-Lkw gilt. Um ein bis zwei Mikrogramm steigt der Wert an, heißt die Prognose im LRP – wohl wegen der Diesel-Pkw, die auf der Max-Brauer-Allee nicht mehr fahren dürfen. Die Verkehrsbehörde sagt dazu: „Die Angaben basieren auf den Modellrechnungen des Verkehrsaufkommens im Jahr 2020. Nach der modellhaften Abschätzung ergibt sich eine Verteilung der Ausweichverkehre im umgebenden Netz.“