Hamburg. Landgericht entscheidet, dass Mietpreisbremse unwirksam ist. Statement von Stapelfeldt, Kritik von der Opposition.
Die Mietpreisbremse in Hamburg hat in ihrer jetzigen Form zumindest für Verfahren bis September 2017 keine Rechtskraft. Das Landgericht Hamburg wies am Donnerstag in zweiter Instanz die Klage eines Mieters aus Ottensen ab. Der Kläger war nach Einführung der Mietpreisbremse im September 2015 in eine Wohnung an der Bleickenallee in Ottensen gezogen. Zahlen muss er dort 14,01 Euro pro Quadratmeter. Laut Mietenspiegel liegt die ortsübliche Vergleichsmiete aber nur bei 8,75 Euro, sodass die maximal zulässige Miete bei dem erlaubten Aufschlag von zehn Prozent nur bei 9,63 Euro liegen dürfte.
Stapelfeldt: Das tut uns leid
Das Landgericht folgte jedoch der Auffassung des Amtsgerichts Altona, das in erster Instanz gerügt hatte, der Senat habe zu spät öffentlich genau begründet, warum der Wohnungsmarkt in Hamburg sehr angespannt sei. Dies sei aber eine zwingende Voraussetzung für eine Mietpreisbremse. "Spätere Veröffentlichungen zur Mietpreisbegrenzung, insbesondere die am 1. September 2017 veröffentlichte Bekanntmachung der Begründung des Senats, haben diesen Mangel möglicherweise für die Zukunft beseitigt, entfalten aber keine Rückwirkung auf den zeitlich früher geschlossenen Mietvertrag", heißt es in dem Urteil. Auch in Hessen gab es zuletzt eine ähnliche Entscheidung.
Kurz nach dem Urteil des Landgerichts gab Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) im Hamburger Rathaus ein Statement ab. "Ich bedauere die Entscheidung des Landgerichtes sehr", sagte sie vor zahlreichen Journalisten. "Wir wollten Hamburgs Mieterinnen und Mieter vor unberechtigten Mietsteigerungen schützen." Für den jetzt erhandelten Einzelfall sei das nicht gelungen. "Das tut uns leid." Gleichzeitig kündigte Stapelfeldt an, dass die Mietpreisbegrenzungsverordnung neu erlassen werde.
Bereits zu Wochenbeginn hatte der Mieterverein zu Hamburg den Senat scharf kritisiert, von einem „gravierenden handwerklichen Fehler gesprochen“. Der Senat hatte die Begründung erst im September veröffentlicht. Wie sich dies für aktuelle Verfahren auswirkt, bleibt offen. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
CDU: Scheuklappen-Politik von Rot-Grün
Mit deutlichen Worten reagierte die CDU-Fraktion auf die Schlappe für den Senat, dem sie "Scheuklappen-Politik" vorwirft. „Für die Fehler des Senats bei der Umsetzung der Mitpreisbremse zahlen nun die Mieter den Preis", sagte der CDU-Stadtentwicklungsexperte Jörg Hamann. Seine Fraktion hatte nach eigenen Angaben bereits 2015 den Senat zur umfassenden gutachterlichen Begründung der Verordnung aufgefordert. "Alle Bedenken wurden jedoch ignoriert und abgeblockt, nun aber vom Gericht bestätigt", sagte Hamann, der auf die gravierenden Auswirkungen für Betroffene und den Hamburger Wohnungsmarkt hinwies. "Insbesondere vor dem Hintergrund des Wohnraummangels und den explodierenden Mieten hat sich der Senat hierbei wieder einmal nicht gerade mit Ruhm bekleckert." Er forderte, dass die "halbherzige und unzureichende Umsetzung" von neuen Verordnungen in Zukunft vermieden werden müsse.
