Hamburg. Gestrandete Passagiere und vernichtende Kritik am Krisenmanagement. Im Interview erklärt Michael Eggenschwiler das Vorgehen.
Der Blackout am Flughafen wirft viele Fragen auf: Warum traf ein technischer Defekt den Flughafen so umfassend – und wäre der Ausnahmezustand zu verhindern gewesen? Auch wegen seines Krisenmanagements gerät der Hamburg Airport in die Kritik. Im Interview mit dem Abendblatt bezieht der Vorsitzende Geschäftsführer Michael Eggenschwiler nun Stellung.
Herr Eggenschwiler, Passagiere und Hamburger treibt eine einfache Frage um: Wie kann es sein, dass ein Kurzschluss einen ganzen internationalen Flughafen stilllegt?
Michael Eggenschwiler: Man darf auf keinen Fall nur von einer kleineren Störung sprechen. Bei dem Kabel, in dem sich der Kurzschluss ereignet hat, handelt es sich um eine dicke Leitung. Dort hat sich eine extreme Hitze entwickelt, die auch viele andere Leitungen betroffen hat. Der Defekt ist leider mitten im Herzen einer unserer Hauptsäulen für die Stromversorgung aufgetreten: dem Blockheizkraftwerk.
Danach wurde entschieden, auch die noch funktionierenden Systeme in beiden Terminals herunterzufahren. Warum wurde nicht versucht, nach dem Ausfall noch über das Terminal 1 den Betrieb aufrechtzuerhalten?
Eggenschwiler: Es gibt an dieser Stelle keinen Spielraum für eine solche Entscheidung. Die rechtlichen Vorgaben sehen klar vor, dass wir nur mit einer doppelt gesicherten Stromversorgung den Flughafen dauerhaft betreiben können. Deshalb ging unser gesamter Fokus auf die Aufgabe, den Fehler zu finden. Es gab schlicht keine andere Möglichkeit. Im Übrigen finden alle Maßnahmen in einer solchen Ausnahmesituation auch in Abstimmung mit übergeordneten Luftfahrtstellen statt.
Wann war Ihnen bewusst, dass es sich um einen schweren Notfall handelt?
Eggenschwiler: Ich war morgens noch laufen und habe dann einen Anruf bekommen, dass es ein Problem mit der Stromversorgung gibt. Gegen 10 Uhr kam die Information, dass es keine Alternative zur Abschaltung gibt. Kurz darauf haben wir wie vorgesehen den Einsatzstab einberufen. Auch der Bürgermeister, der Wirtschaftssenator und die zuständigen Staatsräte wurden natürlich über die Situation informiert.
Sehr viele Passagiere vor Ort fühlten sich alleingelassen. „Grottig“ war noch eine der netteren Bezeichnungen für die Informationspolitik vor Ort.
Eggenschwiler: Das kann ich in dieser Wortwahl absolut nicht teilen. Richtig ist, dass es etwas gedauert hat, bis wir den Informationsfluss wie gewünscht in Gang bekommen haben. Daraus gilt es für die Zukunft zu lernen. Und natürlich verstehen und bedauern wir alle Unannehmlichkeiten, die für die Passagiere mit der Situation verbunden war. Wir haben auch deshalb am Nachmittag entschieden, den Betrieb für den gesamten Sonntag einzustellen, um die Fluggäste nicht noch weiter in einem unklaren Zustand zu belassen. Anders als etwa die privaten Nutzer von sozialen Medien, die in Sekundenschnelle neue Informationen verbreiten, sehe ich uns auch in der Pflicht, nur abgestimmte und gesicherte Informationen kundzutun.
Eine finanzielle Entschädigung wird es für die Betroffenen wohl nicht geben. Sehen Sie Anlass, sich bei den Passagieren zu entschuldigen?
Eggenschwiler: Uns tut es auch leid zu sehen, dass die Fluggäste wegen dieses Defektes solche zusätzlichen Mühen auf sich nehmen mussten. Die Frage nach finanziellen Entschädigungen ist eine schwierige. Es handelt sich leider um einen Fall von ,höherer Gewalt‘, auch wenn uns bewusst ist, dass diese Formulierung dem Einzelnen nicht konkret weiterhilft. Ich möchte aber auch betonen, dass ich gestern auch sehr viel Verständnis erlebt habe. Einige Anwohner sind am Abend gekommen, um den Betroffenen zusätzliche Betten für die Nacht anzubieten. Für beides möchte ich mich bedanken.
Warum hat es so lange gedauert, den Fehler im Stromnetz zu finden?
Eggenschwiler: Unsere Stromversorgung ist ein außerordentlich großes und komplexes System. Es waren alle sechs Generatoren im Blockheizkraftwerk von dem Kurzschluss betroffen. Den genauen Ursprung der Störung zu finden, war vergleichbar mit der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Das betroffene Kabel war wie viele andere Leitungen in einem Brandschutzkanal eingebettet, dessen Deckel erst aufgebrochen werden musste. Und ich war wirklich beeindruckt davon, wie schnell unsere etwa 20 internen und externen Techniker die Suche nach dem Fehler angegangen sind und ihn bis Montag gegen drei Uhr morgens beheben konnten. Das war ein Moment der großen Erleichterung für uns alle.
Auch an der technischen Wartung gibt es Kritik: Die Instandhaltung wurde an eine Tochterfirma vergeben, um Kosten zu sparen. Und da untertariflich bezahlt werde, seien die Jobs für Fachleute kaum attraktiv.
Eggenschwiler: Behauptungen, nach denen unsere Techniker in diesem Bereich keine gute Arbeit machen würden, muss ich mich entschieden entgegenstellen. Wir finden und beschäftigen sehr leistungsfähige Mitarbeiter in diesem Bereich – und bilden jährlich auch etwa vier bis fünf Fachkräfte in diesem Bereich neu aus.
Von Mitarbeitern heißt es, zwar seien etwa Transformatoren kürzlich erneuert worden, aber nicht die entsprechenden Zuleitungen.
Eggenschwiler: Es handelt sich auch an der betroffenen Stelle nach meinem Wissen um standardisierte Kabel in einem üblichen Alter. Auch ist uns nichts von einem generellen Problem am Zustand der Stromleitungen bekannt. Und wir erfüllen vollständig alle Vorgaben bei der Wartung unserer Technik. Aber selbstverständlich wird ein Ereignis wie dieses auch eine sehr gründliche und vorbehaltlose interne Aufarbeitung nach sich ziehen.
In welchen Bereichen sehen Sie nach Ihren Eindrücken Handlungsbedarf?
Eggenschwiler: Natürlich gilt es, auch die technische Infrastruktur im Lichte des Stromausfalls genau zu betrachten. Wichtig wird auch sein, die Kommunikation in einer solchen Ausnahmesituation zu verbessern. Wir wollen etwa bei der Nutzung von sozialen Medien wie Twitter noch deutlich schneller werden, um den Passagieren bei einem Zwischenfall besser zu helfen. Sie können sicher sein, dass wir alles unternehmen, damit sich eine Situation wie jene am Sonntag nicht wiederholen kann. Für mich hat der Tag auch noch einmal deutlich aufgezeigt, welche Bedeutung der Flughafen für das Leben in einer Stadt wie Hamburg hat.