Hamburg. Nach Altona prüft auch Wandsbek, welche Verkehrsachsen sich für dichtere Besiedelung eignen. 10.000 Wohnungen pro Jahr geplant.
10.000 Wohneinheiten will der rot-grüne Senat jedes Jahr bauen. Nicht nur in der Peripherie auf der grünen Wiese, sondern vor allem auch in Kernbereichen der Stadt, die heute schon dicht besiedelt sind. Dafür legt die rot-grüne Koalition in Wandsbek jetzt ein Programm auf, das den Wohnungsbau und die bessere Grundstücksausnutzung entlang der großen Einfallstraßen in die Stadt fördern soll.
Wandsbek folgt damit einem Bürgerschaftsbeschluss, der das vor 100 Jahren entwickelte „Achsenkonzept“ des Oberbaudirektors Fritz Schumacher zugrunde legt und diese großen Verkehrsadern nachverdichten und entwickeln will. Am weitesten ist der Bezirk Altona, der mit Unterstützung des Bunds Teil eines bis Ende 2019 laufenden Forschungsprojekts ist.
Altona hat Potenzial für 20.000 Wohnungen
Das Projekt prüft die Möglichkeiten der innerstädtischen Nachverdichtung an Hauptverkehrsstraßen, wobei ausdrücklich unkonventionelle Wege zur Baulücken- und Brachen-Erschließung sowie zur Nachverdichtung genutzt werden sollen. Für Altona wurde bereits ein Potenzial von rund 20.000 Wohnungen ermittelt. Ein Pilotprojekt am Sülldorfer Bahnhof ist angeschoben, mehrere Investoren für andere Projekte stehen bereits in den Startlöchern. Das Altonaer Magistralen-Konzept für die „B431“ und die Luruper Hauptstraße samt ihrer Verlängerungen soll jetzt fortgeschrieben werden.
Die Idee: Optisch und stadtplanerisch verkraften gerade die breiten Hauptstraßen eine höhere und massive Bebauung, die Stadt wirkt dadurch eher großstädtischer, weil die Proportionen zu den Bauten entlang der untergeordneten Verkehrsadern besser passen. Zweitens bieten die technischen Möglichkeiten des Lärmschutzes mittlerweile Möglichkeiten, die das Wohnen an Hauptstraßen so attraktiv machen sollen, dass die Vorteile zentraler Lagen die Nachteile des Verkehrs- und Gewerbelärms überwiegen. Drittens zahlen die Wohnungen im innerstädtischen Bereich auf den Erhalt der Grünflächen in der Stadt ein. Viertens entstehen die Wohnungen da, wo sie gebraucht werden: in der Stadt und nicht in der Peripherie.
Friedrich-Ebert-Damm im Gespräch
Der Bezirk Wandsbek soll dafür die B 75, also die Wandsbeker Marktstraße und ihre Verlängerungen stadteinwärts und stadtauswärts, näher untersuchen, ebenso die ehemalige B 434, das heißt beginnend an der Mundsburg die Hamburger Straße/Oberaltenallee, Barmbeker Markt, Bramfelder Straße, Bramfelder Chaussee, Saseler Chaussee, Bergstedter Chaussee bis hin zur Landesgrenze, wobei der erste Teil der Hauptstraße noch im Bezirk Nord liegt.
Abschnittsweise soll die Eignung der jeweiligen Magistrale auf Nachverdichtung geprüft und gegebenenfalls das Baurecht geändert werden. Die Grünen brachten auch den Friedrich-Ebert-Damm ins Gespräch. Grundsätzlich könnten alle großen Hauptstraßen untersucht werden, hieß es aus der SPD. Bereits am Start ist das Projekt „Bramfelder Spitze“ gegenüber dem Otto-Group-Gebäude, wo zwei große Blöcke mit Innenhöfen und zehn Einzelgebäude errichtet werden sollen. Das Bebauungsplanverfahren läuft.
Grüner Bezirk soll bewahrt bleiben
„Die Identität Wandsbeks als ‚grüner Bezirk von Hamburg‘ soll unbedingt bewahrt bleiben“, sagte die Wandsbeker SPD-Fraktionschefin Anja Quast. „Um die Flächeninanspruchnahme möglichst gering zu halten, ist die Innenentwicklung die Leitlinie der SPD für eine nachhaltige Stadtplanung, damit Grünbereiche, Parks und schützenswerte Natur- und Landschaftsräume erhalten bleiben.“ Die „Innenentwicklung“ der Stadt erfordere allerdings einen „mehrjährigen Planungsprozess“, sagte Quast. „Dazu gehört für die SPD auch eine breite Bürgerbeteiligung. Deshalb sollten die Vorbereitungen frühzeitig starten.“
Der grüne Koalitionspartner äußerte sich ähnlich und betonte die Notwendigkeit, den dringend benötigten neuen Wohnraum ohne zusätzliche Flächenversiegelung zu generieren. „Die Quartiere sollen durch eine maßvolle Verdichtung und gegebenenfalls die Ansiedlung von Einzelhandel oder Gastronomie aufgewertet werden“, sagte der Grünen-Stadtplaner Jan-Henrik Blumenthal.
Überbauung des Busbahnhofs war Thema
Für das zentrale Wandsbek hatte das Architektenbüro Bernhard Winking schon in den 1980er-Jahren die Aufstockung der Gebäude entlang der Wandsbeker Marktstraße um zwei Geschosse empfohlen. Auch die Überbauung des Busbahnhofs war immer wieder mal Thema, zu größeren Veränderungen führte es nicht. Einzig der neue Platz mit dem Café vor dem Busbahnhof wurde als eine der Anregungen Winkings umgesetzt.
Die Vereinbarkeit von Wohnungsbau und Gewerbeentwicklung bleibt ein Problem des Magistralen-Konzepts, es wird allerdings als lösbar angesehen. Eine schwierigere Frage der innerstädtischen Nachverdichtung ist es, wie die oftmals kleineren privaten Grundstückseigner zum Bauen oder Aufstocken bewogen werden können.
Da setzt das Forschungsprojekt in Altona an. Es will einen sogenannten Innenentwicklungsmanager für den Wohnungsbau installieren. Er soll den Kontakt zwischen Planern, Eigentümern und Investoren herstellen und „Moderatorenfunktion übernehmen bei der Aktivierung von Innenentwicklungsflächen“, heißt es im Bürgerschaftsantrag vom Herbst des vergangenen Jahres. Derzeit managt noch das Bezirksamt, hieß es aus Altona. Denn das Aufgabenfeld des „Innenentwicklungsmanagers“ sei „zentraler Untersuchungsgegenstand im Forschungsfeld und befindet sich somit noch in der Findungsphase“.