Hamburg. Umweltsenator Kerstan begründet die Dieselfahrverbote als unvermeidlich — und gibt die Schuld daran dem Bundesverkehrsminister.
Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hat die Dieselfahrverbote an zwei Straßenabschnitten in Hamburg als unausweichlich verteidigt. „Wir setzen Vorgaben der EU und ein Hamburger Gerichtsurteil um“, sagte Kerstan am Donnerstag bei einem Pressetermin im Altonaer Rathaus. Es sei seine Pflicht, die Gesundheit der Bürger zu schützen, so der Grünen-Politiker. Bei der Abwägung der Eingriffe in verfassungsmäßige Eigentumsrechte und das Recht auf Schutz der Gesundheit müsse stets die Verhältnismäßigkeit beachtet werden.
An der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße habe es aber keine andere Möglichkeit als Durchfahrtsbeschränkungen für ältere Diesel gegeben, um den Grenzwert beim giftigen Stickoxid schnell zu senken, wie es EU und Gerichte verlangten. „Durchfahrtsbeschränkungen waren nie unser Ziel, sind aber unvermeidlich, weil die Autoindustrie betrogen hat und die Bundesregierung sie nicht zur Hardwarenachrüstung auf eigene Kosten gezwungen hat“, so Kerstan. Sollte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dies doch noch tun, könnten die Hamburger Durchfahrtsbeschränkungen vermutlich wieder aufgehoben werden, so Kerstan. „Dann können wir die Schilder schnell wieder abbauen.“ Denn ohne den Abgasbetrug und dessen Duldung durch die Bundesregierung hätte man in Hamburg „keinen Meter Durchfahrtsbeschränkungen“ einrichten müssen, so der Grünen-Politiker.
Durchfahrtverbot für ältere Diesel-Pkw und -Lkw
Wie berichtet, gelten seit heute an der Max-Brauer-Allee auf 580 Metern Durchfahrtsbeschränkungen für Diesel-Pkw und -Lkw älter als Euro 6/VI - und auf der Stresemannstraße auf 1600 Metern Beschränkungen für Lkw älter als Euro VI.
Es gebe auch einige andere Straßen, in denen man die Einführung solcher Beschränkungen wegen der hohen Belastung mit Stickoxiden geprüft habe, sagte Kerstan. Dazu zählten die Nordkanalstraße, die Spaldingstraße, der Högerdamm, die Elbchaussee, die Kloppstockstraße, Neumühlen, Große Elbstraße und Palmaille. Hier seien Verbote aber als unverhältnismäßig verworfen worden. An der Willy-Brandt-Straße und der Ludwig-Erhard-Straße komme die „herausragende verkehrliche Bedeutung“ hinzu. Dasselbe gelte für die stark mit Stickoxiden belastete Habichtsstraße, bei der außerdem eine Rolle spiele, dass die parallele Krausestraße, die gerade für den Radverkehr ausgebaut wird, sonst stark unter Lkw-Ausweichverkehren leiden würde.
Kerstan attackierte immer wieder CSU-Bundesverkehrsminister Scheuer, der die Hamburger Fahrverbote am Donnerstag im Abendblatt kritisiert hatte. Dem CSU-Mann seien die Gewinne der Autoindustrie wichtiger als die Gesundheit der Bürger, und die Rechte der Autokäufer, so Kerstan. Deswegen wolle er die Autoindustrie nicht zur Hardware-Nachrüstung verpflichten. Dass ausgerechnet ein CSU-Minister nun die durch eigene Untätigkeit verursachten Einschränkungen kritisiere, grenze an „absurdes politisches Theater“. Auch sei es für Bürger nicht mehr verständlich, dass der Bund Dieselfahrzeug über das Dieselprivileg noch steuerlich fördere. Kerstan sagte, er sei „sicher, dass unsere Regelung vor Gericht Bestand haben wird“. Jeder Dieselfahrer könne weiterhin jeden Punkt in Hamburg mit seinem Auto erreichen, nur müsse er bestimmte Strecken meiden.
Gesamtbeladtung mit Stickoxiden kann steigen
Kerstan wies darauf hin, dass auch die Tatsache, dass die Gesamtbelastung mit Stickoxiden in der Stadt durch Umwegfahrten von Dieselfahrern steigen könne, nichts an der Sinnhaftigkeit der Maßnahmen ändere. Relevant sei in der Umweltpolitik die Konzentration, von der an die Gesundheit der Menschen beeinträchtigt werde. Der Senator wies auch den Vorwurf der „Symbolpolitik“ zurück. Dieser sei sachlich falsch und zeuge von „grober Unkenntnis“. Der Senat sei durch EU und Gerichte gezwungen, diese Maßnahmen zum Schutz der Menschen umzusetzen. Das diese nun eine gewisse „Signalwirkung“ hätten, sei ihm klar, das sei aber nicht sein Ziel gewesen. Dabei betonte der Grünen-Politiker, dass der rot-grüne Senat den Luftreinhalteplan gemeinsam beschlossen habe — die SPD also voll und ganz hinter dem Maßnahmenpaket stehe, das sich im Übrigen aus sehr vielen Einzelmaßnahmen zusammensetze. Die Durchfahrtsbeschränkungen seien nur ein kleiner Teil davon.
Karsten Wegge von der Verkehrsdirektion der Polizei betonte, dass die Polizei die Einhaltung der Durchfahrtsbeschränkungen wie auch die Einhaltung aller anderen Gesetzte und Vorschriften, regelmäßig kontrollieren werde. „Es wird Stichproben, Schwerpunktkontrollen und auch Großkontrollen geben“, so Wegge. Ziel sei es aber in der Anfangszeit, die Dieselfahrer „zu informieren, nicht zu sanktionieren“. Bußgelder werde man erst später verhängen. Das heiße aber nicht, dass die Regeln noch nicht gölten. Sie seien nun in Kraft und würden kontrolliert. Er kenne zwar die Kritik aus den Polizeigewerkschaften, dass die Polizei diese Kontrollen nicht leisten könne, so Wegge. Dieser könne er aber nicht folgen. „Das ist keine neue Aufgabe für die Polizei“, so Wegge. „Die Überwachung von Verkehrsregeln ist von jeher unsere Aufgabe.“