Hamburg. Nach einem Kurzschluss im Blockheizkraftwerk musste der Flugbetrieb eingestellt werden. Keine Entschädigung für Passagiere in Sicht.

Nach einem verheerenden Stromausfall nach Kurzschluss am Helmut-Schmidt-Airport in Hamburg musste der Flugbetrieb ab 10 Uhr am Sonntagmorgen für den kompletten Tag eingestellt werden. Insgesamt waren mehr als 30.000 Fluggäste von den Ausfällen betroffen. Etwa 180 Passagiere haben laut Deutschem Roten Kreuz (DRK) die Nacht am Flughafen auf Feldbetten verbracht. Die Gewerkschaft ver.di monierte, dass die Personalpolitik des Flughafens zu Dauerproblemen bei Wartung und Instandhaltung geführt habe. Erst am Montag konnten die ersten Starts und Landungen wieder über die Bühne gehen.

„Im Laufe des Tages wird sich der Flugbetrieb immer weiter normalisieren", sagte Flughafensprecherin Katja Bromm. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass der Flugbetrieb morgen wieder wie geplant stattfinden kann." Auch die Heimkehrer hatten massive Probleme: 146 Flüge nach Hamburg starteten gar nicht erst, die Passagiere blieben, wo sie waren. 24 Flüge nach Hamburg waren am Sonntag noch angekommen und abgefertigt worden, 30 wurden umgeleitet und landeten zumeist in Hannover.

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Flughafenchef kündigt Statement an

Nach dem fast eintägigen Stillstand am Hamburger Flughafen hat sich der Flugbetrieb wieder Richtung Normalität bewegt. Doch der Stromausfall am Sonntag, der für tausende Passagiere den Start zum Reiseziel vereitelte, wirkt nach. Flughafenchef Michael Eggenschwiler und der Staatsrat der Verkehrsbehörde, Andreas Rieckhof, wollen am Dienstag (12.30 Uhr) zu den Ereignissen am Helmut-Schmidt-Airport vor Journalisten Stellung nehmen. Bereits zuvor gab Eggenschwiler dem Hamburger Abendblatt ein Interview, dass Sie am Dienstag auf abendblatt.de und in der Zeitung lesen können.

Materialschaden in Kabel führte zu Stromausfall

Grund für den Stromausfall ist eine schadhafte Isolierung an einem Kupferkabel, meldete der Flughafen am Montagnachmittag. Dieser Schaden führte zu einem heftigen Kurzschluss, der zahlreiche benachbarte Kabel einbezogen hat. Der Kurzschluss entstand in der Stromversorgung des Blockheizkraftwerks des Flughafens.

Der Flugbetrieb musste daraufhin eingestellt werden, weil die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) zwei unabhängig voneinander betriebene Stromsysteme für die Flugbetriebsflächen vorschreibt. Mit dem öffentlichen Netz und dem eigenen Blockheizkraftwerk verfügt der Flughafen über diese beiden Systeme. „Innerhalb unseres eigenen Kraftwerkes gibt es mehr Generatoren als gefordert und somit eine Backup-Lösung. Der Kurzschluss traf jedoch mitten ins Herz des Blockheizkraftwerkes, so dass dieses komplett ausgefallen ist und nur noch ein System für das Pistensystem zur Verfügung stand“, sagte Michael Eggenschwiler, Vorsitzender der Geschäftsführung am Airport. Nachdem die Techniker des Flughafens die Ursache des Kurzschlusses gefunden hatten, wurden insgesamt 42 Kabel auf 540 Metern Länge großflächig ausgetauscht. Dadurch stand das Blockheizkraftwerk ab 3 Uhr morgens wieder stabil zur Verfügung.

Kieler Kabinett ebenfalls von Stromausfall betroffen

Der Stromausfall am Hamburger Flughafen vom Sonntag hat am Montag auch den Fahrplan der schleswig-holsteinischen Landesregierung etwas durcheinandergebracht. Die Maschine mit dem Kabinett von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) konnte am späten Vormittag nicht pünktlich zu einer auswärtigen Kabinettssitzung nach Brüssel starten. Die Runde vertrödelte die Zeit aber nicht mit tatenlosem Warten, sondern zog kurzerhand eine für Brüssel geplante Beratung vor, wie Günther auf Facebook postete. Der Airport stellte dafür seine Lounge zur Verfügung, wie Günther dankend bemerkte. Mit 70-minütiger Verspätung ging es dann laut Staatskanzlei weiter nach Brüssel, wo auch Gespräche mit hochrangigen EU-Vertretern auf der Tagesordnung standen.