Linken-Fraktion: "Ein Trauerspiel"
Herbe Kritik kam auch von der Linken-Fraktion. „Die Mieter und Mieterinnen müssen jetzt mehr blechen, weil der Senat zwei Jahre gebraucht hat, um die Begründung für die Mietpreisbremse zu veröffentlichen", sagte Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion. So sehe die Politik von SPD und Grünen für Mieter. "Ein Trauerspiel“, sagte Sudmann. Unverständlich ist für die Linken-Politikerin, dass der Senat es noch nicht mal schaffe, "dieses Mietpreisbremschen" zum Schutz der Mieter umzusetzen: "Es ist einfach unglaublich.“
FDP: Blamage für den rot-grünen Senat
sagte Als "falsches Instrument" bezeichnete die FDP-Fraktion die Mietpreisbremse. "Sie ist ein zahnloser Tiger, der den Menschen ein Gefühl von Sicherheit geben soll", sagte der FDP-Stadtentwicklungsexperte Jens P. Meyer. Doch die Realität sehe anders aus. "Die Entscheidung des Hamburger Landgerichts ist eine Blamage für den rot-grünen Senat, weil sie die handwerklichen Fehler und die mangelhafte Umsetzung der Verordnung offenlegt", sagte Meyer. Auch die von der Großen Koalition im Bund versprochene Verschärfung der Mietpreisbremse werde nicht zu sinkenden Kosten, sondern zu mehr Bürokratie und Misstrauen zwischen Mietern und Vermietern führen. Die FDP-Fraktion fordert stattdessen eine "sinnvolle und realitätsanerkennende Wohnungsbaupolitik, ein zeitgemäßes Planrecht sowie einen Abbau überbordender Vorschriften“.
AfD fordert Eigentumsprogramme für breite Bevölkerungsgruppe
Die AfD-Fraktion spricht von "Schlamperei" und "schwerer handwerklicher Fehler" bei der Mietpreisbremse. "Wirkungslos war sie schon vorher", sagt der stadtentwicklungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Detlef Ehlebracht. Die Gründe dafür seien hausgemacht. Ehlebracht nennt in diesem Zusammenhang völlig überzogene Energieeinsparforderungen, die die Baukosten in die Höhe trieben. "Außer den geförderten Wohnungen, die nicht im Mietenspiegel berücksichtigt werden, werden nur teure Neubauwohnungen gebaut, die den Mietspiegel besonders in die Höhe treiben", kritisiert der AfD-Politiker. Deshalb fordert seine Fraktion zur Entlastung des Wohnungsmarktes Eigentumsprogramme für breite Bevölkerungsgruppen. Zudem soll es nach Ansicht der AfD einen Ausbau der Verkehrsverbindungen in die Nachbargemeinden geben.
Mieterverein: Senat muss nachbessern
Der Mieterverein zu Hamburg forderte nach der Entscheidung des Gerichts, dass der Senat zeitnah erneut die Einführung der Mietpreisbremse in Hamburg und die gesetzlich vorgesehene Begründung beschließt – und diese auch veröffentlicht. „Nur dadurch kann die Stadt auch unter Beibehaltung des bisherigen Rechtsstandpunktes für Rechtssicherheit bei der Anwendung der Mietpreisbremse in Hamburg sorgen“, sagte Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mieterverein zu Hamburg. Dieser schätzt, dass bei 60 bis 70 Prozent der neu abgeschlossenen Mietverträge gegen die Mietpreisbremse verstoßen wird. "Dadurch entsteht den betroffenen Mietern ein jährlicher Schaden von insgesamt mehr als 20 Millionen Euro", teilte der Miterverein am Donnerstag mit.
VNW: Mietpreisbremse von Anfang an wirkungslos
Ganz anders kommentiert der Verband der norddeutschen Wohnungsunternehmen (VNW) das Urteil des Langerichts. Die Mietpreisbremse sei von Anfang an wirkungslos, sagte Andreas Breitner, Direktor des VNW. „Das Hauptproblem einer Mietpreisbremse besteht darin: sie schafft nicht eine einzige Wohnung." Nach Auffassung des VNW erhöhe die Mietpreisbremse stattdessen die Nachfrage, weil noch mehr Menschen glaubten, sich eine bestimmte Wohnung leisten zu können. "Wir haben auf dem Hamburger Wohnungsmarkt aber kein Nachfrage-, sondern ein Angebotsproblem“, sagte Breitner. Er plädiert für einen Abbau der Bürokratie. "Das umfangreiche Baurecht verzögert viele Bauvorhaben und macht diese teurer", so der VNW-Direktor.