Hamburg. Axel Wittlinger, Vorstand des Immobilienverbands Nord, spricht über teure Wohnungen und drohende Altersarmut durch Miete.

Schon der feste Händedruck verrät: Der Mann hat Energie. Die braucht Axel Wittlinger auch – er führt mit Stöben Wittlinger eines der bekanntesten Hamburger Immobilienunternehmen. Zudem ist er Vorstand des Immobilienverbands IVD, Region Nord. Allein in Hamburg verwalten 500 IVD-Unternehmen rund 50.000 Eigentums- und 110.000 Mietwohnungen.

Herr Wittlinger, in Ihrer Branche dürfte Goldgräberstimmung herrschen. Mit den Immobilienpreisen ist die Maklercourtage stark gestiegen. Bei der in Hamburg ortsüblichen Courtage von 6,25 Prozent kassieren Sie von einem Käufer, der für eine Million Euro ein Haus erwirbt, 62.500 Euro. Ein stolzer Betrag.

Axel Wittlinger: Unsere Branche hat keinen Grund zum Jammer, das ist richtig. Aber zum einen dürfen Sie die Mehrwertsteuer von 19 Prozent in unserem Honorar nicht übersehen. Und zum anderen ist der Markt für gebrauchte Wohnimmobilien eng, entsprechend wenig Objekte werden verkauft. Zudem gibt es auch deutlich niedrigere Courtage-Vereinbarungen. Und Sie dürfen nicht vergessen, dass unsere Personalkosten deutlich gestiegen sind, Immobilienfachleute sind begehrt.

Die Verbraucherzentrale hält die Höhe der Courtage für unfair, da der Käufer den gesamten Vermarktungsprozess bezahle, auch die Besichtigungen mit den Käufern, die nicht zum Zuge kommen. Bei Vermietungen gilt seit 2015 das Bestellerprinzip, da zahlt also in aller Regel der Vermieter.

Wittlinger: Was nach wie vor eine Katastrophe ist, auch für den Mieter.

Wieso? Der spart doch viel Geld.

Wittlinger: Aber er büßt eine enorm wichtige Dienstleistung ein. Wenn früher ein Kunde aus München anrief und sagte, Herr Wittlinger, ich möchte mir am Wochenende zehn Wohnungen ansehen, da wir nach Hamburg ziehen, sagte ich, kein Problem. Ohne entsprechendes Honorar können wir das heute nicht mehr machen. Also finden Besichtigungen werktags statt. Aus unserem Angebot. Suchaufträge können wir nicht annehmen.

Wieso brauche ich als Verkäufer noch einen Makler? Es gibt genügend einschlägige Portale oder die Chance, Zeitungsanzeigen zu schalten.

Wittlinger: Ein Makler bürgt für Sicherheit im gesamten Prozess. Das fängt schon damit an, dass Sie sonst nie genau wissen, ob der Interessent wirklich seriös ist. Vielleicht will er gar nicht Ihre Wohnung, sondern ihr Eigentum. Für Einbrecher ist eine Besichtigung ideal, um Diebesgut auszuspähen. Ich kenne einen Fall, wo ein Verkäufer nach einer Besichtigung Urlaub gemacht hat. Irgendwann fuhr ein Möbelwagen vor, die Nachbarn haben gedacht, gut, der zieht jetzt um. Ganoven haben das gesamte Haus komplett leer geräumt. Aber es gibt noch viele weitere wichtige Dienstleistungen.

Zum Beispiel?

Wittlinger: Wir sind Profis, was die Einschätzung von Immobilienpreisen angeht, da wir den Markt genau kennen. Wir beraten ältere Kunden über eventuell notwendige Umbauten, was Barrierefreiheit angeht, wir kümmern uns auf Wunsch auch um die alte Wohnung. Wir recherchieren das Umfeld in Sachen Schulen und Kindergärten für junge Familien, wir kennen uns aus bei der Finanzierung. Und nicht zu vergessen: Wir haften, auch für die Richtigkeit unserer Exposés.

Dann überrascht uns umso mehr, dass man auch ohne entsprechende Ausbildung einen Gewerbeschein als Makler beantragen kann.

Wittlinger: Da sprechen Sie in der Tat einen wunden Punkt an. Wir kämpfen seit Jahren für entsprechende Qualifikationen. Leider ist eine entsprechende Zugangsbeschränkung in der vergangenen Legis­laturperiode an der Union gescheitert. Deshalb ist das Siegel IVD auch so wichtig, Mitglied kann bei uns nur werden, wer die entsprechende Fachkenntnis nachweisen kann. Allein unser Nord-Verband hat 2017 124 Seminare mit 5000 Teilnehmern angeboten. Und ohnehin hat die Zahl der Seiteneinsteiger in unserer Branche abgenommen.