Gewerkschaft moniert Dauerprobleme bei Wartung und Instandhaltung

Die Gewerkschaft ver.di wies allerdings darauf hin, dass auch die Arbeitsbedingungen am Hamburger Flughafen besonders seien. „Der Hamburger Flughafen hat seit langer Zeit Probleme, Personal in den Bereichen Instandhaltung und Wartung zu bekommen. Dies liegt an den nicht besonders attraktiven Arbeitsbedingungen und an einem zu geringen Lohn“, sagte die zuständige Gewerkschaftssekretärin Irene Hatzidimou. Inwiefern hier ein direkter Zusammenhang zwischen dem Personalmangel und dem Stromausfall bestehe, dazu wollte sich die Gewerkschaft ver.di zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern. Der Flughafen Hamburg hatte den Bereich Instandhaltung und Wartung vor Jahren outgesourct, um Kosten zu sparen.

Hatzidimou: "Für Beschäftigte an anderen bundesdeutschen Verkehrsflughäfen wie zum Beispiel in Frankfurt, aber auch für einen Teil der Belegschaft am Hamburger Flughafen, gilt der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes mit höheren Löhnen und deutlich attraktiveren Arbeitsbedingungen. So liegen etwa die Einstiegslöhne bei der in Hamburg für die Instandhaltung zuständigen Real Estate Maintenance Hamburg GmbH (RMH) rund 10% unter dem Tarifniveau des öffentlichen Dienstes.“

Fast wie ein normaler Tag

Der Betrieb in den Flughafenhallen wirkt inzwischen wieder fast wie an einem gewöhnlichen Tag. Um kurz vor 6 Uhr bildeten sich zwar noch längere Schlangen vor den Schaltern, berichtete ein Abendblatt-Reporter vor Ort. Doch mittlerweile sei es vor den Schaltern nicht voller als sonst.

Das Rollfeld am Montagmorgen
Das Rollfeld am Montagmorgen © HA | Michael Arning

Auf dem Rollfeld standen allerdings nur gut ein Drittel der sonst um diese Uhrzeit üblichen Menge an Flugzeugen. Insgesamt sei unter den Reisenden keine Aufregung zu spüren, auch vor den Terminals gebe es keinerlei Hektik, hieß es von Seiten des Flughafens. Die Taxi-Stände sind normal besetzt. Allerdings hatte der Airport auch Fluggäste dazu aufgerufen, sich vorab mit den Fluggesellschaften in Verbindung zu setzen und zu klären, ob ihr Abflug gestrichen sei oder nicht. So wollten die Verantwortlichen vermeiden, dass die Passagiere erst am Flughafen vom Aus ihres Fluges erfahren.

Etliche Flüge bereits gestrichen

Am Montag hat der Betrieb nur schleppend wieder begonnen. Die ersten vier Flüge, die den Flughafen am Morgen verlassen sollten, wurden sämtlich gestrichen. Weitere Flüge sind teils stark verspätet.

Planmäßig müssten heute 214 Flieger in Hamburg starten und noch einmal ebenso viele Landungen über die Bühne gebracht werden. 23 Abflüge sowie zehn Ankünfte wurden jedoch bereits gestrichen, sagte Flughafensprecherin Bromm abendblatt.de. Weitere Streichungen müssten derzeit nicht erfolgen. Das könne sich aber im Laufe des Tages noch ändern.

Als erste Maschine hob um 6.35 Uhr ein Eurowings-Flieger nach Ibiza ab. Um 7.13 Uhr startete Eurowings nach Paris. Die erste Ankunft war um 6.51 Uhr ein Pagasus-Flug aus Antalya, gefolgt von einer Lufthansa-Maschine aus München (7.15 Uhr). Die Abflüge nach Brüssel (geplant 7 Uhr), Palma de Mallorca (geplant 7.05 Uhr), Antalya (geplant 7.20 Uhr) und nach München (geplant 7.30 Uhr) sind verspätet.

Odyssee in Lissabon

Am Sonntagabend um 18 Uhr sollte es für Marion von Lissabon aus zurück nach Hamburg gehen. Gemeinsam mit einer langjährigen Freundin hatte sie viereinhalb Tage in der portugiesischen Hauptstadt verbracht. Doch während ihre Freundin nach Berlin flog, musste die Eimsbüttlerin in Lissabon bleiben, weil am Hamburger Flughafen nichts mehr ging. Keine Chance, auf einen anderen Flug nach Deutschland umgebucht zu werden. „Sie haben mir gesagt, dass alle Flüge voll sind, obwohl man über Google noch buchen konnte“, sagte sie "abendblatt.de". „Ich wäre auch nach Frankfurt geflogen, von dort kommt man ja mit der Bahn weg.“

Obwohl schon klar war, dass der Flughafen Hamburg geschlossen ist, mussten in Lissabon noch alle Passagiere den Check-In machen. „Die Portugiesen hatten die Information gar nicht, dass der Flughafen in Hamburg zu ist. Auch eine Stunde nicht, nachdem das schon bei Twitter kommuniziert wurde.“ Immerhin habe sich der Mitarbeiter der Fluggesellschaft "Tap" sehr bemüht und sie auf Montagabend 18 Uhr umgebucht. Übernachtet hat Marion dann für 85 Euro in einer neuen Unterkunft. Ob sie das Geld zurückbekommt? Unklar. Wie der Morgen heute aussieht? „Ich gehe erstmal frühstücken, schreibe ein paar Arbeitsmails und kaufe mir noch ein frisches T-Shirt“, sagt Marion. Sie will gegen 14 Uhr schon zum Flughafen fahren, damit sie rechtzeitig umgebucht werden kann, falls das nötig ist.

