Hamburg. Acht Italiener hatten gegen ihre Ingewahrsamnahme bei einer Demo geklagt, das Verwaltungsgericht gab ihnen Recht.

„Grenzenlose Solidarität statt G20“ hieß die weitgehend friedliche Demonstration, die das Ende des G-20-Gipfels in Hamburg begleitete. 70.000 Menschen waren an jenem 8. Juli zusammengekommen. Die Polizei war auch dabei. Am Rande der Veranstaltung wurde eine Gruppe von 15 Italienern in Gewahrsam genommen. Einige mussten etwas mehr als 24 Stunden hinter Gittern sitzen. Acht italienische Staatsbürger klagten nun vor dem Verwaltungsgericht gegen den Polizeieinsatz. Die 17. Kammer des Verwaltungsgerichts entschied am Dienstag: Die Ingewahrsamnahme war rechtswidrig. Das Urteil gilt aus formalen Gründen zunächst nur für einen der acht Kläger, wird absehbar aber für die anderen sieben gleichlauten. „In Bezug auf die Person des Klägers hätten keine Tatsachen vorgelegen, die die Annahme, von ihm gehe eine unmittelbare Gefahr aus, hätten rechtfertigen können“, heißt es in dem Urteil.

Eine Kette von Fehlern, so ergab es die Beweisaufnahme, hatte an jenem Tag zu der letztlich illegalen Polizeiaktion geführt. Auslöser waren angebliche Erkenntnisse des Verfassungsschutzes. Der glaubte zu wissen, dass die Attacken an der Elbchaussee und in der Sternschanze im wesentlichen von angereisten Italienern verursacht worden sein könnten. Hinzu kam die Annahme, dass aus diesem Kreis auch am 8. Juli „schwere Straftaten“ begangen werden könnten. All dies wurde in den täglich aktualisierten „Lagekurzbericht“ des polizeilichen Lagezentrums aufgenommen.

"Offensive Maßnahmen zur Identitätsfeststellung"

Ein Bericht, der hauptsächlich allgemeine Begründungen für Ingewahrsamnahmen liefern sollten. Allerdings wurde ein Destillat dieses Textes über Funk und das polizeiinterne Computernetz an die eingesetzten Beamten weitergeleitet. Italiener hätten sich „für den heutigen Tag zur Begehung schwerer Straftaten im Stadtgebiet verabredet“, hieß es da, „offensive Maßnahmen zur Identitätsfeststellung“ seien deshalb geboten. Um 15.58 Uhr ging diese Nachricht raus, kurz nach 16 Uhr konnte der erste „Fahndungserfolg“ vermeldet werden. Ein Polizist, Zugführer einer Hundertschaft, stoppte am Rande der Demo eine Gruppe von Italienern. Grund soll deren südländisches Aussehen gewesen sein.

Genaueres war nicht zu erfahren. Der Beamte erschien nicht zum Gerichtstermin, auch eine Entschuldigung lag nicht vor. Offenbar ist er erkrankt. Die Hamburger Polizeihundertschaft hat er schon vor Monaten verlassen.

"Mir schien, das war eine relevante Gruppe"

So musste der Hundertschaftsführer erklären, wie es zu der Ingewahrsamnahme gekommen war. Dass eine konkrete Gefahr von den Italienern ausgegangen sei, konnte er jedenfalls nicht belegen. Ohnehin hatte er sich mit der Gruppe nicht näher beschäftigt. Ja, sie hätten „szenetypische Kleidung“ getragen, aber das sei auch aus seiner Sicht ein „schwaches Indiz“. Sein Zugführer habe ihm erzählt, sie hätten Wechselklamotten dabeigehabt, die Personalausweise seien wasserdicht verpackt gewesen.

Und dann habe sich noch Jan von Aken, der damalige Linke-Bundestagsabgeordnete und Demo-Leiter, nach den Leuten erkundigt. Das sei ihm seltsam vorgekommen. „Mir schien, das war eine relevante Gruppe.“ Also wurde die Gruppe in die Kategorie „rot“ eingestuft – und galt somit polizeiintern als „Gewalt suchend“. Die verschiedenen Kategorien erläuterte der Hundertschaftsführer so: „Grün ist okay, bei gelb wird es kritisch, rot ist oha!“.

Nacktkontrollen und Dauerbeleuchtung in der Zelle

Nach langer Wartezeit in einem Polizeifahrzeug wurden die so eingestuften Italiener schließlich in die Gefangenensammelstelle transportiert. Sie mussten Nacktkontrollen über sich ergehen lassen. An Schlaf war nicht zu denken. Das Licht in den Zimmern brannte, die Insassen wurden stündlich kontrolliert. Am Tag darauf setzte eine Entlassungswelle ein, die ebenso rätselhaft wie die Ingewahrsamnahme war. Einige durften am Morgen gehen, andere wurden erst am Abend freigesetzt. Gegen einige wurde ein Aufenthaltsverbot für Teile Hamburgs erlassen. Einen Richter bekam keiner der Kläger zu Gesicht. Auch das monierte die 17. Kammer des Verwaltungsgerichts jetzt in ihrem Urteil.