Wir haben den Eindruck, Mietpreise kennen keine Grenzen mehr …

Wittlinger: Dieses Bild wird in den Medien überzeichnet. Ich habe gerade auf unserem Immobilienportal „IVD24“ nachgeschaut. Unter den knapp 700 Mietobjekten waren 94 unter 700 Euro, 69 unter 600, 35 sogar unter 500 Euro. Es gibt sehr wohl noch preiswerten Wohnraum. Laut einer aktuellen unabhängigen Studie der Hamburger Wohnungswirtschaft liegt die Bestandsmiete pro Quadrat­meter bei privatwirtschaftlichen Vermietern bei 8,78 Euro in normalen und bei 10,17 Euro in guten Wohnlagen. Im Vergleich zu München und erst recht zu Metropolen wie Amsterdam ist das noch günstig. Und wir beobachten, dass die Mieten derzeit eher stagnieren.

Dennoch zahlen viele Mieter in Toplagen 16 Euro und mehr.

Wittlinger: Dann muss aber auch alles stimmen! Sehr gute Lage, sehr guter baulicher Zustand der Wohnung, Bäder und Küche auf Topniveau, Glasfaserkabel, Tiefgaragenstellplatz, eventuell ein Kamin. Aber deshalb können wir nicht von Wohnungsnot sprechen. Es gibt kein Recht auf Wohnen in In-Quartieren wie Eppendorf, Winterhude oder St. Georg.

Das ändert aber nichts daran, dass sich viele Mieter auch in anderen Stadtteilen fragen, wie lange sie sich das Leben hier noch leisten können.

Wittlinger: Es besteht die Gefahr einer neuen Altersarmut durch Miete, das haben Wissenschaftler des Pestel-Instituts gerade nachgewiesen. Dies gilt insbesondere für die geburtenstarken Jahrgänge, also die heute 45-55-Jährigen, für finanzschwache Haushalte sowie für Mieter in teuren Großstädten. Deshalb fordern wir von der Bundesregierung, den Erwerb von Grundeigentum stärker zu unterstützen. Es gibt keine bessere Alterssicherung als eine abbezahlte Wohnung.

Deshalb zahlt die Regierung ja auch Baukindergeld. Innerhalb bestimmter Einkommensgrenzen gibt es für eine Familie mit drei Kindern bis zu 36.000 Euro Zulage.

Wittlinger: Da bin ich skeptisch. Es kann dazu führen, dass in strukturschwachen Gebieten Wohnungen in Dorfkernlage leer gezogen werden und dafür Einfamilienhäuser in der Peripherie entstehen. Besser wäre ein Wegfall oder zumindest eine starke Reduzierung der Grunderwerbssteuer. Diese Steuer ist ungerecht.

Warum?

Wittlinger: Weil sie eine Steuer auf die Steuer ist. Wenn Sie eine Wohnung mit einem Quadratmeterpreis von 3600 Euro bauen, entspricht der Grundstücksanteil ungefähr 600 Euro pro Quadratmeter. Sie zahlen aber auf die gesamten Erwerbskosten in Hamburg 4,5% Prozent Erwerbssteuer, also auch auf die Baukosten, für die Sie bereits 19 Prozent Mehrwertsteuer überwiesen haben. Durch den Anstieg der Immobilienpreise ist die Stadt Hamburg dank der Grunderwerbssteuer von 4,5 Prozent der größte Profiteur des Booms. Bei einem Kaufpreis von 400.000 Euro zahlt man fast 20.000 Euro. Das frisst enormes Eigenkapital. Deshalb sagen wir: Zumindest beim Erstkauf einer Immobilie bis zu 500.000 Euro sollte die Grunderwerbssteuer komplett gestrichen werden.

Befürchten Sie eine Immobilienblase?

Wittlinger: Nein, wenn überhaupt, haben wir eine Blase der Bau- und Grundstückskosten. Der Anstieg ist wirklich in Teilen dramatisch. Aber durch den Zuzug werden Immobilien in Hamburg weiter begehrt bleiben. Gefährlich würde nur eine große Wirtschaftskrise. Unsere vier Auszubildenden in meiner Firma wohnen allesamt in eigenen Wohnungen. Würden viele junge Leute arbeitslos, würden sie eher bei ihren Eltern wohnen bleiben. Dann hätten wir ein Überangebot. Aber die Gefahr halte ich für gering.

Gibt es dennoch Ladenhüter?

Wittlinger: Bei sehr großen Neubauwohnungen, also über 140 Quadratmeter, außerhalb der Toplagen tun wir uns mitunter schwer, die Vorstellungen der Verkäufer zu erfüllen.

Welche Stadtteile könnten in zehn Jahren zu den In-Stadtteilen gehören?

Wittlinger: Rothenburgsort, Barmbek-Nord und auch Wilhelmsburg entwickeln sich sehr gut. Wichtig ist gerade für junge Leute eine gute Verkehrsanbindung in die Innenstadt. Fischbek oder Neugraben sind eher etwas für Familien.