180 Passagiere schliefen auf Feldbetten

An den Check-in-Schaltern, die ihren Betrieb seit 5 Uhr wieder aufgenommen haben, bildeten sich zunächst lange Schlangen. 180 Fluggäste hatten die Nacht auf Feldbetten zwischen Koffern in den Terminals verbracht. Der Flughafen hatte mit der Unterstützung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) eine Notunterkunft im Terminal Tango mit Betten und Verpflegung aufgebaut. Einige wenige Fluggäste blieben in den Terminals 1 und 2 und schliefen dort auf den Bänken. Seit 3.30 Uhr wartet eine Hamburger Schülergruppe und hofft. Um 12 Uhr nachts erhielt ihr Lehrer die Nachricht, dass ihr Flug nach Paris ausfalle. Jetzt spekulieren sie auf einen Flug um 10 Uhr - oder andernfalls auf einen Zug nach Bremen.

Eine 83-köpfige Abiturienten-Gruppe des Hümmling-Gymnasiums in Sögel (Emsland) will von Hamburg aus nach Bulgarien auf Abitur-Reise fahren. Eigentlich sollten sie schon Sonntag ab 15 Uhr auf dem Weg nach Bulgarien sein. „ Wir haben uns zwei Jahre darauf gefreut“, sagt Schülerin Madita. „Jetzt haben wir schon einen Tag in Bulgarien verloren!“ Voraussichtlich heute, um 23 Uhr, sollen sie jetzt fliegen. Am Montag nächster Woche müssen sie zurück in der Schule sein, um Ihre Abiturergebnisse abzuholen. "Am Flughafen war einfach nur Chaos", sagte Mitabiturientin Michelle Galauner. "Wir wurden von einem Schalter zum anderen gescheucht." Neben den Abiturienten aus dem Emsland schlief eine vierköpfige Familie von der dänischen Insel Fünen. Rentnerin Annie Vous berichtete, am Morgen "nur kurz 'travel wash' gemacht" zu haben, Duschen gebe es nicht.

Tschentscher lobt die Einsatzzentrale

Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) machte sich vor Ort ein Bild von der Lage am Flughafen. Die Einsatzzentrale habe die Situation seiner Ansicht nach "sehr gut in den Griff bekommen", sagte Tschentscher am Abend.

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Allerdings gab es auch Kritik am Krisenmanagement. So befürchteten einige Fluggäste, dass es einen Terroranschlag gegeben habe, mussten aber auf Aufklärung warten. Es habe zu lange gedauert, bis der Zustand kompletter Verwirrung in eine Ordnung überführt werden konnte. Der Flughafen wies das zurück und verwies auf die "Ausnahmesituation. Selbst die Durchsagen funktionierten nicht, weil die Anlage ja Strom braucht", sagte Flughafensprecherin Bromm. Man habe auf die für Notfälle bereitstehenden Megaphone zurückgreifen müssen. Auch hätten sämtliche Computersysteme nach dem Stromausfall mehrfach herunter und wieder hochgefahren werden müssen.

Airport kündigt weitere Einschränkungen an

Der Flughafen weist darauf hin, dass es durch die Einschränkungen und Flugausfälle am Sonntag auch am heutigen Montag noch zu Verspätungen kommen wird. Passagiere, die von Flugausfällen am Sonntag betroffen waren oder für Montag einen Flug ab Hamburg gebucht haben, werden gebeten, sich noch vor der Anreise zum Airport mit ihrer Fluggesellschaft in Verbindung zu setzen. Auch etwaige Entschädigungsansprüche für ausgefallene Flüge seien an die Airlines zu richten.

Nach Einschätzung des Reiserechtsexperten Paul Degott (Hannover) können die Betroffenen nicht auf Ausgleichszahlungen nach EU-Recht hoffen. Ein solcher Vorfall sei als außergewöhnlicher Umstand zu betrachten, dann sei eine Fluggesellschaft von der Zahlung befreit. Wird ein Flug annulliert oder verspätet sich um mehr als drei Stunden, steht Passagieren laut EU-Fluggastrechteverordnung eigentlich eine Entschädigung zu - je nach Flugdistanz sind das 250 bis 600 Euro. Bei einer Pauschalreise ist der Reiseveranstalter in der Pflicht, die Urlauber auf alternativen Wegen ans Ziel zu bringen.